Forschende am Leipziger Max-Planck-Institut haben uralte Funde aus Gräbern der prähistorischen Zeit untersucht. Das Team wollte nach Fällen des Down-Syndroms suchen und fand dabei heraus, dass die Babys eine ganz besondere Bedeutung hatten.

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Kinder mit einer Trisomie wie dem Down-Syndrom starben in prähistorischer Zeit meist kurz nach der Geburt. Dennoch wurden sie umsorgt und anerkannt - das zeigt nun eine Analyse von Gräbern. Bei der Untersuchung von knapp 10.000 Proben von überwiegend prähistorischen Menschen stieß ein internationales Forschungsteam auf sieben Babys mit Trisomien. Sechs von ihnen hatten die auch als Down-Syndrom bekannte Trisomie 21, ein weiteres die wesentlich seltenere Trisomie 18, auch Edwards-Syndrom genannt.

Die Kinder mit diesen Geburtsdefekten lebten zwar nicht lange, waren aber allem Anschein nach als Mitglieder ihrer jeweiligen Gemeinschaft respektiert. Das folgert das Team um Adam Rohrlach und Kay Prüfer vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Fachblatt "Nature Communications" aus den Umständen ihrer Beisetzungen.

Wertvolle und bunte Grabbeigaben

Heute führen Menschen mit Down-Syndrom oft ein langes Leben, auch dank neuester Entwicklungen in der Medizin. Das war in der Vergangenheit jedoch nicht der Fall. Bei den sieben Babys handelt es sich um drei Jungen und vier Mädchen, keines von ihnen wurde viel älter als ein Jahr.

Sechs der Kinder lebten in prähistorischer Zeit - vor 5.000 bis vor 2.500 Jahren - auf dem Gebiet der heutigen Länder Spanien, Griechenland und Bulgarien. Ein weiterer Junge, dessen Überreste von einem Kirchenfriedhof in Finnland stammen, lebte im 17. oder 18. Jahrhundert.

Was bedeutet "prähistorisch"?

  • Damit ist die Zeit aus der Geschichte des Menschen gemeint, aus der es noch keine schriftlichen Quellen gibt. Was wir aus der Zeit wissen, ist durch materielle Hinterlassenschaften oder Strukturen bekannt, die durch Eingriffe in den Boden entstanden: (Quelle: praehistorische-archaeologie.de)

Fünf prähistorische Gräber von Kindern mit Down-Syndrom lagen innerhalb von Siedlungen und enthielten teilweise besondere Grabbeigaben wie bunte Perlenketten, Bronzeringe oder Muscheln. "Diese Art der Bestattung zeigt, dass die Kinder als Teil ihrer damaligen Gemeinschaften umsorgt und geschätzt wurden", wird Erstautor Rohrlach in einer Mitteilung seines Instituts zitiert.

Trisomien
Luftaufnahme der früheisenzeitlichen Siedlung Alto de la Cruz, Navarra, während der Ausgrabungsarbeiten von 1989. © dpa / Photographs from the Government of Navarre and J.L. Larrion

Bei Trisomien tragen die Betroffenen drei statt zwei Kopien eines Chromosoms oder eines Teils davon. Beim Down-Syndrom, das bei etwa einer von tausend Geburten auftritt, ist es das Chromosom 21. Beim Edwards-Syndrom, das mit einer Häufigkeit unter einer von 3.000 Geburten noch wesentlich seltener ist, ist das Chromosom 18 betroffen.

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Kinder wurden als ganz besondere Babys betrachtet

Drei Kinder mit Trisomie 21 und das Mädchen mit Trisomie 18 stammen aus der nordspanischen Region Navarra. Derzeit sei noch unklar, warum gerade an diesen Stätten vergleichsweise viele Trisomie-Fälle gefunden worden seien, sagt Ko-Autor Roberto Risch von der Universitat Autònoma de Barcelona. "Wir wissen aber, dass diese zu den wenigen Kindern gehörten, denen das Privileg zuteilwurde, innerhalb ihrer Siedlungen bestattet zu werden – ein Hinweis darauf, dass sie als ganz besondere Babys betrachtet wurden."

Der bislang früheste Nachweis von Trisomie 21 ist 5.500 Jahre alt. Er stammt von einem Jungen aus dem Megalith-Grab Poulnabrone im Westen von Irland. (Walter Willems, dpa/af)

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