Als in Andalusien ein Grab aus der Kupferzeit mit kostbaren Beigaben entdeckt wird, war den Forschenden klar: Es muss sich um einen Mann handeln, denn sozial hochgestellte Personen waren immer Männer. Jetzt zeigen Analysen, dass das wohl ein Trugschluss war.
Bernsteinperlen, Bergkristalle, Elfenbein. Als 2008 in einer jahrtausendealten Grabstätte in Südspanien solche Kostbarkeiten gefunden wurden, gingen Forschende wie selbstverständlich davon aus: Es muss ein Mann sein, der hier beerdigt wurde.
Doch nun zeigen Analysen eines Zahns aus dem prachtvollen Grab in Valencina bei Sevilla in Andalusien, dass es kein Anführer ist, der dort bestattet wurde. Es ist eine - womöglich gesellschaftlich hochgestellte - Frau, wie ein Forschungsteam im Fachjournal "Nature Scientific Reports" berichtet.
Bisher waren Forschende von einem 17 bis 25 Jahre alten Mann ausgegangen. Das Grab stammt aus der Kupferzeit etwa 3200 bis 2200 vor Christus. "Häufig dominieren Bilder, wonach in der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte sämtliche Führungspositionen von Männern besetzt gewesen seien", sagte Katharina Rebay-Salisbury vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie für Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien. "Mit diesem Fund werden viele unserer Geschlechterstereotypen über Bord geworfen."
Der Nachweis gelang mittels einer speziellen Analyse des Zahnschmelzes, die in Wien entwickelt und vorgenommen wurde. "Das Ergebnis einer solchen Analyse ist zu 99,9 Prozent sicher", erklärte Rebay-Salisbury. Zu den vielen hochwertigen Grabbeigaben zählten dem Team zufolge auch ein Elefantenstoßzahn, Straußeneischalen und ein Dolch mit einer Klinge aus Bergkristall sowie einem Elfenbeingriff, verziert mit 90 scheibenförmigen Perlen aus Perlmutt.
Elfenbein-Händlerin oder Priesterin?
Dass solche Dinge einer Frau mit ins Grab gegeben wurden, zeige, dass womöglich schon in der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte Führungspositionen mit Frauen besetzt waren, sind die Autorinnen und Autoren der Studie überzeugt. Möglicherweise sei die bestattete Frau Elfenbein-Händlerin oder Priesterin gewesen, vermutet Rebay-Salisbury.
Bisher sei in ganz Spanien kein Grab eines Mannes aus der Kupferzeit gefunden worden, dessen sozialer Status dem der Elfenbeindame genannten Frau entspreche, erklärte die spanische Archäologin Marta Cintas Peña von der Universität Sevilla. Das einzige vergleichbare Grab befinde sich ebenfalls auf dem Bestattungsplatz bei Valencina und enthalte die Gebeine von mindestens 15 weiteren Frauen, die nach der Elfenbeindame lebten. Womöglich handle es sich um Menschen, die eine Verbindung mit ihrem Leben - zum Beispiel religiöser Art - hatten.
Insgesamt deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass Frauen in der iberischen Gesellschaft der Kupferzeit Führungspositionen eingenommen haben könnten und die Rolle von Frauen in der Vergangenheit und in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen überdacht werden solle, hieß es in einer Mitteilung der Universität von Sevilla zur Studie. (dpa/cze)
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