Vor einigen Jahren wurde Homo floresiensis entdeckt. Noch immer ist umstritten, ob die kleinwüchsigen Menschen auf der indonesischen Insel Flores eine eigene Art darstellten. Nun gibt es neue Funde eines Frühmenschen, wieder auf einer Insel.
Die Menschheit ist um eine Art reicher: Homo luzonensis heißt ihr neu beschriebener Vertreter. Überreste des Frühmenschen waren auf der philippinischen Insel Luzon in der Callao-Höhle entdeckt worden. Die Zähne und Knochen weisen sowohl Merkmale des modernen Menschen Homo sapiens als auch des Vormenschen Australopithecus auf, berichten Forscher in der Fachzeitschrift "Nature".
Im Jahr 2010 hatte die Gruppe um Florent Détroit vom Nationalen Museum für Naturgeschichte in Paris und Armand Salvador Mijares von der University of the Philippines in Quezon City einen Mittelfußknochen aus der Höhle wissenschaftlich beschrieben.
Hinzu kamen weitere Funde in derselben geologischen Schicht: Fuß- und Fingerknochen, ein unvollständiger Oberschenkelknochen und Backenzähne.
Funde sind mindestens 50.000 Jahre alt
Die Anthropologen gehen von mindestens drei Individuen aus. Mit der sogenannten Uran-Thorium-Methode wurde das Alter einer zusammengehörenden Reihe von Backenzähnen auf ein Alter von mindestens 50.000 Jahren bestimmt.
Die Größe und die Kauflächen der Zähne weisen Ähnlichkeiten mit dem Neandertaler (Homo neanderthalensis) und dem modernen Menschen auf. Der Übergang vom Zahnschmelz zum Zahnbein und die Zahnwurzeln ähneln hingegen eher den Vormenschen Australopithecus und Paranthropus.
Auch die Fuß- und Fingerknochen sehen wie die von Vormenschen aus: Sie sind viel stärker gebogen als bei modernen Menschen.
Ähnlichkeiten zu Homo floresiensis
Insgesamt sind die Knochen und Zähne verhältnismäßig klein und erinnern deshalb an eine andere Menschenart, die 2003 auf der indonesischen Insel Flores entdeckt wurde: Homo floresiensis. Sie wirkte gegenüber den zur gleichen Zeit lebenden Menschenarten wie Homo neanderthalensis und Homo sapiens zwergenhaft. Manchmal wird Homo floresiensis darum auch "Hobbit" genannt. Die Eigenständigkeit der Art ist bis heute umstritten.
In einem Kommentar in "Nature" nennt Matthew Tocheri von der Lakehead University in Thunder Bay (Ontario, Kanada) den Fund eine "bemerkenswerte Entdeckung eines menschlichen Verwandten, die in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren zweifellos viele wissenschaftliche Diskussionen auslösen wird".
Tocheri mutmaßt, dass Homo floresiensis und Homo luzonensis beide Nachkommen von Homo erectus sein könnten, die sich auf ihren jeweiligen Inseln über Hunderttausende von Jahren getrennt entwickelt haben.
Ähnliche Funde auf dem Festland wären ein Schock
Auch Faysal Bibi vom Naturkundemuseum in Berlin vermutet in der Isolation durch die Insellage den Grund für die eigenartige Entwicklung von Homo luzonensis. "Wären die Knochen auf dem Festland gefunden worden, wäre das für die Wissenschaftsgemeinde ein Schock."
Bibi verweist auf zahlreiche endemische Arten von Säugetieren auf Inseln, die schon vor Hunderttausenden von Jahren vom Festland getrennt waren. Sie weisen oft das Phänomen der sogenannten Inselverzwergung auf: Die Körpergröße nimmt über Generationen hinweg deutlich ab. Endemisch werden Arten genannt, wenn sie nur in überschaubaren, abgegrenzten Regionen auf der Erde vorkommen.
Große Diversität an Nachkommen erwartbar
Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hält einen eigenen Artnamen für den entdeckten Frühmenschen für berechtigt: "Die Knochen und Zähne dieser Menschen unterscheiden sich vom allem, was wir kennen."
Ihn wundert auch nicht, dass sich die Entwicklung der Gattung Homo durch neuere Funde immer vielfältiger darstellt: In 1,5 Millionen Jahren hätten die Nachkommen des Homo erectus eine viel größere Diversität entwickelt als der Homo sapiens in den letzten etwa 100.000 Jahren, nachdem er Afrika verlassen hatte. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.