Unter Historikern und Wissenschaftlern ist anlässlich des 75. Todestags von Erwin Rommel eine neue Debatte um dessen Rolle im Dritten Reich entbrannt. Nach ihm benannte Straßen und Plätze könnten nun umbenannt werden.

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In Blaustein-Herrlingen, wo Erwin Rommel auf Befehl Hitlers Gift schluckte und starb, erinnerte lange ein Museum an den Generalfeldmarschall. Ohne viel Aufhebens hat der Gemeinderat es kürzlich geschlossen.

In Aalen, wo Rommel aufwuchs, will man eine nach ihm benannte Straße umbenennen. Und in seiner Geburtsstadt Heidenheim stören sich Bürger an dem großen Denkmal, das der Verband "Deutsches Afrikakorps" 1961 auf einem Hügel für den Feldherren errichten ließ.

Was darf noch den Namen Erwin Rommels tragen?

Unumstritten war Rommel zwar nie. Doch 75 Jahre nach seinem erzwungenen Selbstmord am 14. Oktober 1944 ist die Debatte über eine Neubewertung des als "Wüstenfuchs" zu Ruhm gelangten Heerführers wieder entflammt.

Besonders in seiner schwäbischen Heimatregion wird gefragt, ob Rommel immer noch als Namenspatron taugt oder nicht.

"Der Mythos um Rommel wankt", konstatiert der Autor Stefan Jehle in einem von der Landeszentrale für politische Bildung veröffentlichten Beitrag.

Als soldatischer Held und Sympathisant des militärischen Widerstandes gegen Hitler gilt er den einen. Andere sehen in Rommel einen Kriegsverbrecher. Vor allem, meint Jehle, sei er ein "willfähriges Werkzeug in einem lange geplanten Vernichtungsfeldzug der Nationalsozialisten" gewesen.

Es sei ein "Beispiel für braunes Denken", dass es in Aalen immer noch eine Erwin-Rommel-Straße gebe, sagte der DGB-Kreisvorsitzende Josef Mischko bei einer Kundgebung zum Antikriegstag am 1. September. "Er war am Überfall auf Polen und andere Länder beteiligt – und er war ein glühender Verehrer Adolf Hitlers."

An Oberbürgermeister Thilo Rentschler von der SPD appellierte Mischko, die Straße künftig nach Manfred Rommel zu benennen. Der 2013 gestorbene Sohn des Generalfeldmarschalls war lange CDU-Oberbürgermeister Stuttgarts und galt als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Aalens OB und der Gemeinderat sind dem Vorschlag durchaus zugeneigt.

Derweil ringt der Gemeinderat in Heidenheim um einen Beschluss zum Erwin-Rommel-Denkmal. Abreißen will es kaum jemand. Aber so, wie es ist, soll es auch nicht bleiben.

Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag des Heidenheimer Künstlers Rainer Jooß. "Vor das weiße Denkmal würde ich eine flache Stahlskulptur setzen, die einen Menschen an Krücken darstellt - das Opfer einer Landmine", erzählt Jooß.

In El Alamein sterben noch heute Menschen durch Rommels Landminen

Die Skulptur solle einen Schatten auf den Namenszug des Generals werfen. "Er hat entlang der Front bei El Alamein unendlich viele Landminen vergraben lassen. Viele töten oder verletzen heute noch Menschen."

Hingegen wirkten manche Exponate des Rommel-Museums im Blausteiner Stadtteil Herrlingen durchaus wie eine "Wüstenfuchs"-Glorifizierung - von Rommels Tropenuniform über die Nachbildung seines Marschallstabs bis zu Orden und seiner Totenmaske. "Diese Ausstellung ist nach 30 Jahren als überholt anzusehen", befand der Gemeinderat.

Künftig werde es eine neue Dauerausstellung geben, berichtet Blausteins Stadtarchivar Manfred Kindl. Neben Erwin Rommel soll das Leben der jüdischen Reformpädagogin Anna Essinger (1879 bis 1960) und der jüdischen Kunsthistorikerin Gertrud Kantorowicz, die 1945 im Konzentrationslager Theresienstadt starb, beleuchtet werden.

Bundesweit sind laut einer Zählung der "Stuttgarter Zeitung" noch 13 Straßen und eine Steige nach Rommel benannt, davon neun im Südwesten. Auch zwei Kasernen tragen seinen Namen - in Augustdorf (Nordrhein-Westfalen) und Dornstadt bei Ulm.

Eine Umbenennung sei nicht vorgesehen, teilte eine Sprecherin des Bundesministeriums der Verteidigung mit.

Hitler-Freund oder Widerstandskämpfer?

Rommel habe verbrecherische Befehle missachtet und das vom NS-Regime geforderte ideologische Feindbild abgelehnt. Zudem rücke die Forschung ihn "zunehmend in die Nähe des Widerstandes" gegen Hitler. Damit sei er weiter "sinn- und traditionsstiftend".

Das liest sich in einem Sachstandsbericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zur Rommel-Debatte vom Februar 2019 anders: Es bleibe festzustellen, "dass sich seine Rolle im Widerstand auch nach neuesten Forschungen rund um das Netzwerk des 20. Juli auf eine mögliche Mitwisserschaft beschränkt", heißt es da.

Dem Verteidigungsministerium scheine allein dies schon für eine "Traditionswürdigkeit" auszureichen. "Denn irgendein aktives widerständisches Verhalten konnte für Rommel bis heute von der historischen Forschung nicht belegt werden." (hau/dpa)

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