Bei Bodenmessungen auf der Fraueninseln im bayerischen Chiemsee sind Physiker auf altes Gestein gestoßen - was sie jetzt vermuten und warum von einem "Sensationsfund" die Rede ist.

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Wissenschaftler haben auf der Fraueninsel im Chiemsee eine womöglich seit 1.000 Jahren im Erdboden schlummernde Kultstätte entdeckt.

Bei Bodenradarmessungen seien Geophysiker auf bisher unbekannte Grundmauern eines romanischen Zentralbaus gestoßen, teilte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) am Mittwoch mit. Ungeklärt sei, ob es sich bei dem Bau von 19 Metern Durchmesser auf dem höchsten Punkt der Insel um das Grab der Seligen Irmengard handeln könnte. Sie wirkte im 9. Jahrhundert als Äbtissin des Konvents Frauenwörth.

Über historische Einordnung bisher unschlüssig

Bayerns Kunstminister Markus Blume sprach von einem Sensationsfund. "Ein derartiger Grundriss eines romanischen Zentralbaus hat nördlich der Alpen absoluten Seltenheitswert. Es bleibt also spannend, wie die Wissenschaft diesen Fund historisch einordnet." Auch der Generalkonservator des Landesamtes, Mathias Pfeil, sprach von einer "absoluten Seltenheit". "In Bayern sind achteckige Zentralbauten mit innerem Säulenumgang bislang lediglich mit St. Andreas in Bamberg, um 1050, und St. Gallus in Würzburg, um 1130, archäologisch nachgewiesen."

Das Kloster Frauenwörth prägt seit Jahrhunderten die Insel. Die Selige Irmengard, Tochter König Ludwigs des Deutschen und Urenkelin Karls des Großen, wurde 866 in der Abteikirche bestattet, wie das Landesamt weiter erläuterte. Zwischen 1001 und 1020 wurde demnach ihr Grab geöffnet, um Reliquien zu entnehmen. Vielleicht sei in diesem Kontext der zusätzliche Memorialbau entstanden, der in Anlehnung an die Jerusalemer Grabeskirche als Ziel für Pilger dienen sollte, hieß es weiter.

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"Auch für uns eine große Überraschung"

Die Bauentwicklung des wohl durch Herzog Tassilo III. um 782 gegründeten Klosters gelte als gut erforscht. Der Zentralbau sei hingegen bisher nicht überliefert, weder in Schriften noch auf historischen Karten. Bekannt war, dass es im Bereich des Fundortes früher die zum Kloster gehörende, erstmals für das Jahr 1393 überlieferte Kirche St. Martin gab. Sie wurde 1803 im Zuge der Säkularisation abgerissen. "Doch dass es einen älteren Vorgängerbau gab, das ist auch für uns eine große Überraschung", sagt der Bürgermeister der Gemeinde Chiemsee, Armin Krämmer.

Die Daten sollen nun wissenschaftlich ausgewertet und analysiert werden, um Antworten auf die noch offenen Fragen zu finden. Zudem werde darüber nachgedacht, den Grundriss im kommenden Sommer in Form einer Bepflanzung zu visualisieren und damit erlebbar zu machen. (dpa/tar)

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