• Großbäume in der Stadt sind immens wichtig: Sie kühlen die Umgebung und filtern Luftverschmutzung.
  • Diese Bäume leben jedoch deutlich kürzer als ihre Verwandten in Parks und Grünanlagen.
  • Zehntausende Stadtbäume müssten jährlich nachgepflanzt werden - die Realität sieht aber anders aus.

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Beim sommerlichen Stadtbummel durch eine Innenstadt wird es schnell heiß: Die gepflasterten Straßen und Geschäftsfassaden reflektieren die Hitze. Eine Bank oder ein Café im kühlen Schatten eines großen Laubbaums versprechen Erholung. Durch das Transpirieren - dem "Schwitzen" - der Blätter erhöht sich die Luftfeuchtigkeit. Die entstehende Verdunstungskälte senkt die Umgebungstemperatur, je nach Art und Größe des Baumes, um mehrere Grad ab.

Stadtbäume mit ihren luftigen Baumkronen sind aber weit mehr als bloße Schattenspender. Sie reinigen die Luft und verbessern das Klima in unseren Städten nachhaltig auf ganz natürliche Weise. Der Erdboden, in dem die Wurzeln wachsen, nimmt bei Regen Wasser auf und speichert es für trockene Tage. Die Feuchtigkeit hält die bepflanzte Fläche unter einem Baum frisch und sie heizt sich weniger auf als eine mit Platten oder Asphalt versiegelte Fläche.

Leben in der Stadt ist für Bäume purer Stress

Diese für Menschen so wichtige ökologische Leistung als grüne Klimaanlage erbringt ein Laubbaum, etwa eine Platane oder ein Ahorn, aber erst nach etwa 20 Lebensjahren. Wenn er gesund bleibt. Denn das Leben in der Stadt ist für einen Baum der pure Stress.

Abgase, mechanische Schäden am Stamm durch Anfahrunfälle oder Urin von Hunden oder Wildpinklern schädigen die schützende Rinde und lassen Krankheiten eindringen. Unter der Erde ist zwischen den Leitungstrassen zu wenig Platz für ein gesundes Wurzelwachstum und an der Oberfläche schnürt ein Plattenbelag bis an den Stamm die Luft ab.

Bei der zunehmenden Trockenheit leiden die Bäume immer häufiger unter Wassermangel. Bis zu 300 Liter zieht ein ausgewachsener Baum pro Tag mit den Wurzeln aus dem Boden und durch seine Leitungsbahnen. Die darin gelösten Mineralien versorgen ihn mit lebenswichtigen Nähstoffen. Kein Wunder, dass Straßenbäume nicht annähernd so alt werden wie ihre Verwandten in Parks oder Wäldern. Die durchschnittliche Lebenswartung eines Stadtbaums liegt bei 60 bis 80 Jahren.

Weil im Nachkriegswinter 1948/49 nahezu alle vorhanden Bäume in deutschen Großstädten als Brennholz geschlagen wurden, erreichen die in den 1950er- und 1960er-Jahren nachgepflanzten Exemplare in den nächsten Jahren ihre Leistungsgrenze. Auch wurden die Stadtbäume damals in der Regel in viel zu kleine Gruben gepflanzt, was die Lebenserwartung weiter verringert.

Viele Baumfällungen in den nächsten Jahren

"Wir können davon ausgehen, dass es in den kommenden Jahren vermehrt zu Baumfällungen aufgrund des schlechten, nicht mehr verkehrssicheren Zustand eines Baums kommen wird," erklärt Andreas Schulz vom Fachverband geprüfter Baumpfleger: "Die müssen alle nachgepflanzt werden, wenn wir den jetzigen ökologischen Effekt auch nur erhalten wollen." Dazu kommen Bäume, die als Ersatz für Fällungen im Zuge von Baumaßnahmen wieder neu angepflanzt werden.

In einer Großstadt mit 100.000 Straßenbäumen mit einer Lebenserwartung von 60 bis 80 Jahren sollten schon jetzt mit 1.250 Ersatzpflanzungen pro Jahr kalkuliert werden, rechnet der Fachverband geprüfter Baumpfleger (FGB) vor. "In Aachen liegen wir derzeit bei etwa 750 Nachpflanzungen pro Jahr." Aus Gesprächen mit Kollegen weiß Andreas Schulz, dass es in den anderen Städten nicht anders aussieht. "Manche Gemeinden arbeiten mit 200 Nachpflanzungen pro Jahr."

Aber jedes Jahr summieren sich die fehlenden Bäume zu einer immer größeren Zahl auf. Liegen die aktuellen Ersatzzahlen unter den eigentlich benötigten Stückzahlen, werden sich diese in den kommenden Jahren deutlich erhöhen. "Da rollt eine Welle auf uns zu," mahnt Schulz.

Bessere Standortbedingungen für ein längeres Leben

Das Ziel müssen Lebensbedingungen für Stadtbäume sein, die sie vor einem vorzeitigen Ableben schützen und die positiven Wirkungen so lange wie möglich erhalten. Dazu gehört ein Standort mit genügend Wurzelraum, gutem Erdboden und Luft. Langfristig macht sich auch die Auswahl von klimaverträglichen Baumarten wie Zürgelbäume oder Hopfenbuche und großflächige, mit Stauden bepflanzte Baumscheiben bezahlt.

Finanzielle Einsparungen werden langfristig all die Kommunen verzeichnen können, die die Lebensdauer von Bäumen an den Stressstandorten der Stadt verbessern, prognostiziert der FGB. Der Wert jedes einzelnen Baums wird noch größer, weil das Angebot an verpflanzbaren Bäumen die Nachfrage, gerade bei den klimafesten Arten, kaum mehr bedienen kann. Die Anzahl an Baumschulen, die die benötigten Bäume produzieren, ist seit Jahren rückläufig.

Der wirtschaftliche Druck durch europaweite Ausschreibungen hat viele deutsche Betriebe schließen lassen. Schon heute können daher für Großprojekte, wie etwa neue Autobahnabschnitte oder Bahntrassen, die rechtlich geforderten einheimischen Sträucher für die seitliche Bepflanzung nicht immer geliefert werden.

Auf die kühlende Mithilfe der Bäume zu verzichten, können sich die Städte angesichts steigender Temperaturen nicht leisten. Das entspannte Bummeln durch die Innenstadt verliert sonst seinen Charme und treibt die Menschen zum Einkaufen lieber in gekühlte Shoppingmalls oder ins Internet.

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Über den Experten:
Andreas Schulz ist stellvertretender Vorstand des Fachverbands geprüfter Baumpfleger und Bereichsleiter Baumunterhaltung im Aachener Stadtbetrieb. Der Fachagrarwirt für Baumpflege hat eine 'Nachpflanzungsformel' aufgestellt, mit der Kommunen die Anzahl der benötigten Bäume ermitteln können.

Verwendete Quellen:

  • Pressemitteilung Fachverband geprüfter Baumpfleger: Baumersatzpflanzungen werden in den nächsten Jahren stark zunehmen (24. Februar 2022)
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