In deutschen Städten wird immer mehr Fläche versiegelt – eine fatale Entwicklung. Wie Städte lebenswerter werden und sich gegen Extremtemperaturen wappnen können.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Waren Sie hierzulande schon einmal an einem heißen Sommertag in einer Einkaufsstraße unterwegs und dachten sich: Hier ist es doch gut auszuhalten? Die meisten Shopping-Meilen sind zugepflastert. Auf vielen Marktplätzen oder sogar Schulhöfen: das gleiche Trauerspiel.

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Es gibt viel Asphalt und Beton, aber wenige oder gar keine Bäume, die Schatten spenden. An heißen Tagen heizen sich eben diese Orte besonders auf. Wenn die Temperaturen lokal deutlich höher sind als im Umland, spricht man von "Hitzeinseln".

Davon gibt es in Deutschland leider viel zu viele. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat nun einen ersten Hitze-Check von 190 deutschen Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern veröffentlicht. Dafür wertete die DUH die Versiegelung und den Anteil von Grünvolumen aus.

Das Ergebnis: Es sieht nicht gut aus.

Hitze-Check fällt negativ aus

Das Fazit der DUH: Die meisten Städte schützen ihre Bewohner nicht ausreichend vor extrem hohen Temperaturen. Im Schnitt sind um die 45 Prozent versiegelt – und dabei bleibt es nicht. Täglich werden nach Angaben der DUH 50 Hektar Fläche versiegelt. Das ist pro Jahr eine Fläche so groß wie die Stadt Hannover.

"Statt zu lebenswerten Orten der Erholung entwickeln sich unsere Städte in Hitze-Höllen."

Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin DUH

Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz schneidet am schlechtesten ab. Die Stadt landet auf dem letzten Platz des Hitze-Checks, sie ist zu rund 60 Prozent versiegelt. "Statt zu lebenswerten Orten der Erholung entwickeln sich unsere Städte in Hitze-Höllen", sagt Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH.

Klimawandel lässt Hitzewellen häufiger und stärker auftreten

Den Begriff "Hölle" würde ich persönlich nicht verwenden. Ich würde eher sagen: Unsere Städte werden immer weniger lebenswert. Und ja, vielleicht ist es irgendwann so heiß, dass man ohne Klimaanlage keinen Sommer mehr aushält.

Fest steht: Aufgrund des menschengemachten Klimawandels werden Hitzewellen immer häufiger und stärker auftreten. Je dichter eine Stadt bebaut ist, je weniger Grünflächen es gibt, desto heißer wird es, desto mehr Hitzeinseln bilden sich.

Vor allem Materialien wie Asphalt, Beton, Glas und Metall speichern tagsüber Wärme und geben sie abends wieder ab. Dadurch kühlen Städte nachts langsamer ab und bleiben wärmer als das Umland.

Hitze hat Auswirkungen auf unsere Gesundheit

Und das kann gefährlich werden. Hohe Temperaturen erhöhen unter anderem das Risiko von Hitzschlägen, sie belasten stark das Herz-Kreislauf-System, weswegen auch während Hitzeperioden die Sterblichkeit steigt. Bis 2050 könnten europaweit schätzungsweise bis zu 90.000 Menschen aufgrund der Hitze pro Jahr sterben, schreibt das Robert-Koch-Institut.

Neben Kindern sind vor allem Schwangere sowie Menschen im hohen Alter und Personen mit Vorerkrankungen von den gesundheitlichen Auswirkungen der hohen Temperaturen betroffen. Auch bei jungen und gesunden Menschen können Kopfschmerzen, Übelkeit, Erschöpfung und Schlafprobleme auftreten.

Ich selbst wohne in einer Dachgeschosswohnung, in der es sich auch nachts kaum abkühlt. Im Sommer schlafe ich daher auch schlechter, wache nachts immer wieder auf. Und das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt.

Denn die Zahl der Tropennächte wird in Deutschland weiter zunehmen. Das sind Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius fällt. Studien zeigen, dass solche heißen Nächte sogar das Risiko für Schlaganfälle signifikant erhöhen können. Dass unsere Städte also immer weiter versiegelt werden und sich immer mehr Hitzeinseln bilden, ist daher auch eine fatale Entwicklung.

Wie sich Städte gegen Extremtemperaturen schützen können

Wie können sich Städte denn nun gegen Hitze wappnen? Zahlreiche Maßnahmen helfen den Bewohnerinnen und Bewohnern. Dazu zählt, Trinkbrunnen zu bauen, öffentliche Kühlräume zu errichten, Gebäude und Straßen zu beschatten, etwa mit Sonnensegeln oder helle, reflektierende Materialien für Straßen und Gebäude einzusetzen.

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Die wichtigsten Maßnahmen sind aber die konsequente Entsiegelung und mehr Grün. Im Hitze-Check schneidet Detmold deshalb auch am besten ab. Hier liegt die Versiegelung bei "nur" knapp 35 Prozent. Außerdem hat die Stadt pro Quadratmeter viel Grünvolumen, also viele Bäume und Büsche.

Studien zeigen, dass Grünanlagen mit Bäumen durch den Schatten, den sie werfen, aber auch durch ihre Verdunstung für einen größeren Kühlungseffekt als Grünflächen ohne Bäume sorgen.

Bäume als Klimaanlagen

Jede:r, der oder die schon einmal an einem heißen Tag in praller Sonne die Straße entlanggelaufen ist und dann in den Schatten eines Baumes gelangt, kennt den Effekt: Es wird kühler. An extrem heißen Tagen kann Asphalt Temperaturen von bis zu 60 oder 70 Grad erreichen. Bäume können den Asphalt unter ihren Kronen um bis zu 20 Grad abkühlen und die Lufttemperatur um bis zu zwei Grad, wie Studien von Mohammad Rahman von der Technischen Universität München (TUM) gezeigt haben.

"Die Leistung der Bäume ist vergleichbar mit der einer Klimaanlage für einen Raum", sagt der Pflanzenökologe. Das steigert im Sommer die Lebensqualität von Tieren und Menschen.

Es scheint so einfach: Wir brauchen mehr Grünflächen - und vor allem unversiegelten Boden. Dieser dient nicht nur zur Abkühlung, sondern ermöglicht auch, dass Regenwasser versickern und im Boden gespeichert werden kann. Dafür könnten beispielsweise Parkplätze entsiegelt werden. Statt Asphalt könnten natürliche Beläge und Rasengittersteine verwendet werden. Auch Schulhöfe und andere öffentliche Plätze wie Einkaufsstraßen und Marktplätze können entsiegelt werden.

Fassadenbegrünung, Entsiegelung privater Flächen

Weitere Maßnahmen für besseren Hitzeschutz in Städten sind außerdem Fassadenbegrünung und Dachbegrünung. Begrünte Dächer reduzieren die Oberflächentemperatur und bieten zusätzlichen Lebensraum für Pflanzen und Tiere​. Immerhin: Einige Stadtregierungen, zum Beispiel in Bremen, Hannover und Osnabrück, unterstützen bereits Privatpersonen beim Entsiegeln ihrer privaten Flächen.

Die DUH fordert unter anderem, dass es mehr Umbau als Neubau geben muss, damit nicht noch mehr Flächen versiegelt werden. Denn es gebe viel Potenzial in den Städten, das noch nicht genutzt werde. Zum Beispiel Hallen oder Büros, die kaum oder gar nicht genutzt würden und zu Wohngebäuden umgebaut werden könnten.

Klimaanpassungsgesetz von 2023

Im vergangenen Jahr wurde das Klimaanpassungsgesetz verabschiedet. Dieses soll Länder und Gemeinden dazu ermutigen, weniger Flächen zu versiegeln. Das Gesetz verlangt von den Ländern außerdem, regelmäßig die Klimarisiken für Städte und Landkreise zu analysieren. Am Ende des Jahres wird auch endlich eine Klimaanpassungsstrategie veröffentlicht, die konkrete Ziele festlegt.

Es gibt sie, die zahlreichen Maßnahmen und Ideen, wie unsere Städte nicht zu "Hitze-Höllen" werden. Und es gibt erste Vorbilder, wie Detmold, Ratingen, Potsdam und Jena, die im Hitze-Check des DUH ganz vorne liegen.

Ich werde im Sommer weiterhin die städtischen Asphaltwüsten wie Shopping-Meilen und Marktplätze so gut es geht meiden. Mein bevorzugter Platz an heißen Tagen ist überall da, wo es Schatten gibt – am liebsten natürlich unter einem großen Baum.

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Verwendete Quellen

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