Gefühlt nehmen die Naturgefahren in den Alpen, wie zum Beispiel Steinschläge und Murgänge, seit Jahrzehnten zu - aber lässt sich das auch anhand von Studien beweisen?
Wenn Lawinen ins Tal donnern oder riesige Mengen Gestein abbrechen, warnt die Wissenschaft seit Langem, dass solche Ereignisse sich im Zuge des Klimawandels häufen dürften. Um dies zu prüfen, hat ein Team unter Schweizer Leitung 335 Studien gesichtet und davon ein knappes Drittel ausgewertet. Es kommt zu gemischten Ergebnissen.
Fazit nur in einem Fall eindeutig
Die Expertinnen und Experten haben Steinschläge, Bergstürze, Murgänge sowie Eis- und Schneelawinen untersucht. Ihr Fazit ist nur in einem Fall eindeutig: Steinschlag hat in alpinen Hochlagen zugenommen. "Aus der gesichteten Literatur geht auch hervor, dass die Quantifizierung der Auswirkungen des Klimawandels auf solche Massenbewegungen schwierig bleibt", heißt es in der Studie, die im Fachjournal "Earth-Science Reviews" veröffentlicht wurde. Das liege unter anderem an dem komplexen Natursystem mit vielen Einflüssen und an mangelnden Daten.
Geröll und Gestein bricht plötzlich ab und kleinere Brocken stürzen einen Hang oder eine Felswand hinab. Solche Ereignisse hätten in hochalpinen Regionen zugenommen, heißt es in dem Fachartikel. Einer der Gründe: Gletscher gehen zurück, der Permafrost, der gefrorene Grund, taut auf. Feuchtigkeit im Boden kann Steine und Felsbrocken lösen.
Erst Anfang Oktober waren in Graubünden geschätzt 10.000 Kubikmeter Gestein am Großen Tschingelhorn abgebrochen. 2017 gingen am Piz Cengalo vier Millionen Kubikmeter Gestein ab. Acht Wanderer kamen um, darunter Deutsche. Dennoch: Für eindeutige Aussagen zur steigenden Häufigkeit fehlen noch Daten, so die Wissenschaftler. "Auch wenn eine klare Aussage noch nicht möglich ist, deutet vieles darauf hin, dass Bergstürze heute häufiger vorkommen", sagte Samuel Weber vom Institut für Schnee und Lawinenforschung (SLF) in Davos.
Klimawandel in den Alpen klar zu spüren
Ein Murgang entsteht, wenn durch starken Regen Geröll, Schutt und Erdreich an einem steilen Hang abrutschen. Dass es mehr Murgänge gibt als früher, legt nur die Hälfte der Studien nahe, wie es hieß. Es gebe aber Hinweise, dass mehr Murgänge oberhalb der Baumgrenze und in Gebieten, die vorher nicht betroffen waren, passieren.
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Die Studien zeigen, dass Lawinen mehr Nass- als Pulverschnee haben. Mangels Schnee gibt es in niedrigen Lagen weniger, in höheren Lagen hingegen etwas mehr Lawinen.
Der Klimawandel ist in den Alpen klar zu spüren: Die Lufttemperatur ist von 1968 bis 2017 jedes Jahrzehnt um 0,3 bis 0,4 Grad gestiegen, wie die Autorinnen und Autoren aus Analysen zitieren. Die Schneemenge sei um bis zu 15 Prozent gesunken, die Schweizer Gletscher hätten seit den 80er-Jahren bis 2016 rund 43 Prozent ihres Eisvolumens verloren, in den Jahren 2022 und 2023 noch einmal zehn Prozent. (dpa/bearbeitet von nap)
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