Immer wieder wollen Menschen Ufos am Himmel gesehen haben. Die Faszination für das Außergewöhnliche und was es wirklich mit den unbekannten Flugobjekten auf sich hat, erklärt der Münchner Wissenschaftler Dr. Alexander Knorr.

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Um welche Objekte handelt es sich, wenn Leute meinen, Ufos zu sehen?

Dr. Alexander Knorr: Unter Ufos versteht man unbekannte und nicht identifizierte Flugobjekte - also Dinge, die Menschen am Himmel beobachten und sich zunächst nicht erklären können. Und davon gibt es einige. Beispiele sind helle Planeten wie Venus, Jupiter oder Mars, die oft mit Ufos verwechselt werden. Oder wenn Sternschnuppen aufleuchten, die nicht als Strich zu sehen sind, sondern auf den Beobachter zukommen.

Aber auch vom Menschen gemachte Wetterballons, die mit Aluminium beschichtet sind und stark reflektieren, werden oft als Ufos gemeldet. Oder Himmelslaternen, die kleinen Papierballons mit Kerzen, die im Nebel beispielsweise wie mysteriöse Leuchtkugeln erscheinen. Selbst linsenförmige Föhnwolken, die klar definierte Begrenzungen haben und im blauem Himmel stehen, werden für Ufos gehalten.

Ein sehr ungewöhnlicher und spektakulärer Anblick ist auch das Aufleuchten der 66 Iridium-Telekommunikations-Satelliten, die um die Erde kreisen. Die Reflexion des Sonnenlichts in ihren großen Antennen erzeugt sehr helle Leuchterscheinungen, die fünf bis 20 Sekunden dauern und jede Nacht zu sehen sind.

Was denken Sie selbst, ist außerirdische Technologie schon mal auf unserem Planeten gelandet?

Nein. Dafür gibt es aus wissenschaftlicher Sicht keinerlei Hinweise. Diese Vorstellung ist mit dem großen internationalen Erfolg des Schweizer Schriftstellers Erich von Däniken in den 1970er und 1980er Jahren verbreitet worden. Er deutete etliche archäologische Funde mit bildlichen Darstellungen um, was einer völlig willkürlichen Interpretation gleichkommt. Jeder Archäologe sagt, dass das unhaltbar ist. Zudem ist nie etwas gefunden worden, das auf eine außerirdische Technologie hinweist.

Die Idee, dass Außerirdische mit Raumschiffen zu uns kommen, ist aber älter und beruht vor allem auf zwei Science-Fiction-Romanen: Kurd Laßwitz schrieb in "Auf zwei Planeten" 1897 über Marsianer und H. G. Wells veröffentlichte 1898 den "Krieg der Welten".

Wieso stellen sich Menschen unter Ufos immer flache Scheiben vor?

Das ist eine relativ junge kulturelle Entwicklung. Urheber dieses Bildes ist der amerikanische Hobbypilot Kenneth Arnold, der 1947 seltsame Flugobjekte sah und dies Journalisten erzählte. Auf die Frage, wie sich diese bewegt hätten, antwortete er "wie wenn man Teller übers Wasser werfen würde". Die Presse kreierte aus dieser Aussage die "fliegende Untertasse", die sich weltweit verbreitete und festsetzte. In den 1950er Jahren gab es mehr und mehr Science-Fiction-Filme mit fliegenden Untertassen, so dass sie irgendwann gleichbedeutend mit außerirdischen Raumschiffen waren.

Heutzutage gibt es auch ein Ufo-Emoji, das wie eine fliegende Untertasse aussieht. Und in den Lesebüchern bayerischer Grundschulen ist für den Buchstaben U eine fliegende Untertasse als Beispielbild zu finden.

Gibt es eine irdische Technologie, die Millionen von Lichtjahre zurücklegen kann?

Nein, die gibt es nicht. Denn die Entfernungen im Weltraum sind einfach zu groß. Die Zeit und der Energieaufwand, der nötig wäre, um von einem Stern zum nächsten zu fliegen, ist zu gewaltig. Eine Rakete ins All zu bekommen, ist nach wie vor keine triviale Aufgabe, wobei es hier häufig "nur" um die Erdumlaufbahn geht und nicht um eine Reise zu einem anderen Stern.

Der nächste Stern, Proxima Centauri, ist 4,24 Lichtjahre entfernt. Das heißt, das Licht dieser Sonne braucht über vier Jahre, bis es bei uns ist. Wobei Licht das Schnellste ist, was es im Universum gibt. Es bewegt sich mit unglaublichen 300.000 Kilometern pro Sekunde. Zum Vergleich: Die Raumstation ISS bewegt sich mit 7,6 Kilometern pro Sekunde, Apollo-Raumschiffe schafften bis zu 10 Kilometer pro Sekunde. Licht ist also 30.000 mal schneller, und trotzdem braucht es über vier Jahre, um vom nächsten Stern bis zu uns zu kommen!

Unsere derzeitigen Raumschiffe bräuchten bis dorthin über Hunderttausend Jahre - und um sie viel schneller zu machen, würde gigantisch viel Energie benötigt. Woher soll die kommen? Und wie will man sie in eine Maschine stecken? Keine bekannte irdische Technologie kann das leisten. Vor dem Hintergrund unseres gesamten naturwissenschaftlichen Wissens erscheint so etwas schlichtweg nicht praktikabel. Was zwar nicht heißt, dass es unmöglich ist, aber sehr unwahrscheinlich.

Wie realistisch ist die Existenz von Ufos?

Wenn man darunter ein Raumschiff versteht, das von Außerirdischen von einem anderen Stern gesteuert wird, dann liegt die Wahrscheinlichkeit praktisch bei Null. Wenn wir aber Phänomene am Himmel meinen, die sich Menschen zunächst nicht erklären können, dann passiert das jeden Tag. Häufig kann man das weder nachvollziehen noch nachprüfen, und es gibt keine verlässlichen Daten. Die Menschen vor ein paar Tausend Jahren haben solche Phänomene auch schon gesichtet, aber wären nie auf ein Ufo gekommen. Weil das Konzept eben noch nicht existierte und das Ganze auch mit Zeit und Muße zu tun hat, über solche Dinge nachzudenken.

Wird das Thema in der Wissenschaft nur als Humbug angesehen?

Die absolute Mehrheit der Wissenschaftler sieht es als ein kulturelles Phänomen an, das historisch, sozial und kulturell interessant ist. Mit Naturwissenschaft hat das nichts zu tun. Auch wenn es um Außerirdische geht, die die Erde besucht haben sollen, steigen seriöse Forscher aus, denn das ist so unwahrscheinlich, dass es fast unmöglich ist.

*Dr. habil. Alexander Knorr ist als Sozial- und Kulturwissenschaftler auf Wissenschafts- und Technikforschung spezialisiert und Privatdozent an der LMU München.
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