• Der deutsche Bergsteiger Jost Kobusch plant, den Mount Everest alleine im Winter, ohne künstlichen Sauerstoff und auf einer besonders schwierigen Route zu besteigen.
  • Er wäre er der Erste, der einen solchen Aufstieg schafft. Einmal ist er bereits gescheitert.
  • Durch ein spezielles Training in den Alpen sowie Detailarbeit im Voraus soll die Tour diesmal klappen.

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Seit 1993 hat es kein Bergsteiger mehr im Winter auf den Mount Everest geschafft. Auch Jost Kobusch ist schon einmal gescheitert. Er startet in diesem Jahr seinen zweiten Versuch auf einer besonders schwierigen Tour. Warum macht es sich der Deutsche extra schwer?

Es ist ein Aufbruch ins Unbekannte. Dieser Satz passt ziemlich gut auf die Mission von Jost Kobusch. Der 29-Jährige will den 8.849 Meter hohen Mount Everest im kommenden Winter allein, ohne künstlichen Sauerstoff, auf einer schwierigen Route über den Westgrat erreichen. Diese Kombination einer Gipfelbesteigung hat bisher noch keiner geschafft - und kein Mensch weiß, ob das überhaupt möglich ist.

Dagegen scheint es zur Hochsaison im Frühjahr für Trainierte und Gutbetuchte kein Problem mehr zu sein, den höchsten Punkt der Erde zu erreichen. Hunderte Bergsteiger ziehen sich im Mai an Fixseilen auf den Südostgrat Richtung Gipfel. Sherpas sorgen für die perfekte Logistik, Sauerstoff in Flaschen für den nötigen Schub.

Nicht zu vergleichen mit den Bedingungen im Winter. Kaum jemand versucht zu dieser Zeit einen Gipfelangriff. Der Jetstream liegt südlicher und fegt mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 Stundenkilometern über die Gipfel des Himalaja. Und wo sonst Schnee liegt, haben es Kletterer mit gefährlichen Eisplatten zu tun.

Im Winter wurde der Everest noch nie im Alleingang bestiegen und auch noch nie ohne künstlichen Sauerstoff. An dieser Kombination ist Jost Kobusch selbst schon einmal gescheitert. Im Jahr 2019 musste er auf seiner Tour von der Südseite über den Lho-La-Pass auf der Westschulter in 7.360 Metern Höhe aufgegeben - wegen einer Verletzung im Fußgelenk und weil die Zeit knapp wurde. "Ich hätte oben Zeit gebraucht, um das Gelände über 8.000 Meter zu erkunden. Aber der Winter war schon fast vorbei", sagt der 29-Jährige im Gespräch mit unserer Redaktion.

Was Jost Kobusch antreibt: "Herausfinden, was ich als Mensch kann"

Nun also der zweite Versuch. Aber warum macht es sich Kobusch zusätzlich schwer? "Es ist die Neugierde, herauszufinden, wozu ich als Mensch in der Lage bin, was ich als Mensch kann", sagt er. "Wenn ich den Everest zur Normalsaison besteigen würde, dann weiß ich ja, es ist möglich, es wird regelmäßig gemacht. Aber ich finde es besonders reizvoll, wenn man nicht weiß, ob es überhaupt möglich ist", erklärt der gebürtige Bielefelder, der in Chemnitz Sports Engineering studiert.

Sein erster Mount-Everest-Versuch vor zwei Jahren blieb in der Kletterprofi-Szene nicht unbemerkt - und auch nicht ohne Kritik. Bergsteiger-Legende Reinhold Messner bezeichnete den jungen Athleten in einem Interview mit der Zeitschrift Alpin als "Ankündigungsweltmeister". Dieselbe Zeitung schrieb aber auch, dass Kobusch im Winter 2019 von allen Gipfelversuchen mit 7.360 Metern am höchsten gekommen ist - und das allein und ohne zusätzlichen Sauerstoff.

Jost Kobusch ist auch kein Anfänger in der sauerstoffarmen Todeszone, die auf 8.000 Metern beginnt. So schaffte er 2016 mit 23 Jahren den Gipfel des 8.091 Meter hohen Annapurna - das Ganze allein und ohne Sauerstoff. Und ein Jahr später machte er durch eine Erstbegehung auf den 7.321 hohen Nangpai Gosum II auf sich aufmerksam.

Spezielles Training in den Alpen

Nun soll es ganz nach oben gehen. Für die geplante Expedition trainiert Kobusch seit über einem Jahr in den Alpen. Dafür hat er einen neuen Coach hinzugezogen. "Auf dem Trainingsplan steht nicht nur zweimal die Woche ein Viertausender, sondern zusätzlich 16 Kilogramm Gewicht im Rucksack obendrauf", sagt der Extremsportler.

Neben dem Bergsteigen im Eis und im kombinierten Gelände geht Kobusch viel Sportklettern und baut seine Fähigkeiten im Rope-Solo-Klettern aus. "Das heißt, ich sichere mich beim Klettern selbst, wie dann später oben am Mount Everest", erklärt er. Dazu kommen noch spezielle Einheiten für Beweglichkeit und Kraft für einen gesunden und ausbalancierten Bewegungsapparat, damit solche Verletzungen wie auf der Tour im Winter 2019/2020 nicht wieder passieren.

Was ihm im kommenden Winter ebenfalls helfen dürfte, ist die Erfahrung. Durch seine Expedition vor zwei Jahren weiß Jost Kobusch, wo die Route im unteren Teil verläuft. "Ich kenne die Geländeform und versuche genau die Ausrüstung zu tragen, die ich bei der Expedition nutzen werde", sagt er. Das heißt konkret, dass er viele Trainingsrouten in den Alpen statt mit Kletterschuhen bereits in Bergstiefeln angeht.

Am Ende bedeutet all das Zeitersparnis. "Ich werde unten viel schneller sein, um die Route einzurichten. So kann ich schneller in den oberen Bereich vordringen. Hier brauche ich Zeit, um mich an die Bedingungen zu gewöhnen und herauszufinden, wie der obere Teil am besten zu klettern ist", so Kobusch.

Start zum Base Camp im November

Wer jetzt denkt, dass der Extrembergsteiger den Gipfel durch sein verbessertes Training im Winter mit hundertprozentiger Sicherheit erreichen wird, der irrt. Denn vor zwei Jahren ging Kobusch selbst von einer Erfolgschance von einem Prozent aus. "Bei diesem Mal sehe ich die Chancen bei guten zehn Prozent", sagt er.

Anfang November wird der Deutsche zum Base Camp des Mount Everest auf 5.200 Metern Höhe starten. Dort wird er mit der Akklimatisierung für die Höhentour beginnen und die Seile für die unteren Kletterrouten verlegen. Ganz allein ist er im Base Camp nicht. Bei der Vorbereitung wird er von zwei Köchen unterstützt.

Der reine Aufstieg in völliger Einsamkeit beginnt voraussichtlich im Februar und wird sich über vier Etappen bis zum Gipfel ziehen - geschätzte Dauer: etwa sieben Tage. Die Schwierigkeit sieht Kobusch in einer Kletterstelle über 8.000 Metern. "Sie ist zwar nicht so technisch anspruchsvoll wie die auf in 5.500 Metern, allerdings wird die Höhe und der niedrige Sauerstoffgehalt zum Problem", erklärt der Bergsteiger, der keinen künstlichen Sauerstoff dabei haben wird.

Aber was ist, wenn ihm in dieser Höhe etwas passiert? "Falls es einem über 7.000 Metern schlecht geht, da kommt keine Hilfe. Wichtig ist, ich muss immer absteigen können. Ab 7.000 Metern könnte mich noch der Helikopter mit einem Seil retten", sagt Kobusch und betont gleichzeitig: "Das ist das Worst-Case-Szenario, darauf will ich mich nicht verlassen. Ich plane alles so, dass das Projekt sicher ist und keine Rettung nötig. Deshalb ist es wichtig, alle Szenarien im Detail durchzugehen."

Verwendete Quellen:

  • Telefonat mit Jost Kobusch
  • Liste aller Winterbegehungen auf den Mount Everest
  • Arte-Doku über Jost Kobuschs Gipfelversuch auf den Mount Everest im Winter 2019/2020
  • Alpin.de: Jost Kobusch: "Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung"
  • Alpin.de: Reinhold Messner: "Der Weltmeister im Ankündigen ist Jost Kobusch"
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