Der Klimawandel beeinträchtigt die Wassertemperatur und somit auch die Fische. Wie groß der Einfluss ist, wurde aber laut einer neuen Studie bislang unterschätzt. In zwei Stadien sind die Tiere besonders wärmeempfindlich.
Die Erwärmung der Meere bedroht Fische einer Studie zufolge wesentlich stärker als bislang bekannt. Forscher des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven berichten im Fachblatt "Science", dass die Tiere in bestimmten Lebensstadien besonders stark unter höheren Temperaturen leiden.
Embryonen und laichbereite ausgewachsene Fische seien generell besonders sensibel, schreibt das Team um Flemming Dahlke und Hans-Otto Pörtner nach der Analyse von insgesamt fast 700 Fischarten aus verschiedenen Klimazonen.
In der Metaanalyse werteten die Biologen unter anderem experimentelle Daten und Beobachtungen zu der Frage aus, in welchen von vier Lebensphasen Meeres- und Süßwasserfische besonders sensibel für höhere Temperaturen sind: Embryo, Larve, ausgewachsener Fisch und paarungsbereiter Fisch.
Warmes Wasser beeinträchtigt die Fische
"Unserer Ergebnisse zeigen, dass Fische als Embryonen im Ei sowie als laichbereite Erwachsene deutlich wärmeempfindlicher sind als im Entwicklungsstadium der Larve oder als geschlechtsreifer Fisch außerhalb der Paarungszeit", wird Dahlke in einer AWI-Mitteilung zitiert.
Diese Differenz ist demnach extrem ausgeprägt: "Im globalen Mittel können zum Beispiel Fische außerhalb der Paarungszeit in bis zu 10 Grad Celsius wärmerem Wasser überleben als laichbereite Fische und Fischeier."
Der Grund: Bei höheren Temperaturen steigt der Energieverbrauch des Organismus - und damit der Sauerstoffbedarf. Zur Paarungszeit bilden Fische Ei- und Spermienzellen, die dem Team zufolge mehr als 20 Prozent der Körpermasse ausmachen können.
Je wärmer das Wasser ist, desto stärker die Folgen für die Tiere, deren Energieverbrauch generell an die jeweiligen Temperaturen angepasst ist. Zudem, so schreibt das Team, könne Temperaturstress die Bildung von Geschlechtshormonen beeinflussen.
Bis zu 60 Prozent der untersuchten Fischarten bedroht
Die Wissenschaftler kalkulierten auch die Folgen der Erderwärmung. "Gelingt es der Menschheit, die Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, werden bis dahin nur etwa zehn Prozent der von uns untersuchten Fischarten ihre angestammten Laichgebiete aufgrund zu warmen Wassers verlassen müssen", erläutert Pörtner. Bei einer durchschnittlichen Erwärmung ab fünf Grad Celsius wären bis zu 60 Prozent dieser Fischarten gefährdet.
Fische müssten entweder ihre Laichzeit oder ihre Laichgebiete dann an kühlere Temperaturen anpassen. Das wäre vor allem für Bewohner von Flüssen und Seen schwierig. Aber auch für Meeresfische sei das Abwandern in kühlere Gefilde nicht unproblematisch, betonen die Forscher.
Denn der fein abgestimmte Vermehrungszyklus sorgt dafür, dass der Nachwuchs geeignete Bedingungen findet: von passendem Substrat zur Eiablage über Strömungen, die den Nachwuchs in seine Kinderstuben transportieren, bis hin zu ausreichender Verfügbarkeit von Plankton, so die Autoren: "Trotz geeigneter Temperaturbedingungen erfüllen andere Jahreszeiten und Orte zum Laichen nicht unbedingt die ökologischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Fortpflanzung.
Studie gibt Grund zur Sorge
In einem "Science"-Kommentar schreibt Jennifer Sunday von der McGill University in Montreal, die Studie biete Grund zur Sorge. Weil die meisten Studien zur Wärmetoleranz bislang Fischlarven oder ausgewachsene Fische untersucht hätten, sei die Sensibilität der Tiere möglicherweise unterschätzt worden.
Zudem könne die Gefahr für manche Arten lange verborgen bleiben: "Fischpopulationen sind dynamisch und haben Ausgleichsmechanismen, die die Überlebensrate einzelner Entwicklungsstadien verschleiern können", schreibt die Biologin.
Sie nennt ein Beispiel: "Die Überlebensrate einzelner Larven und ausgewachsener Fische kann steigen, wenn es weniger von ihnen gibt, und so eine Population kompensieren. Diese ausgleichende Dynamik bedeutet, dass Hinweise auf einen Verlust von Laichgebieten für Fischbestände erst dann registriert werden, wenn die Populationen ernsthaft abnehmen." (awa/dpa)
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