- Bisher waren Forschern vier Fortbewegungsarten von Schlangen bekannt: Kriechen, Schlängeln, Seitenwinden und die Ziehharmonika-Technik.
- Auf der Pazifikinsel Guam leben allerdings Nattern, die noch eine weitere Form beherrschen.
Wissenschaftler haben eine bislang unbekannte Fortbewegungsart von Schlangen entdeckt. Bei der sogenannten Lasso-Bewegung umspannt die auf der Pazifikinsel Guam lebende Braune Nachtbaumnatter (Boiga irregularis) senkrechte Zylinder fest mit ihrem Körper und ruckelt sich dann langsam nach oben.
Die Gruppe um Julie Savidge von der Colorado State University in Fort Collins und Bruce Jayne von der University of Cincinnati (US-Bundessstaat Ohio) beschreibt die kuriose Technik im Fachjournal "Current Biology".
Natter hat zehn von zwölf heimischen Vogelarten ausgerottet
Die nachtaktive Braune Nachtbaumnatter stammt ursprünglich aus Australien, Neuguinea und Indonesien und wurde um 1950 auf Guam eingeschleppt, der größten Insel des Marianen-Archipels im westlichen Pazifik.
Die gewöhnlich bis rund zwei Meter lange, schmale Natter, die sich von Reptilien, kleinen Säugetieren und Vögeln ernährt, breitete sich auf der Insel aus und rottete dort zehn der zwölf auf Guam heimischen Vogelarten aus.
Um die beiden übrigen Arten - darunter der Mikronesische Star (Aplonis opaca) - zu retten, versahen Vogelschützer Pfähle, auf denen Vogelhäuser angebracht sind, mit einer etwa einen Meter hohen Metallröhre. Doch auf einem Überwachungsvideo entdeckten Biologen, dass die Braune Nachtbaumnatter dieses Hindernis mithilfe der Lasso-Technik erklomm.
"Wir haben uns diese Videosequenz etwa 15 Mal angesehen", wird Ko-Autor Thomas Seibert in einer Mitteilung der Zeitschrift zitiert. "Das war schockierend. So etwas habe ich noch nie gesehen."
Bisher wurden vier Fortbewegungsarten unterschieden
Seit fast 100 Jahren unterscheiden Biologen bei Schlangen vier Hauptarten der Fortbewegung: Kriechen, Schlängeln, Seitenwinden und die Ziehharmonika-Bewegung. Bei letzterer sucht die Schlange mit dem vorderen Teil Halt und zieht daraufhin den hinteren Körper nach.
Als das Team das Kletterverhalten der Schlangen an mit Gafferband umwickelten Röhren testete, nutzten die Braunen Nachtbaumnattern bei kleinem Durchmesser ebenfalls die Ziehharmonika-Bewegung.
Doch bei einem Durchmesser ab 15 Zentimetern griffen 5 von 15 Tieren auf die Lasso-Technik zurück: Dabei umspannt die Schlange die gesamte Röhre, verschlingt den vorderen und hinteren Körper miteinander, spannt die Muskulatur an und ruckelt sich dann Stück für Stück nach oben.
Lasso-Technik ist extrem anstrengend
Allerdings ist dieses Klettern extrem anstrengend: Die Tiere kamen nur langsam voran - im Mittel etwa vier Millimeter pro Sekunde - und brauchten wiederholt längere Verschnaufpausen, bis sie wieder zu Kräften kamen. "Sie können zwar auf diese Weise klettern, aber das bringt sie an ihre Grenzen", erläutert Jayne.
Das Wissen um diese Fortbewegungsart soll nun nicht nur dazu beitragen, die letzten Vogelarten auf Guam zu bewahren, sondern auch die Energieversorgung der menschlichen Inselbewohner sichern.
Denn immer wieder erklimmen die Nachtbaumnattern Strommasten und verursachen - oben angelangt - Kurzschlüsse. Das führt regelmäßig zu Stromausfällen. (ff/dpa)
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