- Den Meeren geht der Sauerstoff aus. Diese Folge des Klimawandels beobachten Wissenschaftler seit einiger Zeit.
- Eine aktuelle Studie zeigt: In vielen Seen der Welt ist die Lage nicht besser - im Gegenteil.
In Seen gemäßigter Klimazonen sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers noch schneller als in den Ozeanen. Im tiefen Wasser von fast 400 solcher Seen weltweit ist er seit 1980 bis zu neunmal so stark zurückgegangen wie der durchschnittliche Sauerstoffgehalt im Meerwasser.
Im Oberflächenwasser hingegen fanden die Autoren einer aktuellen Studie in etwa einem Viertel der Seen sogar eine Zunahme des gelösten Sauerstoffs, vermutlich als Ergebnis von Algenblüten.
Die Gruppe um Kevin Rose vom Rensselaer Polytechnic Institute in Troy (New York, USA) hat ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift "Nature" veröffentlicht. Angetrieben werde die Entwicklung vermutlich vom Klimawandel.
Veränderungen des Sauerstoffgehalts vor allem seit 1980
"Alle höheren Lebewesen brauchen Sauerstoff. Wenn Sauerstoff verloren geht, gehen höchstwahrscheinlich auch Arten verloren", wird Rose in einer Mitteilung des an der Studie beteiligten Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zitiert.
Gemeinsam mit einem internationalen Team hat er mehr als 45.000 Temperatur- und Sauerstoffprofile von Seen aus den Jahren 1941 bis 2017 zusammengetragen. In der Analyse der Messreihen ergaben sich Veränderungen vor allem seit 1980.
Im unteren Bereich der Wassersäule ist der gelöste Sauerstoff von 1980 bis 2017 um durchschnittlich 18,6 Prozent gesunken. Beim Oberflächenwasser waren es 5,5 Prozent. Beide Werte liegen deutlich über dem Durchschnittswert von zwei Prozent, um den der gelöste Sauerstoff in den Meeren seit 1960 zurückgegangen ist.
Warmes Wasser verhindert Aufnahme von Sauerstoff
An der Oberfläche machen sich vor allem die gestiegenen Lufttemperaturen und die erhöhte Sonneneinstrahlung bemerkbar: Während sich die Lufttemperatur an den Seen im Mittelwert (Median) um 0,3 Grad Celsius pro Jahrzehnt erhöhte, waren es im Wasser an der Seeoberfläche 0,39 Grad Celsius. Je wärmer das Wasser ist, desto weniger Sauerstoff kann es aufnehmen.
In 87 Seen registrierten die Wissenschaftler allerdings trotz der gestiegenen Temperatur eine Zunahme des gelösten Sauerstoffs an der Oberfläche. "Die Tatsache, dass wir in diesen Arten von Seen zunehmend gelösten Sauerstoff sehen, ist möglicherweise ein Indikator für eine weit verbreitete Zunahme von Algenblüten, von denen einige Giftstoffe produzieren und schädlich sind", erklärt Rose.
Er und seine Kollegen vermuten, dass insbesondere Cyanobakterien (Blaualgen) an der Sauerstoffproduktion beteiligt sind. Das Phänomen trat insbesondere dann auf, wenn im Spätsommer die Wassertemperatur an der Oberfläche 25 Grad Celsius oder mehr betrug. Für das übermäßige Algenwachstum sorgen vor allem Nährstoffe aus Düngern, die über das Grundwasser und Flüsse in die Seen gelangen.
Durchmischung der Wasserschichten nimmt ab
Die tieferen Wasserschichten profitieren jedoch auch in diesen Seen nicht vom vermehrten Sauerstoff an der Oberfläche: Die Forscher stellten eine verstärkte temperaturabhängige Schichtung des Wassers fest, sodass das sauerstoffreiche Wasser von oben nicht in die Tiefe gelangt.
"Durch die zunehmende Schichtung wird die Durchmischung oder Erneuerung des Sauerstoffs aus der Atmosphäre in die Tiefe schwieriger und seltener, und der gelöste Sauerstoff in der Tiefe nimmt infolgedessen ab", so Rose.
"Im Stechlinsee – früher einer der schönsten Klarwasserseen Nordostdeutschlands – dehnt sich die sauerstofffreie Zone an der tiefsten Stelle des Sees seit etwa zehn Jahren kontinuierlich aus und führt dazu, dass der See im Herbst ab einer Tiefe von 40 Metern keinen Lebensraum für Tiere wie die endemische Fontane-Maräne mehr bietet", erläutert Mitautor Hans-Peter Grossart vom IGB.
Weniger Sauerstoff bedeutet mehr Methan
Hinzu kommt: Abgestorbene Algen aus den oberen Gewässerschichten sinken zum Gewässerboden ab, wo sie unter Sauerstoffverbrauch abgebaut werden. Mit sinkendem Sauerstoffgehalt vermehren sich in den Seen zunehmend Bakterien, die Methan produzieren, ein starkes Treibhausgas. Der Klimawandel wird also weiter angefeuert.
"Binnengewässer werden in der aktuellen Klimadiskussion nach wie vor zu wenig berücksichtigt, obwohl Veränderungen dieser Ökosysteme weitreichende Konsequenzen für uns Menschen haben", sagt Grossart. Der Sauerstoffverlust bedrohe nicht nur Tiere, sondern auch wichtige Ökosystemfunktionen der Gewässer, etwa die Trinkwasserversorgung. (hub/dpa)
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