Ein mulmiges Gefühl auf dem dunklen Nachhauseweg – das kennen viele. Damit Sie in solchen Momenten nicht allein sind, wurde das Heimwegtelefon ins Leben gerufen. Wie es funktioniert und zu welcher App ein Telefonist des Vereins rät.

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Ich bin auf dem Nachhauseweg, es ist bereits dunkel und einige Meter hinter mir läuft eine andere Person in dieselbe Richtung. Vermutlich hat sie nur denselben Heimweg. Vermutlich ist meine Angst, dass sie böse Absichten haben könnte, völlig unbegründet – dennoch laufe ich schneller und werfe immer wieder einen Blick über die Schulter.

Einigen wird dieses Gefühl nicht fremd sein. Für solche Momente wurde das Heimwegtelefon ins Leben gerufen. Wie es funktioniert, was im Notfall passiert und welche App jeder auf dem Smartphone haben sollte, erklären wir hier.

Wie läuft ein Anruf beim Heimwegtelefon ab?

Zu Beginn ist wichtig zu sagen, dass jeder und jede anrufen darf, der sich unwohl fühlt. Ganz gleich, welchem Geschlecht der- oder diejenige angehört, ganz gleich, wie alt die Person ist und ganz gleich, wo man hingeht – es muss nicht immer der Weg nach Hause sein.

So erreichen Sie das Heimwegtelefon

  • Telefon: 030 12074182 (deutschlandweit). Es gelten die Telefongebühren Ihres Mobilfunkanbieters für einen Anruf in das deutsche Festnetz.
  • Erreichbarkeit: Sonntag - Donnerstag: 21 - 24 Uhr, Freitag und Samstag: 21 - 03 Uhr

Um das Heimwegtelefon zu nutzen, benötigen Sie weder eine App noch eine Registrierung. Dem Verein ist es wichtig, dass die Nutzung so niederschwellig wie möglich ist.

Wenn Sie die Nummer wählen, dauert es in der Regel nicht länger als eine Minute, bis Sie eine oder einen der ehrenamtlichen Telefonisten erreichen. Die werden Sie zunächst nach Ihrem Vornamen, Ihrem Standort und Ihrem Alter fragen. Das ist wichtig, sollte ein Notfall eintreten und der Telefonist einen Rettungsdienst für Sie kontaktieren muss, erklärt Daniel, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Heimwegtelefons, unserer Redaktion. Außerdem werden Sie gefragt, wohin Sie möchten beziehungsweise für welchen Zeitrahmen Sie begleitet werden möchten. "Manchmal ist es auch nur das Warten an der Haltestelle", berichtet Daniel, dessen Nachname wir zum Schutz seiner Privatsphäre nicht nennen.

All diese Informationen trägt der Telefonist dann in sein System ein, ruft Ihren Weg auf einer Karte auf und läuft dann virtuell mit Ihnen mit. Auf Ihrem Weg unterhalten Sie sich einfach miteinander, zwischendurch werden Sie immer mal wieder gefragt, wo Sie sich aktuell befinden. Sobald Sie angekommen sind oder sich wieder sicher fühlen, wird aufgelegt. "Es ist nicht zwangsläufig die Idee, möglichst den kompletten Weg jemanden dran zu haben. Unser Fokus liegt wirklich darauf, das eigene Sicherheitsgefühl wiederherzustellen und dabei eine Unterstützung zu sein", erzählt Daniel.

Wie Sie das Heimwegtelefon unterstützen können

  • Das Heimwegtelefon ist auf ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angewiesen. Der Verein lebt von Spenden, Kooperationen und Sponsoren.
  • Wenn Sie helfen möchten, erfahren Sie alle nötigen Informationen auf der Webseite.

Was passiert, wenn es tatsächlich zu einer Notsituation kommt?

Wenn Sie sich konkret bedroht fühlen, sollten Sie immer zuerst die 110 rufen oder einen Notruf über die nora-App absetzen. "Auch die Polizei ist glücklich, wenn sich eine Situation im Nachhinein als nicht so bedrohlich herausstellt, wie sie vielleicht in dem Moment wahrgenommen wurde", sagt Daniel.

Und dennoch: Wenn jemand an der gleichen Haltestelle wie man selbst aussteigt, den gleichen Weg einschlägt und es zusätzlich noch dunkel ist, kann man Angst bekommen. Wenn Sie in einem solchen Moment mit einem Telefonisten vom Heimwegtelefon sprechen, würde dieser zunächst versuchen, Informationen zu sammeln und zu schauen, wie ernst die Situation ist, erklärt Daniel. "Scheinen hier tatsächlich Anzeichen vorzuliegen, die darauf schließen lassen, dass hier wirklich gerade eine akute Gefahr besteht? Oder ist es eben einfach eine ganz alltägliche Situation und da hat einfach nur jemand einen ähnlichen Nachhauseweg und es fühlt sich nur gefährlich an."

Daniel sagt, dass das geschulte Team vom Heimwegtelefon Mittel und Wege hat, um genau diesen Unterschied gemeinsam mit der anrufenden Person herauszufinden: "Da sind natürlich die Klassiker: Ich wechsle vielleicht mal die Straßenseite. Oder ich versuche, einmal um den Block herumzulaufen, sodass ich wieder an der gleichen Stelle ankomme. Denn natürlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass jemand auch im Kreis läuft. Und das wären dann natürlich wirklich Anzeichen, wo man sagt, 'Okay, hier sollte man jetzt tätig werden'."

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All das könne man an sich auch allein machen – man kommt in Angstmomenten nur häufig nicht darauf. Zudem ist es sinnvoll, für den schlimmsten Fall einen Zeugen am Telefon zu haben und jemanden, der parallel den Notruf verständigen kann. Die Telefonisten bleiben so lange es geht in der Leitung und verständigen die Polizei und/oder den Rettungsdienst über die nora-App. Solche Situationen entstehen jedoch glücklicherweise "super, super selten", wie Daniel betont.

Was kann die nora-Notruf-App?

Daniel rät jedem dazu, die nora-Notruf-App auf dem Smartphone zu installieren und sich damit vertraut zu machen. Dabei handelt es sich um die offizielle Notruf-App der Bundesländer, mit der Sie Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst erreichen. Mithilfe der App können Sie einen stillen Alarm auslösen, Ihr Standort wird an die Leitstelle weitergegeben, mit der Sie dann auch in einen Chat treten.

Ein Anruf ist nicht nötig, was in vielen Situationen hilfreich sein kann. Beispielsweise, wenn Sie in der U-Bahn sitzen und auf eine bedrohliche Situation aufmerksam werden. "Heutzutage ist nichts unauffälliger, als wenn jemand auf das Smartphone guckt. Wir sollten alle Zivilcourage zeigen und zumindest das machen, was wir wirklich alle tun können: Nämlich alles versuchen, um Hilfe für jemand anderen zu organisieren. Wir müssen nicht den Helden spielen und irgendwo dazwischen gehen", sagt Daniel.

Jeder darf anrufen – auch ein 80-jähriger Mann

Ein unwohles Gefühl kann jeden beschleichen, in den unterschiedlichsten Altersklassen, in den unterschiedlichsten Situationen – unabhängig vom Geschlecht. Das zu betonen sei wichtig, sagt Daniel, denn "wir werden oft als ein Angebot wahrgenommen, das sich an Frauen richtet, auch wenn wir das nirgendwo von unserer Seite aus kommunizieren, sondern eher im Gegenteil".

Er berichtet von jungen Männern, die anrufen und sich unsicher sind, ob sie das überhaupt dürfen. Doch Gewalt im öffentlichen Raum kann jeden treffen, wie auch ein Blick in die polizeilichen Kriminalstatistiken verrät. "Vielleicht fühlt sich auch jemand vulnerabler, weil er im Rollstuhl sitzt oder weil er eine Sehbehinderung hat und sein Umfeld schlechter einschätzen kann. Vielleicht ist es auch jemand, der sich politisch in einem Ort engagiert und eine Drohung erhalten hat. Es gibt so viele Gründe, warum man sich in irgendeiner Situation nicht wohlfühlt", sagt Daniel. Und in all diesen Situationen können Sie beim Heimwegtelefon anrufen.

Verwendete Quellen

Hilfsangebote

  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.
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