Berlin (dpa/tmn) - Bühne. Rampenlicht. Applaus. Klingt nach Hollywood, ist allerdings die Jugendweihe. Jedes Jahr im Frühjahr gehen viele Jugendliche den symbolischen Schritt von der Jugend ins Erwachsenenalter.
Beim Festakt sind Familie und Freunde anwesend, alle haben sich schick gemacht - es gibt Reden, Gesang und schließlich Blumen und ein Geschenkbuch. "Die Jugendweihe ist die Alternative für nicht konfessionell gebundene Jugendliche", erklärt Konny G. Neumann, Präsident des Bundesverbands Jugendweihe Deutschland. Die Jugendweihe orientiert sich am Humanismus.
Das Fest ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden und hat eine freireligiöse und freidenkerische Tradition. Für die Jugendweihe interessierten sich Jugendliche aber erst in der Weimarer Republik in nennenswertem Maße. Die Nationalsozialisten verboten das Fest schließlich.
Viele verbinden die Jugendweihe heutzutage in erster Linie mit der DDR. "Die DDR-Führung hat das Fest missbraucht - das muss man sagen", betont Neumann. Nahezu alle 14- bis 15-Jährigen nahmen dort seit den 1950er Jahren an dem Festakt teil - eine politische Schulung ging voraus. Nach der Wiedervereinigung gingen daher die Teilnehmerzahlen zurück. Während 1991 noch rund 77 000 Jugendliche feierten, erlebte das Fest seinen Tiefpunkt Ende der 2000er mit etwa 25 000 Teilnehmern. Danach stiegen die Zahlen wieder an, 2014 waren es rund 36 000 Jugendliche.
Heute wird die Jugendweihe vornehmlich immer noch in den neuen Bundesländern gefeiert. "Ja, wir sind dort einfach noch präsenter", sagt Neumann. Neben der Jugendweihe gibt es außerdem die Jugendfeier, die vom Humanistischen Verband Deutschland ausgerichtet wird. "Wir weihen die Jugendlichen nicht", sagt Daniel Pilgrim vom Verband. "Wem sollten wir sie auch weihen? Gott? Vaterland? Das passt nicht zu uns." 2015 nahmen gut 8000 Jugendliche an der Jugendfeier teil.
Doch ob Jugendweihe oder Jugendfeier - die Idee bleibt die gleiche. "Die Welt der Jugendlichen wird größer", beschreibt es Pilgrim. Sie lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen, bilden sich eine eigene Meinung. Beide Anbieter veranstalten vor dem eigentlichen Festakt Vorbereitungskurse. Sie sind meist freiwillig und finden je nach Bundesland alle ein bis zwei Wochen statt. In den Kursen geht es um aktuelle politische Themen, Toleranz, sexuelle Aufklärung oder Mobbing. Teilweise gibt es auch Ausflüge oder Sommercamps.
Für die Jugendfeier können Eltern ihr Kind jederzeit anmelden, ähnlich ist es bei der Jugendweihe. Teilweise gibt es bei den Mitgliedsverbänden Anmeldefristen. Meist können die Jugendlichen zwischen verschiedenen Terminen für den Festakt wählen. Die Teilnahmegebühr für den Festakt und die Vorbereitungskurse beträgt meist zwischen 80 und 120 Euro - teilweise sind die Gästekarten für die Familie im Preis inbegriffen. Sommercamps, Wochenendfahrten oder Sprachreisen kosten extra. In der Regel findet der Festakt im örtlichen Theater oder einer anderen schicken Räumlichkeit statt. Die Jugendlichen sollten zwischen 14 und 15 Jahren alt sein.
Doch brauchen wir so eine Feier überhaupt? "Was brauchen wir?", fragt der Kulturwissenschaftler Prof. Wolfgang Kaschuba. Jugendweihe sei eine Tradition. "Und wir pflegen ja ganz viele Traditionen. Warum sollte die Jugendweihe weniger wert sein als das Schützenfest?" Außerdem sei es ein Stück Festkultur. Während des offiziellen Festaktes ist die Familie beteiligt, am Abend wird in lockerer Runde mit Freunden weitergefeiert. "Es ist ein Ritual des Lebenslaufs", sagt Kaschuba.
Auch Neumann findet es wichtig, den symbolischen Übergang in die Erwachsenenwelt festlich zu begehen. "Man sollte grundsätzlich was machen - selbst wenn es Konfirmation ist." Denn einfach nur nebenbei zu leben, das sei nicht gut. "Man muss sich schon in dieser Gesellschaft zurechtfinden." Diese Orientierung soll die Jugendweihe bieten. In den Vorbereitungskursen könnten die Jugendliche viel offener über schwierige Themen wie etwa Drogen diskutieren. Anders als in der Schule müssten sie keine Konsequenzen fürchten.
Zum eigentlichen Festtakt gibt es dann ein schickes Kleid, Hochsteckfrisur, Anzug und Krawatte. Die Jugendlichen lassen Träumereien und Leichtsinn ein Stück weit hinter sich und übernehmen Verantwortung für ihr Handeln - der Ernst des Lebens beginnt. © dpa
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