"Deine Tochter ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten!" oder "Ganz der Opa!": Dass die so genannten Erbanlagen von den Eltern stammen, weiß jeder. Doch wie funktioniert das Ganze? Wenn ich blaue Augen habe und mein Partner braune – welche Augenfarbe hat dann unser Nachwuchs? Kann unser Kind meine Figur und seine Musikalität erben?

Mehr zum Thema Gesellschaft & Psychologie

Frau mit blauen Augen
Welche Eigenschaften kann ich meinem Kind weitergeben? © Archiv

Auch wenn die meisten Menschen schon einmal gehört haben, dass wir unser Aussehen den Genen zu verdanken haben, wissen doch viele nicht, was Gene überhaupt sind. Und wieso beeinflussen sie unser Aussehen, unser Temperament und zu einem gewissen Teil vielleicht auch unseren Charakter?

Warum haben wir zwei Ohren und eine Nase?

Der Bauplan unseres Körpers ist in unseren Zellen gespeichert – in einer Art Bindfaden, der bei der Zellkernteilung zu einem kleinen x zusammengewickelt ist. Dieser Bindfaden nennt sich DNA (Desoxyribonukleinsäure). Er besteht aus einem Strang von Molekülen, in deren Abfolge ein Code gespeichert ist, den nur unser Körper lesen kann. Entsprechend der entschlüsselten Botschaft reagiert und handelt er.

Fehler im genetischen Code sind verheerend: Unser Körper wird einfach, ähnlich einer fehlerhaften Bauanleitung, falsch zusammengesetzt. Organe können an einer falschen Stelle liegen oder sogar ganz fehlen, vielleicht ist aber auch unser Blut betroffen – mit oft tödlichen Folgen. Häufig werden derartige Fehler vererbt, man spricht hier von Erbkrankheiten.

Blaue Augen, graue – oder doch blaue?

Wieso und warum habe ich diese so genannte Erbsubstanz – und von wem? Welche Eigenschaften kann ich meinem Kind weitergeben?

Mutter mit Baby
Sieht ganz aus wie der Papa? © Archiv

Um sich das Ganze genauer vorstellen zu können, muss man wissen, dass in jedem unserer Zellkerne 46 der kleinen x-förmigen Gebilde schwimmen, die wir schon im ersten Teil unseres Artikels angetroffen haben. Sie heißen Chromosomen. Wir besitzen 23 Chromosomenpaare: Von jedem Chromosom haben wir eine Kopie von der Mutter und eine vom Vater geerbt. Auf jedem Chromosom gibt es tausende Abschnitte, die einen bestimmten Code tragen. Sie heißen Gene.

Jetzt wird es ein wenig komplizierter. War zum Beispiel unsere Oma dunkelhaarig und Opas Haare rot, hat unser Vater beide Erbanlagen in sich: Eine für dunkle und eine für rote Haare. Das Gen für dunkle Haare ist dominant, das bedeutet, es setzt sich durch und überdeckt das so genannte rezessive Gen - in diesem Fall das für roten Haare. Unser Vater ist also dunkelhaarig.

Er wiederum gibt uns eines dieser Gene weiter - das vom Opa oder von der Oma. Trägt auch unsere Mutter ein Gen für rote Haare in sich, dann kann es passieren, dass wir diese Anlage von beiden Elternteilen erben. Wir tragen dann zwei Kopien des "Rote-Haare-Gens" in uns. Das Ergebnis: Wir sind rothaarig, da wir kein "Dunkle-Haare-Gen" besitzen, das die rote Haarfarbe überdecken könnte.

Diesem Prinzip nach verhält es sich auch mit anderen körperlichen Eigenschaften wie zum Beispiel der Augenfarbe und dem Geschlecht. Für die meisten anderen Körpermerkmale ist allerdings nicht nur ein einziges, sondern das Zusammenspiel sehr vieler Gene verantwortlich.

Warum wir Männlein oder Weiblein sind

Es ist allgemein bekannt, dass Männer ein X- und ein Y-Chromosom und Frauen zwei X-Chromosomen besitzen. Unsere Mutter kann sie uns also nur ein X-Chromosom vererben. Unser Vater hat als Mann aber ein X- und ein Y-Chromosom. Je nachdem, welches dieser Chromosomen er an uns weitergibt, werden wir männlich oder weiblich – beziehungsweise sind es schon geworden.

Auch unsere Kinder werden so nach fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit weiblich oder männlich: Von der Mutter erhalten sie in jedem Fall ein X-Chromosom, vom Vater entweder ein X- oder Y-Chromosom. Biologisch gesehen bestimmt also der Vater das Geschlecht des Kindes.

Kann ich mein Baby maßschneidern lassen?

Seit einigen Jahren machen Berichte über so genannte "Designerbabys" Schlagzeilen: Die Kinder werden im Reagenzglas gezeugt, genetisch untersucht und der Mutter eingepflanzt. Brutal und verwerflich, möchte man meinen.

Dabei ist die ganze Geschichte etwas komplexer. 2003 wurde zum Beispiel ein "Designerbaby" in Großbritannien gezeugt. Da britische Gesetze eine derartige Selektion von Embryonen verbieten, ließen die Eltern das Verfahren in den USA durchführen – mit dem Ziel, ein Baby zu schaffen, dass dem todkranken Bruder mit seinem Nabelschnurblut helfen kann. Aus einem ähnlichen Grund erlaubten auch die schwedischen Behören im Mai 2007 die Zeugung eines "designten" Babys, das seinen kranken Bruder durch Stammzellen retten soll.

Beide Kinder wurden durch künstliche Befruchtung gezeugt: Im Reagenzglas wird eine Eizelle der Mutter befruchtet und dann in die Gebärmutter eingesetzt. Ein Verfahren wie bei jeder künstlichen Befruchtung – wenn da nicht die vorherige Auslese nach bestimmten genetischen Kriterien wäre. Sowohl im Falle des britischen als auch des schwedischen Designerbabys war es wichtig, dass die Embryonen eine bestimmte genetische Ausstattung haben, um ihren Brüdern helfen zu können. Erschaffen wird hier kein Klon oder "Super-Baby", sondern ganz einfach ein Kind, dass einen ähnlichen Gewebetyp wie das Geschwisterchen hat, damit dessen Körper die Stammzellen oder das Nabelschnurblut nicht abwehrt.

In den meisten Fällen, in denen Mediziner dieses Verfahren - die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) - anwenden, handelt es sich um Paare, bei denen einer der Partner Träger einer Erbkrankheit ist. Ein Beispiel: Chorea Huntington, auch Veitstanz genannt. Diese tödliche Krankheit bricht meist erst in der zweiten Lebenshälfte aus, doch dann verfällt sowohl der Körper als auch der Geist. Schuld daran ist nur ein einziges fehlerhaftes Gen, das dominant vererbt wird. Das bedeutet also: Entscheidet sich ein Betroffener doch für leibliche Kinder, werden diese mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit die Krankheit ebenfalls bekommen. Mit der PID können betroffene Paare sicher gehen, dass ihr Nachwuchs zu dem gesunden 50 Prozent gehört.

Eine derartige genetische Selektion ist in Deutschland verboten, in vielen Ländern der Welt aber nicht. Kirchenvertreter sprechen davon, dass Babys als "Ersatzteillager" missbraucht werden, Forscher und Mediziner von großartigen Möglichkeiten, Krankheiten zu heilen. Ein brisantes Thema - was ist denn nun richtig? Ist die Gentechnik Segen oder Sündenfall?

Leider gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort, diese Entscheidung muss jeder für sich treffen. Fakt ist, dass wir große Schritte Richtung "Designer-Baby" unternehmen – ob wir jemals unsere Kinder aus einem Katalog auswählen und schneidern lassen, ist aber fraglich.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.