Am Wochenende hielt die AfD im sächsischen Riesa ihren Bundesparteitag ab. Etwa 15.000 Menschen kamen zur Gegendemo. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und setzte auch Hunde und Pferde ein. Nun kursiert ein Video, in dem ein Polizist versucht, seinen Schutzhund dazu zu zwingen, einen Demonstranten zu beißen.
Rund 15.000 Menschen demonstrierten am Wochenende gegen den AfD-Bundesparteitag in Riesa. Die Polizei Sachsen muss sich nun Vorwürfen stellen, bei ihrem Großeinsatz Polizeigewalt eingesetzt und dabei einen Polizeihund gequält zu haben.
Die Szenen mit einem Polizeihund bei der Demo verbreiteten sich am Wochenende wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien. Zu sehen: Ein Polizist, der seinen Schutzhund an den Schultern hochreißt und an den Arm eines Demonstranten drückt, der gerade über eine Leitplanke klettert, um sich von den Polizisten zu entfernen.
Tierquälerei-Vorwurf gegen Polizei Sachsen
In der kurzen Sequenz verhält sich der Anti-AfD-Demonstrant ruhig und versucht, sich langsam von den Einsatzkräften zu entfernen. Was davor passiert ist, ist nicht bekannt. Der Beamte versucht dennoch mit Zwang, seinen Polizeihund dazu zu bringen, den Mann zu beißen. Der Hund verweigert den Biss, während er von seinem Hundeführer an die Leitplanke gestoßen wird.
Polizeihunde als Waffe bei Demo?
Die Bilder lösten Entsetzen aus. Tierrechtlerin Victoria Müller kritisiert: "Besonders erschütternd ist der gezielte Versuch, Hunde als Werkzeuge oder Waffen einzusetzen, um Menschen gezielt zu verletzen. Diese Praxis ist nicht nur ethisch völlig verwerflich, sondern wirft auch grundlegende Fragen über die Verantwortlichkeit und Professionalität der Einsatzkräfte auf."
Auch Hundetrainer
Polizeihund in Riesa offenbar nicht unter Kontrolle
Rütter betont die Ironie der Situation, da normalerweise ein derartiger Umgang mit Tieren die Polizei wegen Tierquälerei auf den Plan rufe. Außerdem weisen Rütter und Müller auf die Situation hin, die sich im Hintergrund abspielt: Ein anderer Polizeihund ist so überdreht, dass er seinen Hundeführer in den Ärmel beißt. Die Hunde könnten nicht unterscheiden, wer Freund und wer Feind sei, so der Hundeprofi. Dem Polizisten wirft er Versagen vor: "Wir sehen einen Menschen, der Nullkommanull in der Lage ist, den Hund zu händeln."
Weil inzwischen eine Anzeige vorliege, werde es ein Strafverfahren geben, sagte Polizeisprecher Thomas Geithner am Sonntag in Dresden gegenüber der "Tagesschau". Vor Abschluss des Verfahrens könne man keine Bewertung dazu abgeben.
Die Tierrechtsorganisation "Peta" sei nach eigenen Angaben gerade dabei, Strafanzeige gegen den betreffenden Polizisten aufgrund des Vorfalls zu stellen. Sie wollen, dass der Hundeführer in Zukunft nicht mehr mit Hunden arbeiten darf und dass die gesamte Hundestaffel überprüft wird. Auch sie fordern, den Einsatz von Polizeihunden als Waffe, zu verbieten.
"Einsatz von Schutzhunden und körperliche Gewalt gehören dazu"
"Die Bilder sehen im Zweifel robust aus, das gehört aber zum polizeilichen Portfolio dazu", zitiert eine bei "Zeit Online" veröffentlichte "dpa"-Meldung den Polizeisprecher Marko Laske. Der Einsatz körperlicher Gewalt gehöre zu den polizeilichen Maßnahmen, so Laske weiter. Die Polizei habe die Aufgabe, die Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und den Parteitag stattfinden zu lassen. Dazu gehöre auch der Einsatz von Schutzhunden, erklärte Laske in Bezug auf das Video.
Die Stimmung wird als aufgeheizt beschrieben. Es habe mehrere Auseinandersetzungen zwischen den Einsatzkräften und Demonstranten gegeben. Sechs Einsatzkräfte seien vor allem bei Rangeleien verletzt worden. Dabei hätten Demonstranten versucht, Absperrungen zu durchbrechen.
Martin Rütter gegen Einsatz von Schutzhunden
Generell spricht sich Rütter gegen den Einsatz von Schutzhunden aus – egal, ob als Diensthunde bei der Polizei oder im Privaten als Schutzhundesport. Denn immer wieder komme es vor, dass die Hunde nicht richtig abrufbar, sondern gefährlich seien – zum Beispiel, wenn sie wahllos und unvermittelt Unbeteiligte angreifen und in Dinge beißen, die dem Handschuh beim Training ähneln.
Tatsächlich gab es bereits mehrere derartiger Vorfälle, bei denen Diensthunde ohne Anweisung und Grund unschuldige Menschen angegriffen haben. So zum Beispiel am 30. September 2023, als eine 73-Jährige unvermittelt von einem nicht im Dienst befindlichen Polizeihund auf einem Parkplatz angegriffen und skalpiert wurde. Der angeklagte Polizist wurde der fahrlässigen Körperverletzung für schuldig befunden, verwarnt und zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt, berichtete "Ruhrkanal News". Der Frau musste er 2.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Im vergangenen Jahr biss ein Diensthund bei einer Privatfeier einen Säugling. Der Hund bestand Extra-Trainings sowie einen Wesenstest und durfte weiterhin als Polizeihund "arbeiten". Gegen die Ehefrau des Hundeführers, ebenfalls Polizistin, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Was ist ein Schutzhund?
Schutzhunde sind speziell ausgebildete Diensthunde der Polizei. Sie werden ausgebildet, um Täter im Ernstfall zu stellen und auch anzugreifen (Zivilschärfe). Dabei bekommen sie von ihrem Hundeführer den Befehl, einen angreifenden oder flüchtigen Täter oder Verdächtigen zu beißen, und auch auf Kommando sofort wieder loszulassen. Sie werden zum Beispiel bei Großveranstaltungen wie Demonstrationen und Fußballspielen eingesetzt.
Tierschützende kritisieren, dass Schutzhunde als Waffen gegen den Menschen eingesetzt werden. Generell ist das erlaubt. Laut Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen gelten Diensthunde als "Hilfsmittel der körperlichen Gewalt" und stehen auf einer Stufe mit Wasserwerfern und Pfefferspray.
Vorwürfe der Polizeigewalt bei Demo gegen AfD-Parteitag
Bei der Demonstration soll zudem ein Polizist den Abgeordneten Nam Duy Nguyen (Die Linke) bewusstlos geschlagen haben, der am Rande der Demonstration als parlamentarischer Begleiter gestanden und sich gegenüber den Beamten als solcher ausgewiesen habe. Die Polizeidirektion Dresden habe die Verletzungen der beiden Geschädigten aufgenommen, schreibt die Polizei Sachsen in einer Stellungnahme. Die Polizei nahm die Anzeige auf und ermittelt.
Der Polizeipräsident Lutz Rosig entschuldigt sich: "Es tut uns sehr leid, dass ein Abgeordneter und sein Begleiter im Zuge des Polizeieinsatzes zu Schaden kamen. Dies war mit Sicherheit nicht die Intention unseres polizeilichen Handelns. Ich habe veranlasst, dass der Sachverhalt mit höchster Priorität aufgearbeitet wird." © Deine Tierwelt
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