Kurz nach seiner Geburt schien es, als hätte der Hannoveraner-Hengst keine Chance. Der Grund: Er hat das Wry-Nose-Syndrom. Doch Clippy Naseweis, wie er liebevoll genannt wird, ist ein Kämpfer. Und er hat sehr viel Glück. Denn die Pferdeklappe wurde auf sein Schicksal aufmerksam – und machte das scheinbar Unmögliche möglich. pferde.de sprach mit Petra Teegen über ein kleines Wunder auf vier Hufen – und warum Clippy jetzt sogar Teil einer wissenschaftlichen Studie ist…
Als der Anruf kam, zerriss er Petra Teegens Herz: "Eine Frau wollte uns ihren sechs Monate alten Hengst verkaufen. Ich hätte ihn sehr gerne übernommen, aber dafür hätte sie ihn an uns abtreten müssen. Denn wir können grundsätzlich keine Pferde kaufen."
Warum die Besitzerin das Fohlen nicht wollte: "Er hat das Wry-Nose-Syndrom." Und das bedeutet: Seine Nase ist schief. Genauer: der Oberkiefer zwischen Schneide- und Backenzähnen ist um bis zu 90 Grad verbogen. Betroffene Fohlen haben schlechtere Überlebenschancen, weil sie durch die "schiefe Nase" oft nur schwer Stutenmilch saugen können und später nicht grasen können. Dazu kommen Atemprobleme.
Wry-Nose-Syndrom: Früher oft ein Todesurteil
Früher war das Wry-Nose-Syndrom oft ein Todesurteil, heute weiß man: Betroffene Fohlen können gerettet werden. Doch das ist sehr teuer – und dauert. Und natürlich bleibt, wie bei jedem Eingriff, ein Restrisiko. Ob die Besitzerin des Fohlens dies nicht eingehen wollte? Unklar. "Sie sagte mir nur: Wenn ich ihn nicht nehme, dann kommt er zum Schlachter."
Doch der Hengst hatte Glück: "Kurz danach rief mich eine andere Frau an und fragte, ob ich schon von dem Fohlen mit dem Wry-Nose-Syndrom gehört hätte. Und sie wollte nur wissen: Würdet Ihr ihn übernehmen?" Petra Teegen sagte ja. "Sie fuhren dann zu dritt zur Besitzerin und konnten ihr den Kleinen abkaufen." Anschließend gaben sie ihn an die Pferdeklappe ab. Und damit war der kleine Hengst ein Klappenfohlen. Und bekam seinen Namen: Clippy Naseweis…
Clippy musste erst das Fohlen-ABC lernen
"Er sollte so schnell wie möglich in die Klinik", so Petra Teegen. Doch da gab es ein Problem: "Er war noch total wild, kannte nicht einmal das Fohlen-ABC. So konnten wir ihn nicht auch in die Klinik bringen." Ein paar Telefonate später stand fest: "Svenja nahm ihn auf. Bei ihr lernte er in nur drei Wochen das Allerwichtigste, was er kennen muss, damit er behandelt werden kann."
Während Clippy zur Fohlenschule ging, telefonierte Petra Teegen weiter. "Wir mussten eine Klinik finden, die diese OP durchführen würde." Und tatsächlich: Die Hanseklinik für Pferde in Sittensen war bereit, Clippy aufzunehmen. "Sie hatten bereits Erfahrung mit diesen OPs. Da fiel mir ein Riesenstein vom Herzen", so Teegen. Doch es blieben die Kosten für die Operation. "Die konnten wir nicht alleine stemmen. Also habe ich Clippys Geschichte gepostet. Und es war wirklich unglaublich: Aus ganz Deutschland haben Menschen für ihn gespendet…"
Ein CT zeigt, wie verdreht seine Nase war
Und so ging es Anfang Januar für Clippy in die Klinik. Dort wurde dann erst einmal eine Computertomographie (CT) von seinem Kopf gemacht. "Da hat man dann deutlich gesehen, wie verschoben und verdreht sein kleiner Kopf war", so Teegen. Und sie erfuhr auch, welche OP nötig sein würde. "Wenn ich es richtig verstanden habe, dann waren Schleimhäute, Nerven und Arterien linksseitig verklebt, das musste alles gelöst werden. Auch die kleine Nase wurde in Form gebracht und mit Platten und Schrauben gehalten."
Während der Operation wurde Clippy über einen Luftröhrenschnitt beatmet, denn sein Maul und die Atemwege im Kopf mussten frei sein. Doch auch eine schwere Entscheidung musste Petra Teegen treffen: "Besprochen wurde auch: Sollte es für den kleinen Mann keine schonende Lösung, sprich kein schmerzfreies oder kein Leben mit genügend Atemmöglichkeiten trotz OP geben, dann darf er über die Regenbogenbrücke galoppieren. Das kann man erst während der OP sehen."
Jetzt ist Clippy ein Fall für die Forschung
Doch daran wollte sie nicht denken. Und tatsächlich: Der Eingriff gelang. Währenddessen kümmerte sich ein elfköpfiges Team um Doktor Brandenberger und die Chirurgin Doktor Noguera um Clippy. Dann endlich die erlösende Nachricht: Clippy überstand den Eingriff gut, stand ohne Probleme aus der Narkose auf. "Seitdem ging es jeden Tag ein Stückchen weiter vorwärts." Sein starker Lebenswille hat es möglich gemacht, dass Clippy schnell wieder auf seinen Beinen stand. Und ein paar Tage später kam die gute Nachricht: "Er hat da sogar ein paar Grashalme geknabbert!"
Mittlerweile geht es dem kleinen Hengst richtig gut. "Er ist auch schon ein gutes Stück gewachsen", freut sich Teegen. Und Clippy Naseweis wird auch für die Forschung tätig sein. Denn: Weil seine Geschichte viral ging, wurde auch Marco Petzsch, Doktorand der Georg-August-Universität Göttingen, Abteilung Functional Breeding, auf Clippys Schicksal aufmerksam.
Über den Hannoveraner Verband kam dann eine Anfrage. "An der Universität wollen sie genetische Studien zu dieser seltenen Erkrankung durchführen, um einen möglichen genetischen Hintergrund zu erforschen", so Teegen. "Und da diese Erkrankung sehr selten ist, gibt es nur wenig Erkenntnisse und Proben zu dieser Erkrankung."
Berühmt? Clippy will lieber kuscheln…
"Natürlich haben wir Fellproben von Clippy hingeschickt", so Teegen. Und auch andere betroffene Pferdebesitzer können helfen und so zur Aufklärung dieses Phänomens beitragen. Wer ein Pferd mit Wry-Nose-Syndrom hat, kann sich per Mail bei Marco Petzsch melden. Teegen: "Er beantwortet umgehend weitere Fragen zur Probensammlung."

Dass Clippy Naseweis jetzt berühmt wird – das interessiert den Kleinen übrigens überhaupt nicht. "Für ihn sind seine Kuscheleinheiten viel wichtiger", sagt Teegen lachend. "Mittlerweile kann er sehr gut atmen und wird immer kräftiger." Wenn alles so gut weiter geht, wird er in einigen Wochen die Klinik verlassen können. "Dann kommt er zu uns. Und wird ein ganz normales Pferdeleben führen können!" © Pferde.de