Astronomen und weltraumbegeisterte Laien fiebern dem Vorbeiflug des "Jahrhundertkometen" Ison entgegen. Ende November soll er so hell wie der Vollmond am Himmel glänzen. Mitten in die Euphorie um das nahende Himmelsspektakel sät ein Experte nun Zweifel. Er hält Komet Ison für einen Spielverderber. Der Schweifstern werde mit hoher Wahrscheinlichkeit zerfallen, der fulminante Auftritt somit ausbleiben.
Erst seit 2. September 2012 ist bekannt, dass es den Kometen Ison überhaupt gibt. Zu dem Zeitpunkt entdeckten ihn zwei russische Astronomen. Bald erkannte man, dass Ison (C/2012 S1) ein besonders heller Komet an unserem Nachthimmel werden könnte. Berechnungen ergaben, dass er um den 28. November 2013 in etwa 1,2 Millionen Kilometern Abstand an unserem Zentralgestirn vorbeisausen wird. Das ist viel näher, als die meisten Kometen der Sonne kommen. Das zusammen mit dem Fakt, dass der Himmelskörper schon früh ungewöhnlich aktiv und dadurch hell war, lässt viele auf eine effektvolle Show des Schweifsterns hoffen.
Ignacio Ferrin, Wissenschaftler an der Universität von Antioquia in Kolumbien, ist dagegen skeptisch. "Der Komet Ison verhält sich seltsam", sagt Ferrin. Ein "normaler" Komet würde während der Annäherung an die Sonne immer heller scheinen. Seit 13. Januar 2013 habe sich die Helligkeit des Himmelskörpers aber 132 Tage lang nicht verändert. Erklärungen hierfür könnten sein: Der Komet hat einen Mangel an Wasser oder eine Schicht Steine verhindert, dass sich gefrorene Gase und Staub lösen. Ferrin jedenfalls sieht in all dem Vorboten eines Auseinanderbrechens.
Wie kommt er zu dieser Behauptung? Der Astronom vergleicht Ison mit dem 2002 entdeckten Kometen Hönig (C/2002 O4). Dieser strahlte für 52 Tage mit der gleichen Helligkeit wie jetzt Ison - und verschwand daraufhin. Er zerfiel in so viele kleine Brocken, dass es nicht mehr möglich war, diese Überreste auszumachen. Da Ison sich bereits mehr als doppelt so lang verhalten hat wie Hönig, sei dasselbe Schicksal sehr wahrscheinlich, folgert der Kometenforscher.
Ison hat's nicht leicht
Und auch falls das nicht eintreten sollte, habe Ison noch eine Menge anderer Schwierigkeiten zu überstehen. Denn sobald er in die Nähe der Sonne gerät, muss der Komet, der so etwas wie ein "schmutziger Schneeball" ist, Temperaturen von um die 2.700 Grad Celsius aushalten. Bei dieser Höllenhitze sind beispielsweise Eisen und Blei schon lange geschmolzen. Außerdem kann die bloße Nähe zur Sonne im Kometen Spannungen und Verformungen auslösen, die ihn bersten lassen.
Wie es dem Kometen seit dem oben beschriebenen Zeitraum gleichbleibender Helligkeit ergangen ist, kann niemand sagen. Denn seither überstrahlt das stechende Licht der Sonne den Schweifstern, sodass man ihn vorerst nicht mehr beobachten kann. Vor dem erhofften großen Auftritt werden Astronomen ihn nur noch während eines Zeitfensters vom 7. Oktober bis 4. November sehen können. Dann befindet sich Ison in einem günstigen Neigungswinkel zur Sonne.
Trotz der negativen Prognose ist also noch alles offen. Während Pessimisten wie Ferrin schwarz malen, können Optimisten nach wie vor auf eine spektakuläre Kometensichtung hoffen.
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