Der Sänger Daniel Küblböck ist am Sonntag während einer Kreuzfahrt über Bord gegangen und wird seitdem vermisst. Die Suche wurde mittlerweile abgebrochen. Aber wie läuft eine solche Aktion eigentlich ab? Und wie verhalte ich mich, wenn ich selbst über Bord gehe?

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Daniel Küblböck wird weiter auf hoher See vermisst, nachdem er auf einem Kreuzfahrtschiff von Bord gegangen war. Nach über 20 Stunden wurde die Suche nach dem deutschen Sänger eingestellt. Die Hoffnung ihn noch lebend in dem zehn Grad kalten Wasser zu finden, ist kaum noch vorhanden.

Aber was hat die Seenotrettung eigentlich unternommen, um Küblböck zu finden? Christian Stipeldey, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in Bremen (DGzRS), weiß wie die Suche nach Schiffbrüchigen abläuft und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Herr Stipeldey, wie läuft die Suche nach Schiffbrüchigen ab?

Seenotrettung
Christian Stipeldey, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger. © DGzRS / Christian Stipeldey

Christian Stipeldey: Das Wichtigste ist, den sogenannten Suchgebietsmittelpunkt zu bestimmen. Wir müssen also herauszufinden, was der wahrscheinlichste Aufenthaltsort eines Menschen zum jetzigen Zeitpunkt ist.

In der Regel versuchen wir aufzuklären, wann und wo jemand über Bord gegangen ist. Möglicherweise ist zwischen dem Unfall und dem Moment, in dem es jemand an Bord merkt, schon eine längere Zeit vergangen. Dann fällt es entsprechend schwerer, das erste Suchgebiet überhaupt zu berechnen. Das Schiff hat sich in der Zwischenzeit bereits sehr weit fortbewegt.

Eine Herausforderung ist auch, ein großes Schiff zum Stehen zu bringen. Bei einem Schiff dieser Größe [Küblböck befand sich zum Zeitpunkt seines Verschwindens an Bord eines Kreuzfahrtschiffes von Aida Cruises; Anm.d.Red.] kann das mehrere Kilometer dauern. Dann muss es umdrehen und mit technischer Hilfe zu dem Punkt zurücklaufen. Dort beginnt die Suche.

Diese ist von vielen Faktoren abhängig: Von Wind, Wetter und den Seeverhältnissen, dazu zählen der Seegang und die Sicht.

Was kann ich tun, wenn ich sehe, dass ein Passagier über Bord geht?

Sie können vielleicht zu Rettungsmitteln greifen, die auf Schiffen mitgeführt werden. Eine Rettungsinsel werden Sie als Laie so schnell nicht aus ihrer Verankerung und Halterung lösen können. Da werden Sie immer die Hilfe des Personals an Bord benötigen.

Als nächstes kommt es darauf an, dass die Schiffsführung informiert wird und das Schiff einen Notruf absetzt. Das kann ein bisschen dauern. Entweder man muss selbst zur Brücke laufen oder es muss jemand aus der Besatzung gefunden werden, der den Kapitän verständigen kann.

Und wie geht es dann weiter?

Eine Seenotleitung an Land, das sogenannte Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC), wird diesen Notruf auffangen und die gesamte Schifffahrt im Revier alarmieren. Sie sorgt auch dafür, dass möglichst alle Schiffe im entsprechenden Seegebiet, die es vielleicht nicht mitbekommen haben, mithören und aufmerksam werden.

Dann müssen die sich anbietenden Schiffe und hoffentlich auch die Luftfahrt koordiniert werden. Prinzipiell kommt jedes Schiff und jedes Luftfahrzeug für die Hilfe infrage.

Auf See gelten die gleichen Regeln wie an Land. Jeder auf See weiß, dass er zur Hilfeleistung in Not verpflichtet ist. Ich muss zumindest vor Ort bleiben und kann die Retter, die sich in der Regel vom Festland aus aufmachen, unterstützen, bis sie vor Ort übernehmen können. Solange ich mein eigenes Schiff und meine Besatzung nicht gefährde, muss ich helfen.

Wie läuft eine Rettung ab?

Man braucht spezielle Vorrichtungen, um Menschen unmittelbar aus dem Wasser bergen zu können. Bergen bedeutet hier, den Menschen in Sicherheit bringen. Unsere eigenen Rettungseinheiten verfügen über eine sogenannte Bergungspforte. Das ist eine Tür auf Höhe der Wasserlinie in der Bordwand.

Man kann Schiffbrüchige auch in ein Netz einrollen und über eine Bordwand nach oben ziehen. Wichtig ist immer, dass eine Rettung waagerecht erfolgt, denn man weiß nie, wie lange ein Gefundener vor der Rettung schon im Wasser gelegen hat. Plötzliches Wideraufrichten Unterkühlter kann zum Tode führen.

Was muss ich beachten, wenn ich selbst über Bord gehe?

Ruhe bewahren! Das ist in dieser Situation besonders wichtig. Das Schlimmste, was Sie machen könnten, sind hektische Schwimmbewegungen. Man sollte möglichst wenig schwimmen und die Kleidung anbehalten.

Wenn man vorher weiß, dass man das Schiff verlassen muss, sollte man so viele Kleidungsstücke wie möglich anziehen. Die Luftschichten zwischen den einzelnen Kleidungsschichten sorgen dafür, dass die Unterkühlung langsamer voranschreitet.

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) ist für den maritimen Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee verantwortlich. Rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote auf 54 Stationen zwischen Borkum im Westen und Usedom im Osten sind einsatzbereit - rund um die Uhr, bei jedem Wetter. Jahr für Jahr fahren die Seenotretter mehr als 2.000 Einsätze.
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