Schon Kurt Tucholsky fragte "Wo kommen die Löcher im Käse her?" und brach so mit spitzer Feder einen unterhaltsamen Streit vom Zaun. Um jeden Zwist mit Familie oder Freunden über Käseherstellung zu vermeiden, gehen wir heute in unserer Serie "Nachgefragt" dem Problem der Lochentstehung auf den Grund.

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Weitverzweigte Familie

Weltweit gibt es ungefähr 5.000 Käsesorten, die sich zum Teil wesentlich in Geschmack, Herkunft und Art der Herstellung unterscheiden. Grundlage aller Käse ist die Milch. Meist stammt sie von Kühen, sie kann aber auch von Schafen und Ziegen oder anderen Tieren kommen. So verschieden wie Geschmack und Herkunft der Käse sind auch das Aussehen der Käselaibe und die Formen der Löcher im Käse: Es gibt kleine und große, runde und geschlitzte - und sie entstehen auch nicht alle auf dieselbe Art.

Käse-Herstellung

Typische "Lochkäse" sind Emmentaler und Gouda. Zu Beginn ihrer Herstellung wird zur Milch eine Mischung aus Enzymen, das sogenannte Lab, und speziell gezüchtete Bakterien gegeben. Beide sorgen dafür, dass sich allmählich ein festerer Teil von der flüssigen Molke trennt. Aus dem Käsebruch entstehen dann die verschiedenen Käsesorten mit den typischen Löcher. Die Molke wird zuerst abgesiebt und später herausgepresst. Sie ist Grundlage anderer Käse wie Ricotta, Ziger oder Braunkäse.

Art und Länge der Reifung entscheiden über die Sorte, die letztlich aus dem Käsebruch hergestellt wird. Während dieser Zeit arbeiten Lab-Enzyme und Bakterien an den Milch-Bestandteilen.

Mikrobiologe Dr. Johannes Sikorski vom Braunschweiger Leibnitz-Institut DZSM (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH) erklärt die Funktionsweise der Lab-Enzyme am Beispiel der Emmentaler-Herstellung: "Es (das Lab) stürzt sich auf die nahrhaften Eiweiße in der Milch und macht sie klein. So wird die Milch angedickt und in eine festere Käsemasse umgewandelt." Wenn danach die speziellen Milchsäurebakterien hinzugegeben werden, können diese den Milchzucker bei der Gärung in eine andere Säure, die sogenannte Propionsäure, umwandeln. Die stäbchenförmigen Bakterien setzen sich an die Fetttröpfchen der Milch und saugen sie gewissermaßen aus. Bei diesem Vorgang entstehen Gase, genauer Kohlensäurebläschen, die durch die feste Käserinde nicht nach außen entweichen können. Unzählige der winzigen Gasbläschen sammeln sich in Hohlräumen im Inneren und bilden damit die zukünftigen Löcher.

Kleine oder große Löcher

Mit welcher Lochgröße der fertige Käse beim Aufschneiden überrascht, wie viele Löcher sich bilden und welche Form sie haben, ergibt sich aus der Art der zugesetzten Bakterien und ihrer Anzahl. Die Lochbildung erfolgt also nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern ist von den Käseproduzenten in etwa vorhersehbar.

Die Länge der Reifung und die Temperatur bei diesem Prozess spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Weil Gase die Eigenschaft haben, sich bei Wärme auszudehnen, bilden sich in einer warmen Umgebung größere Löcher. So reift Emmentaler in Kellern bei 23 Grad Celsius und Maasdamer bei 20 Grad Celsius. Im Unterschied dazu wird Gouda bei lediglich 13 Grad Celsius gelagert. Bei seiner Herstellung werden Bakterien verwendet, die deutlich weniger Gase produzieren. Daher hat auch lange gereifter Gouda viel weniger und kleinere Löcher.

Grundlegend für den Geschmack und das Erscheinungsbild des fertigen Käses sind außerdem immer die verwendete Milch sowie der jeweilige Zusatz von Salz und Gewürzen.

Probleme mit den Löchern

In den vergangenen Jahren beobachteten die Käsereien, dass sich Zahl und Größe der Löcher rückläufig entwickeln. Bei einem Emmentaler sind etwa 50 kirschgroße Löcher an der Schnittfläche eines Laibs üblich. Entspricht eine Käsesorte nicht mehr dem Bild, das der Käufer mit ihr verbindet, entscheidet er sich wahrscheinlich gegen den Kauf.

Als Ursache für das Phänomen ermittelte ein Team der Schweizer Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux den zu hohen Reinheitsgrad der verwendeten Milch. Immer bessere Hygienebedingungen in den Ställen und immer feinere Filtersysteme hatten dazu geführt, dass die Milch keine Fremdkörper mehr enthielt. Dieser Staub war jedoch - in sehr geringen Mengen - notwendig, um die Lochbildung wie gewohnt in Gang zu setzen. Im Produktionsprozess wird daher inzwischen in vielen Käsereien ein natürlicher Stoff zugesetzt, der die Staubpartikel zu ersetzen vermag.

Löcher, die man hören kann

Erfahrene Käseproduzenten erkennen die Lochbildung und damit den Reifegrad des Käselaibs am Klang. Nach einem Salzbad von mehreren Stunden erhält der Laib eine feste Rinde. Klopft man gegen das große Käserad, gibt der entstehende Ton Auskunft über die Löcher im Käse. Klingt es eher dumpf, handelt es sich um einen jungen Käse, klingt es dagegen hohl, ist der Lochkäse ausgereift.

Handgemachte Löchlein

Ganz anders geht die Entstehung der Löchlein im herzhaften Tilsiter-Käse vonstatten. Hier ist nicht der Bakterienstamm entscheidend, sondern die Art der Herstellung. Die Löcher entstehen schon vor der Reifung. Anders als Emmentaler wird Tilsiter nicht von einer Maschine gepresst, sondern von Hand in die Formen gegeben. Die Schichten sind dadurch lockerer eingefüllt. So bilden sich die kleinen Hohlräume.

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