Nervenzellen haben hohe Stoffwechselraten - und die bedeuten Abfall. Wie der aus dem Gehirn entfernt wird, haben Forscher untersucht und festgestellt, dass unser Hirn nachts quasi zur Spülmaschine wird.
Was könnten wir alles schaffen, würden wir nicht täglich so viele Stunden mit Schlaf verplempern? Auf Dauer tatsächlich nicht viel - denn ohne Schlummer würde das Hirn zunehmend vergiftet. Durch koordinierte Aktionen von Nervenzellen werde das Gehirn im Schlaf regelrecht durchgespült, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Nature". Wie eine Art synchronisierte Minipumpen erzeugen sie demnach rhythmische Wellen, die Flüssigkeit durch das dichte Hirngewebe treiben und Ablagerungen mitreißen.
Während wir schlafen, macht unser Gehirn Großputz
Schlaf verbinden viele Menschen mit Ruhe. Das gilt allerdings nicht für unser Gehirn. Das ist während dieser Stunden sehr geschäftig, wie das Team um Jonathan Kipnis von der Washington University in St. Louis erläutert. Hintergrund ist, dass Gehirnzellen energieaufwendige Aufgaben haben: Sie steuern Gedanken, Gefühle sowie Körperbewegungen und bilden dynamische Netzwerke, die für die Gedächtnisbildung und das Lösen von Problemen unerlässlich sind. Bei der Aufnahme von Nährstoffen dafür entsteht eine Fülle von Stoffwechselabfällen.
Gehirne höherer Organismen enthalten Milliarden Neuronen mit hohen Stoffwechselraten in komplexen Netzwerken. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das Gehirn Stoffwechselabfälle entsorgt, die sich ansammeln und zu neurodegenerativen Erkrankungen beitragen können", erklärte Kipnis. Es sei bekannt gewesen, dass der Schlaf eine Zeit der Reinigung von Toxinen und anderen Abfallstoffen ist, die sich im Wachzustand angesammelt haben. "Aber wir wussten nicht, wie das geschieht."
Im Körper wird sogenannte Lymphe mit Abfallstoffen über das Lymphgefäßsystem transportiert, das sich fein verästelt durch den Körper zieht. Das Gehirn allerdings ist vom übrigen Körper durch die Blut-Hirn-Schranke abgeschirmt, der Grenze zwischen Blutstrom und Zentralnervensystem. Durch spezielle Zellen, die an der Gefäßwand außen anliegen, können nur bestimmte Stoffe ins Gehirn übertreten. Dadurch wird das Hirn vor schädlichen Stoffen und Krankheitserregern geschützt.
Das Gehirn hat wohl eine Art Abwassersystem - Tests mit Mäusen
Doch auch im Gehirn gibt es wohl ein "Abwassersystem", wie erst vor wenigen Jahren entdeckt wurde. Ähnlich dem lymphatischen System ist es demnach ein fließendes Durchlaufsystem, die Transportflüssigkeit wird am Ende in das lymphatische System abgegeben.
Bei der Untersuchung narkotisierter und schlafender Mäuse fanden die Forschenden nun heraus, dass es eine koordinierte Aktivität von Neuronen ist, die die Bewegung der Liquorflüssigkeit durch das dichte Hirngewebe antreibt. Die Zellen erzeugen elektrische Impulse, die sich zu rhythmischen Wellen verdichten. Die mit Abfallstoffen angereicherte Flüssigkeit fließt dann in die Lymphgefäße in der Dura mater ab - der äußeren Gewebeschicht, die das Gehirn unter dem Schädel umhüllt.
Die Forschenden erfassten auch, dass sich die Gehirnwellenmuster während der Schlafzyklen ändern. "Wir denken, dass der Reinigungsprozess des Gehirns dem Geschirrspülen ähnelt", erklärte Erstautor Li-Feng Jiang-Xie von der Washington University zur vermuteten Ursache. Mit großen, langsamen Impulsen werden demnach womöglich zunächst leicht lösliche Stoffe entfernt, mit kleinen, schnelleren Impulsen hartnäckigere Ablagerungen - ähnlich, wie man besonders klebrige Speisereste auf einem Teller wegschrubbt. "Vielleicht passt das Gehirn seine Reinigungsmethode je nach Art und Menge der Abfälle an", vermutet Jiang-Xie.
Schaltete das Team bei den Mäusen bestimmte Hirnregionen ab, erzeugten die Neuronen in diesen Regionen keine rhythmischen Wellen mehr und es konnte keine frische Liquorflüssigkeit hindurchfließen, dort vorhandene Abfallstoffe wurden nicht entfernt.
Forschungserkenntnisse könnten Hinweise auf Alzheimer-Therapien geben
Die gewonnenen Erkenntnisse könnten Hinweise auf potenzielle Therapien gegen neurologische Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson geben, hoffen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Möglicherweise lasse sich der Abtransport bestimmter schädlicher Abfälle gezielt beschleunigen - mit dem Ziel, sie zu beseitigen, bevor sie zu schlimmen Folgen führen. (Annett Stein, dpa/sbi)
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