- Im menschlichen Mund leben Hunderte Bakterienarten.
- Eine davon erinnert an Raupen: die sogenannten Neisseriaceae.
- Diese Organismen hat ein Forschungsteam unter die Lupe genommen und herausgefunden, wie die raupenähnliche Form entsteht – und wieso sie hilfreich ist.
Er ist warm und feucht und damit ein angenehmer Lebensraum für mikroskopische Bakterien: der Mund. Mehr als 700 Bakterienarten leben in unseren Mündern, die Neisseriaceae sind eine davon. Sie sehen aus wie winzige Raupen: Stabförmige Bakterienarten, die in der Regel länglich sind und sich aneinanderheften. Diese Art, die zur Familie der Mikroben zählt, kommt in etwa jedem zweiten Menschen vor.
Ein Forschungsteam unter der Leitung der Umwelt-Zellbiologin Silvia Bulgheresi von der Universität Wien und des Mikrobengenetikers Frédéric Veyrier vom Institut national de la recherche scientifique (INRS) hat neue Erkenntnisse zu den kleinen Organismen gefunden. Die Forschungsarbeit publizierte das Team in "Nature Communications".
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Raupenform hilft Bakterien, sich im Mund festzuhalten
Um herauszufinden, wie die Mundbakterien wachsen und sich teilen, nahmen die Forscherinnen und Forscher die Neisseriaceae genauer unter die Lupe. Für die Studie setzte das Team Elektronenmikroskopie ein, um die Zellform in der gesamten Familie der Neisseriaceae zu untersuchen. Dazu zählen nicht nur die raupenartigen Fäden, sondern auch die Standardzellformen Stäbchen und Kokken.
Die Bakterien haben wohl eine Raupenform entwickelt, um sich an ihren Lebensraum – den Mund – anzupassen. Denn vollkommen ideal ist der Mund nicht für Mikroben geeignet. "Die Epithelzellen, die die innere Oberfläche der Mundhöhle auskleiden, werden ständig abgestoßen, und zusammen mit dem Speichelfluss kämpfen die Organismen, die sich auf dieser Oberfläche ansiedeln, daher um Halt", heißt es in einer Pressemeldung der Universität Wien.
Daraufhin haben die Neisseriaceae sich wohl weiterentwickelt. Durch die raupenähnliche Form können sie sich besser festhalten.
Neisseriaceae entwickelten besondere Art der Zellteilung und Zusammenarbeit
Die Studienautoren fanden heraus, dass die Organismen sich aus stäbchenförmigen Vorfahren entwickelt haben. Deren Zellteilung verläuft für gewöhnlich queer, dann lösen sie sich voneinander ab. Einige kommensale Neisseriaceae jedoch heften sich mit ihren Spitzen an das Substrat und teilen sich in Längsrichtung, also entlang ihrer langen Achse. Nach Abschluss der Zellteilung bleiben sie aneinanderhängen und bilden eben jene raupenartigen Fäden.
Einige der Zellen davon bilden unterschiedliche Formen. Die Forschenden nehmen an, dass diese dadurch bestimmte Funktionen des gesamten Fadens erfüllen: "Die Multizellularität ermöglicht die Zusammenarbeit zwischen den Zellen, zum Beispiel in Form von Arbeitsteilung, und könnte daher den Bakterien helfen, Ernährungsstress zu überleben." Studienautor Frédéric Veyrier erklärt: "Wir vermuten, dass sich die Zellform im Laufe der Evolution durch eine Überarbeitung der Verlängerungs- und Teilungsprozesse verändert hat, vielleicht um in der Mundhöhle besser zu gedeihen."
Neisseriaceae könnten bei weiterer Forschung hilfreich sein
Silvia Bulgheresi von der Abteilung für funktionelle und evolutionäre Ökologie an der Universität Wien sagt: "Abgesehen davon, dass sie uns helfen zu verstehen, wie sich die Zellform entwickelt hat, könnten die multizellulären Neisseriaceae nützlich sein, um zu untersuchen, wie Bakterien gelernt haben, an der Oberfläche von Tieren zu leben, dem einzigen Ort, an dem sie bisher gefunden worden sind. Die Hälfte von uns trägt sie übrigens im Mund."
Und Sammy Nyongesa, Doktorand in Veyriers Team vom INRS, nimmt an, dass der evolutionäre Ansatz, wie er in der Studie für die Neisseriaceae verfolgt wird, "neue, unvorhergesehene Zielproteine ans Licht bringen" könne. Um die Bakterien genauer zu erforschen, seien jedoch genetische Hilfsmittel erforderlich, so die Forscherinnen und Forscher.
Verwendete Quellen:
- nature communications: "Evolution of longitudinal division in multicellular bacteria of the Neisseriaceae family" (22. August 2022)
- Medienportal der Universität Wien: "Caterpillar-like bacteria crawling in our mouth" (22. August 2022)
- sciencealert.de: "This Caterpillar-Like Organism May Be Crawling Around in Your Mouth Right Now" (23. August 2022)
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