Menschen können bekannte Gesichter gut erkennen, unbekannte hingegen nicht so gut. Bei einer Passkontrolle müssen Polizisten aber genau dies tun. Psychologen zeigen nun: Getarnte Betrüger könnten sich oft durchschmuggeln.
Ist die Person auf dem Foto auch der Mensch vor mir? Diese Frage müssen Polizisten an Passkontrollen am Tag unzählige Male für sich beantworten. Sie sind dabei besser als Laien - aber keineswegs fehlerfrei. Oft geht die Erkennung schief, wie Benedikt Wirth von der Uni des Saarlandes und Claus-Christian Carbon von der Uni Bamberg in einer Studie zeigen, die im "Journal of Experimental Psychology: Applied" erschienen ist.
Für ihre Untersuchung legten die Forscher fast 150 Teilnehmern kleine Passbildfotos und großformative Porträts vor, welche die gleichen oder ähnlich aussehende Menschen zeigten. Zum Teil waren Gesichtsmerkmale wie Brillen, Muttermale oder Frisur verändert worden. An dem Experiment nahmen drei Gruppen teil: 48 Bundespolizisten mit langjähriger Berufserfahrung, 48 Polizisten mit weniger Erfahrung und 48 Studenten.
Dabei war lange Berufserfahrung nicht von Vorteil: Während die alten Hasen bei der Polizei eine Trefferquote von 85 Prozent aufwiesen, lag diese bei den unerfahreneren Beamten bei 89 Prozent. Die Studenten schnitten etwas schlechter ab und kamen auf immerhin 83 Prozent. "Das hat uns überrascht", sagte Hauptautor Wirth der dpa. "Wir hätten gedacht, dass der Unterschied zwischen geschultem Personal und der Allgemeinbevölkerung größer ist."
Mögliche Gründe für den Unterschied bei den Polizisten sehen die Forscher im Altersunterschied und darin, dass sich das Auswahlverfahren bei der Bundespolizei verbessert hat. Über alle Teilnehmer hinweg lagen die Probanden in 95 Prozent der Fälle richtig, wenn es sich auf den Bildern um dieselbe Person handelte. Waren es verschiedene Personen, lagen sie nur in 76 Prozent der Fälle richtig. Jeder vierte Betrüger wäre ihnen also nicht aufgefallen. Besonders wirksam wären diese, wenn sie einzelne Merkmale wie etwa die Frisur an Passfotos angleichen würden, erklärt Wirth.
"Menschen sind zwar sehr gut darin, bekannte Gesichter wiederzuerkennen, also Freunde, Familie und Bekannte, aber ziemlich schlecht darin, unbekannte Gesichter abzugleichen", sagt Wirth. Dabei verarbeiten Menschen zum einen einzelne Merkmale wie die Form der Nase oder des Mundes und zum anderen die Relationen der einzelnen Merkmale zueinander. "Je bekannter uns ein Gesicht ist, desto mehr verwenden wir Relationen."
Carbon schlägt vor, schon bei der Einstellung von Bundespolizisten zu prüfen, wie gut sie sich Gesichter merken können. Und wer Gesichter sehr schlecht erkenne, sollte keine Passkontrollen durchführen. Das Bundesinnenministerium, das für die Bundespolizei zuständig ist, erklärte auf Anfrage, die Wirksamkeit der Verfahren werde regelmäßig überprüft. "Soweit erforderlich erfolgt eine Anpassung. Dabei fließen auch gewonnene wissenschaftliche Erkenntnisse ein." © dpa
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