Cannabis richtet im Vergleich zur legalen Droge Alkohol weniger körperliche Schäden an. Bei manchen Krankheiten ist es sogar ein wirksames Medikament. Doch ist der Hanfkonsum deswegen tatsächlich harmlos?

Mehr zum Thema Gesundheit

Immer wieder gibt es Vorstöße von Politikern und Interessensverbänden, Cannabis in Deutschland zu legalisieren. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat seine Forderung nach dem Ende des Cannabis-Verbots ‎erneuert. BDK-Chef André Schulz sagte laut der Montagsausgbe der "Bild"-Zeitung, Haschisch-Konsumenten sollten entkriminalisiert werden.

Wäre die Abgabe erlaubt und obendrein versteuert, würden voraussichtlich mehrere Milliarden Euro in die Staatskasse gespült; zugleich dürfte die Beschaffungskriminalität zurückgehen. So zumindest argumentieren die Befürworter der Legalisierung wie acuh der Deutsche Hanfverband (DHV).

Die Argumente klingen durchaus einleuchtend. Doch am Ende dreht sich die ganze Debatte immer wieder um die eine, entscheidende Frage: Wie gefährlich ist Cannabis eigentlich?

Kann man es verantworten, das Rauschmittel zu legalisieren und frei zugänglich zu machen? Ist Kiffen wirklich so harmlos, wie viele meinen?

Mediziner: "Es ist ganz klar, dass Cannabis abhängig machen kann."

Harmlos auf keinen Fall, findet Derik Hermann, Oberarzt in der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. "Es ist ganz klar, dass Cannabis abhängig machen kann", erklärt er. Vor wenigen Jahren habe die Anzahl der Cannabisabhängigen, die sich in Therapie begeben, die Zahl der Abhängigen anderer illegaler Drogen erstmals überstiegen.

Das liege vor allem an der mittlerweile hohen Konzentration von THC in den Cannabisprodukten, erklärt der Suchtmediziner. Während des Konsums dockt das THC an Rezeptoren im Gehirn und hemmt die Ausschüttung von Botenstoffen. Die Folge sind Veränderungen der neuronalen Verknüpfungen im Gehirn.

"Man kann sich das vorstellen wie bei einem Computer, der gedrosselt wird", veranschaulicht Hermann. Man wird schläfrig, unkonzentriert, desorientiert. Fällt dann das THC nach intensivem Konsum weg, können Entzugserscheinungen auftreten wie etwa Schlafstörungen, Nervosität und Gereiztheit.

Irreversible Störungen bei Jugendlichen

"Man weiß auch, dass das Risiko einer Psychose bei Cannabiskonsumenten doppelt so hoch ist wie bei anderen Menschen", berichtet Hermann.

Gleichzeitig warnt er vor einem möglichen Trugschluss: "Ob die Psychosen tatsächlich vom Cannabis kommen, ist noch nicht belegt. Es könnte auch sein, dass Personen mit einer Disposition zur Psychose häufiger zu der Droge greifen."

Unbestritten sind hingegen die Langzeitfolgen für Jugendliche. "Cannabis ist keine Jugenddroge!", warnt der Experte. "Wer das während der Entwicklungsphase zu sich nimmt, riskiert Defizite im Gedächtnis und bei der Konzentration. Und diese Störungen sind irreversibel."

Zudem gehe der frühe Konsum oftmals mit psychischen Problemen wie Depressionen einher.

Alkohol teilweise gefährlicher als Cannabis

Harmlos ist Cannabis also wirklich nicht. Allerdings ist für Suchtmediziner Hermann auch klar: Cannabis ist nicht gefährlicher als Alkohol. Das Abhängigkeitspotential ist mit etwa zehn bis zwölf Prozent gleich hoch.

Was die direkten körperlichen Auswirkungen betrifft, ist Alkohol sogar deutlich schädlicher, sagt Hermann: "Jährlich sterben etwa 40.000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums – durch Cannabis stirbt keiner."

Therapeutikum bei Multipler Sklerose, Krebspatienten oder Spastikern

So schädlich die Droge bei regelmäßigem Konsum sein kann, so hilfreich ist sie in speziellen Fällen für Patienten schwerer oder chronischer Krankheiten. In den Fällen, wo Cannabis medizinischen Nutzen hat, ist sein Einsatz jedoch ohnehin schon erlaubt. Eine generelle Legalisierung ist dafür also nicht erforderlich.

Cannabis kommt in Deutschland in bestimmten Fällen bereits als Medikament zum Einsatz, zum Beispiel in der Therapie von Multipler Sklerose oder Muskelspastiken. Außerdem kann es bei Krebs oder AIDS-Patienten Übelkeit vermindern und den Appetit anregen.

Legalisierung mit Einschränkungen?

Theoretisch könnte sich Hermann eine Legalisierung von Cannabis im außermedizinischen Bereich sogar vorstellen. "Da kommt es aber darauf an, wie man das gestaltet", räumt er ein. "Auf keinen Fall unreguliert, sondern mit strengen Rahmenbedingungen." Zum Beispiel: Abgabe erst ab 21 Jahren und in geregelten Mengen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.