Das Video einer brutalen Attacke auf eine 15-Jährige beim Wiener Donauzentrum verbreitet sich weiter rasant im Netz. Erst jetzt wird das Ausmaß klar, denn die Aufnahmen zeigen längst nicht die ganze Tat.

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"Verstörend" und "brutal": Mit diesen Worten beschreiben Medien ein Video, das in den vergangenen Tagen allein auf Facebook mehr als vier Millionen Mal angeklickt und rund 40.000-mal geteilt wurde. Die Bilder lösten Wut, Betroffenheit, aber auch heftige Debatten über eine "Verrohung der Gesellschaft" aus.

Zu sehen ist, wie vier Jugendliche ein Mädchen im Teenageralter ohrfeigen, dabei lachen und sich gegenseitig zum Weiterprügeln animieren. Worte wie "Andere Seite auch noch", "Zeig, was du kannst!" und "Sie hat ein Kopftuch heruntergezogen, demolier' sie!" sind deutlich zu hören.

Sieben Tatverdächtige ausgeforscht

Das Video war am Mittwoch vergangener Woche beim Donauzentrum an der Ecke Siebeckstraße/Wagramer Straße aufgenommen worden.

Inzwischen seien sieben Tatverdächtige ausgeforscht, wie der Wiener Polizeisprecher Thomas Keiblinger auf Anfrage unserer Redaktion mitteilte, darunter drei junge Burschen aus Tschetschenien, zwei 16-Jährige und ein 13-jähriges Mädchen.

Hauptverdächtige ist eine 15-jährige Niederösterreicherin, die als "Rädelsführerin" der Bande gilt. Gegen sie wird bereits seit Anfang November wegen weiterer ähnlicher Straftaten ermittelt. Die Jugendliche befindet sich in Haft. Körperverletzung, Nötigung und absichtliche schwere Körperverletzung werden ihr vorgeworfen. Die anderen Verdächtigen wurden auf freiem Fuß angezeigt.

Streit nach Whatsapp-Nachricht

Zum Streit kam es wegen einer Whatsapp-Nachricht des Opfers: "Ich habe keine Angst vor dir." Die Nachricht galt der 15-jährigen "Rädelsführerin". "Sie fühlt sich immer, als ob sie der Boss von jedem wäre", sagte Patricia, das Opfer der Attacke, in einem aktuellen Interview mit der Gratiszeitung "Heute".

Einen Tag später kam es zu dem Angriff. Die Jugendlichen hätten unter dem Vorwand auf sie eingeschlagen, dass "ich angeblich irgendjemandem ein Kopftuch runtergezogen habe eine Woche früher - und das geht nicht, weil sie Muslime sind".

Patricia ließ die Attacke über sich ergehen, ohne sich zu wehren: "Auf dem Video ist nicht einmal die Hälfte zu sehen. Es war eine ganze Gruppe, die alle rundherum standen", erklärt die 15-Jährige in dem Interview. Sie habe schlichtweg keine Chance gehabt.

Die Aufnahme endet damit, dass Patricia aufgefordert wird, Blut auf den Boden zu spucken. Tatsächlich aber ging die Misshandlung danach noch weiter. Weitere Jugendliche schlugen auf sie ein, ein Bursche brach ihr mit einem Faustschlag den Kiefer. Die Polizei fahndet nach weiteren möglichen Tätern.

Facebook verweigert Löschen des Videos

Laut Keiblinger verbreitete sich das Video zunächst über Whatsapp. Wer es auf Facebook veröffentlicht habe, sei nicht bekannt. Bemühungen von Politik und Justiz, das Video zu löschen, blieben bisher ohne Erfolg.

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) verwies am Dienstag vor dem Ministerrat darauf, dass bereits mehrere Verfahren gegen Facebook wegen Verhetzung liefen - und dass in diesem Fall die Staatsanwaltschaft St. Pölten ermittle.

"Wir wollen erreichen, dass das Video von Facebook aus dem Netz genommen wird", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zur APA. Das Soziale Netzwerk verweigere dies aber mit dem Argument, das Prügel-Video würde "nicht gegen die Gemeinschaftsstandards" verstoßen.

"Maximal Sozialarbeitsstunden" für die Täter

Patricia erlitt durch die Attacke einen doppelten Kieferbruch, musste operiert werden und befindet sich nach fünf Tagen Krankenhausaufenthalt inzwischen wieder daheim bei ihrer Familie in Wien-Meidling. Sie muss sechs Monate eine Stahlplatte im Kiefer tragen.

Ihre mutmaßlichen Peiniger haben gute Chancen, ohne Gefängnisstrafe davonzukommen: "Gerade, wenn sie nicht vorbestraft ist, wird es vermutlich keine unbedingten Haftstrafen für sie geben", sagt Keiblinger.

So sieht das auch der Wiener Anwalt Alfred Boran. Aufgrund des Alters der Verdächtigen komme wohl nicht einmal eine Geldstrafe in Betracht, sondern "maximal einige Sozialarbeitsstunden", wie im Gespräch mit der "Kronen-Zeitung" kritisiert: "Wenn jemand falsch parkt und diese Verwaltungsstrafen nicht bezahlt, ist der Gesetzgeber strenger."

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