Sechs Menschen starben in den 1970ern in einem Haus in der US-Kleinstadt Amityville – brutal ermordet. Doch damit war das Grauen noch nicht zu Ende: Nach dem Massaker begann es in dem Haus angeblich zu spuken. Jetzt steht das Gebäude zum Verkauf.
Ein verstörter junger Mann betrat am Abend des 13. November 1974 eine Bar in der US-Kleinstadt Amityville. Ronald "Butch" DeFeo jr. bat um Hilfe: Jemand habe seine Eltern in ihrem Haus erschossen.

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Mehrere Gäste begleiteten den 23-Jährigen in die Ocean Avenue 112. Dort erwartete sie ein grauenvoller Anblick: Sie fanden nicht nur die toten Eltern von Butch, Ronald sr. (44) und seine Frau Louise (42). Auch die Geschwister Dawn (18), Allison (13), Marc (11) und John (9) lagen erschossen in ihren blutgetränkten Betten.

Die Taten gaben den Ermittlern viele Rätsel auf: Die Opfer wurden schon um drei Uhr in der Nacht zuvor erschossen, die Eltern mit jeweils zwei Schüssen, die Kinder mit je einem. Alle lagen auf dem Bauch, und bis auf die Mutter und die 13-jährige Allison waren alle im Schlaf gestorben. Gewehrt hatten sich aber auch diese beiden nicht.

Die Tatwaffe war ein Gewehr ohne Schalldämpfer. Warum aber wurden die Opfer durch die Schüsse nicht wach? Warum hörte auch kein Nachbar einen der insgesamt acht Schüsse?

Hatte der Mörder Komplizen?

Anfangs sagte Butch der Polizei, ein Auftragskiller der Mafia habe seine Familie umgebracht. Am nächsten Tag überlegte er es sich anders und gestand die Morde.

Seine gruselige Erklärung dafür: "Als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Es ging so schnell." Er beschrieb, wie er nach den Taten ungerührt badete, sich umzog, die blutgetränkten Kleider und die Waffe verschwinden ließ und zur Arbeit ging.

Vor Gericht und im Gefängnis veränderte er seine Geschichte allerdings mehrfach. Einmal erklärte er, in Wahrheit habe seine Schwester Dawn den Vater getötet und die Mutter anschließend die anderen Kinder. Er habe seine Mutter in Notwehr erschossen.

Die Schuld habe er aus Angst vor seinem Onkel auf sich genommen – der bei der Mafia war. Später variierte Butch den angeblichen Tathergang und beschrieb weitere Komplizen. Beweise für die eine oder andere These wurden aber nie gefunden.

Mysteriös blieb auch das Motiv: Der 23-Jährige hatte Drogenprobleme und ein schwieriges Verhältnis zum Vater. Bei den Polizisten hatte er sich nach dessen Lebensversicherung erkundigt. Aber war das der Auslöser dafür, seine komplette Familie auszulöschen?

Ab Oktober 1975 stand Butch vor Gericht. Sein Anwalt plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit. Er sei sogar vom Teufel besessen gewesen. Die Strategie ging nicht auf: Butch DeFeo wurde wegen sechsfachen Mordes zu sechsmal 25 Jahren bis lebenslänglich verurteilt.

Der heute 64-Jährige stellte zwar mehrere Anträge auf Begnadigung, aber vergeblich: Er sitzt immer noch im Bundesstaat New York im Gefängnis.

Der Spuk beginnt

Aber mit den brutalen Morden und der Verurteilung war die Geschichte des Hauses längst nicht zu Ende. Das nun leere Heim der Familie DeFeo wurde zum Schnäppchenpreis von 60.000 Dollar verkauft.

Im Dezember 1975 zogen Kathy und George Lutz mit ihren drei Kindern ein. Sie hatten erst kurz zuvor geheiratet, die Kinder stammten aus einer früheren Ehe von Kathy. Die Familie blieb allerdings nicht lange in dem Haus.

Denn schon nach kurzer Zeit passierten angeblich seltsame und beängstigende Dinge. Es war immerzu kalt in den Räumen. Vater George wachte jede Nacht zwischen 3:00 und 3:15 Uhr auf – genau zu der Zeit, als die Morde passierten. Einmal hatte er Bissspuren an den Füßen.

Die jüngste Tochter berichtete von einer imaginären Freundin namens Josie, die mit ihr sprach. Sie beschrieb sie als eine Art Schwein mit roten Augen. Um das Haus herum waren seltsame Tierspuren im Schnee zu sehen, die von einem Schwein stammen konnten.

Die Mutter hatte Albträume und sah sich beim Aufwachen einmal selbst über dem Bett schweben. Die ganze Familie hörte ungewöhnliche Geräusche und Stimmen, etwa laute Musik, das Knallen von Türen und den Befehl: "Get out!" (Verschwindet!)

Schwarze Flecken und grüner Schleim erschienen auf der Toilette und den Wänden. Rote Augen glühten in den Fensterscheiben, mitten im Winter waren überall Fliegen, ein fauliger Geruch zog durch die Zimmer. Die Kinder schliefen plötzlich nur noch auf dem Bauch.

Die Horrornacht, über die niemand sprechen will

Die gläubige Familie ließ das Haus von einem Pater mit Weihwasser segnen. Doch das machte alles noch schlimmer. Der Pater erklärte später, er habe gefühlt, wie ihm ins Gesicht geschlagen wurde, allerdings ohne jemanden zu sehen.

Dann erreichten die Ereignisse ihren Höhepunkt: In der Nacht vom 14. Januar 1976 passierten in dem Haus so schreckliche Dinge, dass die Familie Zeit ihres Lebens nicht darüber sprechen wollte. Am nächsten Tag, nach nicht einmal einem Monat im Haus, zog sie fluchtartig aus.

Hatte die Familie Lutz all das wirklich erlebt oder erzählte sie Schauermärchen? Es gab viele Zweifel: Zum Beispiel waren im Haus keine Beschädigungen zu sehen; und an dem Tag, an dem angeblich Tierspuren zu sehen gewesen sein sollen, hatte es gar nicht geschneit. Manche Details erinnerten an den Horrorschocker "Der Exorzist".

Dennoch war die Geschichte bald weltweit bekannt. Denn Vater und Mutter erzählten dem Autor Jay Anson in stundenlangen Sitzungen vom Horrorhaus. Der verarbeitete die Ereignisse 1977 im Roman "The Amityville Horror". Das Buch wurde zum Bestseller und verkaufte sich mehr als zehn Millionen Mal. Es war außerdem die Vorlage für Dutzende Horrorfilme.

Das mysteriöse Foto mit dem Geisterkind

Damit wurde die Öffentlichkeit auf das Haus aufmerksam. Parapsychologen untersuchten Räume und Grundstück, darunter das Ehepaar Warren. Sie nahmen Fotos mit einer Nachtsichtkamera auf.

Auf einem der Bilder ist ein Kind zu sehen, das aus einer Tür tritt – der Geist eines der DeFeo-Söhne? Oder ein unbekanntes Kind? Die Warrens stellten die These auf, dass die Geister toter Indianer dort spuken würden, auf dem Gelände befinde sich ein ehemaliger Indianerfriedhof.

Doch auch hier gab es Zweifel: Das Foto konnte gefälscht sein; und der angebliche Indianerstamm war nie auch nur in der Nähe von Amityville gewesen.

Nach dem Auszug der Lutz-Familie war der Spuk im Amityville-Horrorhaus vorbei. Es wechselte mehrmals den Besitzer, aber keiner berichtete von übernatürlichen Erlebnissen.

Um Neugierige abzuschrecken, wurde sogar die Hausnummer verändert. Nur ein Makler berichtete einem Fernsehsender von merkwürdigen Begebenheiten. Er habe im Keller einen eisigen Lufthauch gespürt und das Gefühl gehabt, dass ihn jemand beobachtet.

Alles nur erfunden?

Dass die Morde in dem Haus passiert sind, ist wahr. Und für den anschließenden Spuk gibt es wohl eine ganz weltliche Erklärung. Denn ein paar Jahre später sagte der Anwalt William Weber im Radio, er habe die Gruselgeschichte zusammen mit George Lutz ausgeheckt.

Pikant: Weber war der Anwalt von Butch DeFeo. Er wollte erreichen, dass der Fall seines Klienten noch einmal vor Gericht verhandelt wird. Hätte es in dem Haus gespukt, hätte das seine Erklärung untermauert, dass Butch besessen war.

Und das Motiv von Lutz für die Spukstory? Er brauchte angeblich Geld, weil er die Raten für das Haus nicht zahlen konnte.

Zugegeben hat die Familie einen möglichen Schwindel aber nie, im Gegenteil: Sie klagte mehrfach wegen Verleumdung, allerdings erfolglos. Sohn Daniel Lutz schrieb 37 Jahre nach den Vorfällen selbst ein Buch: Darin behauptet er, dass ein Poltergeist im Haus gehaust habe.

Jetzt steht das Haus wieder einmal zum Verkauf: Für fünf Schlafzimmer und vier Bäder muss man 850.000 US-Dollar hinblättern. Einen Hinweis auf die makabre Vergangenheit des Hauses gibt es in der Anzeige nicht.

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