• Auf der Social-Media-Plattform TikTok kursieren Videos, in denen behauptet wird, vermeintlich zuckerfreie Hafermilch würde zwölf Würfelzucker enthalten.
  • Der Grund dafür soll der Herstellungsprozess sein.
  • Stimmt das - und wie gesund ist Hafermilch denn nun? Ein Faktencheck.
Ein Faktencheck

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher greifen mittlerweile zu Hafermilch, unter anderem, weil sie vegan ist und die CO2-Bilanz geringer als bei anderen Milchalternativen wie Sojadrinks. Gesund und gut fürs Gewissen also? Derzeit kursieren Videos auf der Plattform TikTok, in denen Gegenteiliges behauptet wird. Eine Userin etwa erzählt, dass selbst in Hafermilch ohne Zucker etwa zwölf Würfelzucker stecken würden. Ein Faktencheck.

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Wieso Hersteller nicht von Milch sprechen dürfen

Der Begriff Hafermilch hat sich zwar durchgesetzt, Hersteller dürfen sie jedoch nur als Haferdrink bezeichnen. Denn der Begriff Milch ist ausschließlich tierischen Produkten vorbehalten. Mit einer Ausnahme: Kokosmilch.

Bei der Herstellung von Hafermilch entsteht Zucker

Bei der Produktion von Hafermilch kämen Wasser und Hafer in einen Topf, erklärt eine TikTok-Userin. Dann werde ein Enzym hinzugefügt, durch das die Stärke im Hafer zu Zucker zerfalle – "schlechtem Zucker". Angeblich stecken mindestens zwölf Würfelzucker in einem Liter Hafermilch.

Fakt ist, dass die Spelzen der Haferkörner vor der Weiterverarbeitung entfernt werden und der Hafer anschließend mit einer bestimmten Menge an Wasser vermengt und nass vermahlen wird. "Durch eine bestimmte Temperatur-Zeit-Kombination werden die wertvollen Inhaltsstoffe aus dem Rohstoff optimal extrahiert. Bei stärkehaltigen Lebensmitteln wie Hafer und Reis wird zusätzlich die Stärke durch eine enzymatische Reaktion, eine Fermentation, in Zucker umgewandelt", erklärt Lena Mier, staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin bei der Verbraucherzentrale Berlin e. V..

In einem nächsten Schritt wird der Pflanzendrink von den extrahierten Pflanzenfasern abgetrennt. "Dann wird die Pflanzenmilch mit Speiseöl homogenisiert – je nach Rohstoff –, mit verschiedenen Zutaten vermischt, erhitzt und abgefüllt", sagt Mier.

Tatsächlich wird laut Mier im Herstellungsprozess Stärke zu Zucker umgewandelt: "Wenn der Haferdrink keinen zugesetzten Zucker enthält, stammt der Zucker aus dem Hafer." Ein Blick in das Zutatenverzeichnis kann Klarheit schaffen. Die Lebensmittelchemikerin erklärt weiter: "Hafer enthält von Natur aus knapp 60 Prozent Kohlenhydrate, davon knapp ein Prozent Zucker. Die Kohlenhydrate sind überwiegend in Form von Stärke enthalten. Zur Herstellung von klassischen Haferdrinks wird der Hafer fermentiert, das heißt, durch den Zusatz von Enzymen wird ein Teil der Stärke im Hafer zu Zucker aufgespalten." Dadurch entstehe auch der süßliche Geschmack.

Weniger Zucker und Kalorien als bei Kuhmilch

Ein Haferdrink enthält nach dem Herstellungsprozess Zucker. "Wenn das Lebensmittel von Natur aus Zucker enthält, sollte auf dem Etikett zusätzlich der Hinweis 'enthält von Natur aus Zucker' stehen", sagt Mier. Aber Vorsicht: "Ohne Zuckerzusatz" oder "ungesüßt" heißt nicht, dass die Produkte keinen oder vergleichsweise wenig Zucker enthalten. Es besagt lediglich, dass dem Produkt keine Einfach- oder Zweifachzucker oder ein anderes wegen seiner süßlichen Wirkung verwendetes Lebensmittel zugesetzt wurde.

Klassische Haferdrinks enthalten laut der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen im Schnitt drei bis sechs Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Mier berechnet: Ein Haferdrink mit 3 Gramm Zucker pro 100 Milliliter, also 30 Gramm Zucker pro Liter, würde unter der Annahme, dass ein Würfelzucker 3 Gramm wiegt, umgerechnet etwa 10 Würfelzucker enthalten. Deshalb erhöht Hafermilch auch den Blutzuckerspiegel – "abhängig davon, wie viel Zucker enthalten ist", sagt Mier. Inzwischen sind aber auch viele Produkte ohne Zucker auf dem Markt. Sie schmecken nicht süß und enthalten 0 g Zucker.

Was sich zunächst viel anhört, ist verglichen mit herkömmlicher Kuhmilch jedoch eher wenig. Denn Milch schafft es laut der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen auf rund 4,7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter. "Wer auf Zusatzstoffe, zugesetzte Aromen und Zuckerzusatz verzichten möchte, hat bei Milchersatzprodukten eine relativ große Auswahl", sagt Mier. Maßgeblich ist hier die Zutatenliste auf der Verpackung.

Wer auf Kalorien achtet, ist mit Hafermilch auch gut beraten. Laut "Ökotest" enthalten 100 Milliliter etwa 42 Kilokalorien. Kuhmilch hingegen hat 64 Kilokalorien, die fettarme Variante 49 Kilokalorien. Eine Ausnahme gibt es allerdings: Barista-Haferdrinks. Bei ihnen liegt der Fettgehalt im Schnitt bei 2,3 Gramm pro 100 Gramm – etwas höher als bei anderen Haferdrinks oder fettarmer Kuhmilch. Expertin Mier erklärt: "Der höhere Fettgehalt kommt durch den zusätzlichen Einsatz pflanzlicher Öle zustande." Ihr Tipp: Einen Blick auf die Nährwerttabelle werfen. "Die Nährwerttabelle erlaubt auch Auskunft über den enthaltenen Zucker aus der Fermentation der Stärke."

Eiweiß und wichtiges Calcium enthalten nicht alle Haferdrinks

Im Vergleich zu Kuhmilch beinhalten Haferdrinks weniger Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, informiert die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Für eine ausreichende Calciumversorgung sollten calciumreiche Lebensmittel zusätzlich auf dem Speiseplan stehen. Als Alternative bieten viele Hersteller auch mit Calcium angereicherte Haferdrinks an", sagt Mier.

Bei Stichproben durch die Verbraucherzentrale hat sich jedoch gezeigt, dass Pflanzendrinks teilweise mit verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen wie Calcium, Vitamin B12, D, E und B2 angereichert sind. Wer also entsprechend angereicherte Pflanzendrinks zu sich nimmt, kann eine ausreichende Calciumversorgung erreichen, heißt es weiter.

Allerdings ist Hafermilch nicht für jeden eine gute Wahl. Sie enthält zwar keine Laktose, dafür aber Gluten. "Sie ist daher nicht für Zöliakie-Patienten geeignet", erklärt Mier.

Haferdrinks als ökologisch beste Alternative zu Kuhmilch

Was besonders für Hafermilch spricht, ist ihre Klimabilanz. Die Expertin erklärt: "Ihr CO2-Fußabdruck ist je nach Art des Pflanzendrinks nur ein Viertel bis halb so groß wie der von Kuhmilch." Hafermilch sei damit "die ökologisch beste Alternative zur Kuhmilch". Das liege daran, dass der Wasserverbrauch von Hafer gering ist und die Transportwege kurz sind. Laut dem ifeu-Institut liegt der Wasserbedarf bei der Herstellung eines Kilogramms Milch bei 2000 Liter Wasseräquivalente, bei Hafermilch sind es lediglich 300 Liter.

Wer besonders auf Nachhaltigkeit achten möchte, dem empfiehlt Mier, Pflanzendrinks zu kaufen, "bei denen die namensgebenden Zutaten aus Europa stammen". Der Rohstoff würde sogar häufig aus Deutschland stammen. Aber: "Hergestellt in Deutschland" müsse nicht bedeuten, dass die Rohstoffe aus Deutschland stammen. Wer auf der Packung genau nachliest, erfährt, woher der Hafer kommt. Ein Tipp der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen: Unabhängig von den auf der Verpackung getroffenen Werbeaussagen empfiehlt sich der vergleichende Blick auf die Nährwerttabelle und Zutatenliste.

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Verwendete Quellen:

  • Social-Media-Plattform TikTok
  • oekotest.de: "Ist Hafermilch gesund?"
  • Verbraucherzentrale NRW: "Hafer, Kokos, Mandel, Reis, Soja: Milchersatzprodukte unter der Lupe"
  • ifeu.de: "Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland"
  • Interview mit Lena Mier, staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin bei der Verbraucherzentrale Berlin e. V im Projekt Lebensmittel und Ernährung
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