In der digitalen Welt wimmelt es nur so von gesunden Rezepten, High-Intensity Workouts und Modelkörpern. Einerseits hilfreich und inspirierend, andererseits setzt es auch viele – besonders junge – Menschen unter Druck. Wo liegt hier die Grenze zwischen gesundem Lebensstil und verzerrter Selbstwahrnehmung? Wir werfen einen kritischen Blick auf das Ganze.
Sie starrt stundenlang auf den Instagram-Feed Ihrer Lieblings-Influencerin. Nur, um dann mit Scham jede Ecke und Kante ihres eigenen Körpers zu bewerten. Unwohlsein macht sich breit. Die Unzufriedenheit nimmt immer weiter zu…
Der ständige Insta-Konsum von Bildern aus dem Fitnessstudio und minimalistischen Frühstücks-Portionen führt nicht selten zu mentalen Schwierigkeiten rund um das Thema Ernährung und das eigene Körperbild.
Aber wie kommt es eigentlich dazu?
"Muss nicht schmecken, muss wirken" – das ist das Motto vieler Bodybuilder und Fitness-Influencer. Essen wird nur noch als etwas Funktionales betrachtet. Weder als Energiezufuhr noch als Genuss. Der Teller scheint plötzlich nur noch voll mit Kalorien zu sein anstatt mit Reis, Paprika oder Pommes.
Dass diese Einstellung letztlich auch auf die Abonnenten und Follower abfärben kann, ist nicht sehr überraschend. Wie die Bezeichnung "Influencer" bereits sagt, haben diese Vorbilder einen großen Einfluss auf das Denken und Verhalten ihrer Fans und damit auch auf die Konsumenten der von ihnen beworbenen Produkte. Vor allem junge Menschen, die in einer kritischen Phase der Selbstentwicklung stecken, bilden sich ihre Meinung oft aufgrund dessen, was sie im Internet sehen.
Das kann schnell gefährlich werden. Es fehlt häufig eine gesunde Distanz: Aus Bewunderung wird Besessenheit. Der Perfektionierungsgedanke breitet sich aus – die Vision und gleichzeitige Illusion vom vermeintlich "perfekten" Körper hat sich im Kopf festgebissen. Social-Media-Trends wie SkinnyTok, bei denen gefährliche Abnehm-Methoden gefeiert und verharmlost werden, nehmen zu.
Nicht zu vergessen: Nicht bloß der Konsum, auch das Veröffentlichen von Bildern kann starke mentale und auch körperliche Probleme nach sich ziehen. Denn der Gedanke, für sein Publikum immer perfekt sein zu müssen, erhöht den Druck immer weiter. Das ist langfristig weder gesund noch erfüllend.
Cheatdays, Diäten und flache Bäuche
Und damit beginnt die Reise voller Diäten, übermäßiger sportlicher Aktivität, schlechten Gewissens und Selbsthass. Ziemlich guter Nährboden für eine ungesunde Beziehung zu Essen, Bewegung und dem eigenen Körperbild.
Das Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz (2019) berichtet von einer umfassenden Studie des Robert-Koch-Instituts: Rund 33,6 Prozent der 14-17-jährigen Mädchen sind geplagt von ersten Anzeichen gestörten Essverhaltens. Damit wäre auch die Gruppe der Hauptbetroffenen beschrieben – überwiegend Frauen und junge Menschen. Wie beeinflussen unsere sozialen Netzwerke unsere Psyche?
Essstörungen sind in drei unterschiedliche Hauptkategorien einzuordnen:
Magersucht (Anorexie) ist die am weitesten verbreitete Essstörung in Deutschland. Hierbei geht es den Betroffenen darum, möglichst dünn zu sein und somit sehr wenig zu essen. Das Gefühl und die Angst davor zu dick zu sein, wird durch immensen Gewichtsverlust jedoch nicht weniger.
Bei Bulimie haben Betroffene regelmäßige Heißhungerattacken, welchen sie durch darauffolgendes Erbrechen kalorisch "entgegenwirken".
Wenn es nicht zum Erbrechen kommt, spricht man von einer Binge-Eating-Störung. Hier werden riesige Mengen an Essen auf einmal aufgenommen, ohne eine Gegenmaßnahme in die Wege zu leiten. Folglich sind diese Menschen oft übergewichtig oder adipös.
Diese Krankheiten können Betroffene bis ins Krankenhaus bringen oder – im schlimmsten Fall – sogar zum Tod führen.
Zusammenhang von Essstörung und sozialen Medien:
Social Media scheinen – vor allem bei jungen Menschen – definitiv ihren Teil zu gestörtem Selbstbild und ungesundem Essverhalten beizutragen:
Wer sich ein bisschen umschaut, findet zahlreiche Studien, die die intensive und lange Nutzung sozialer Medien als Risikofaktor für die Entwicklung von Essstörungen sehen.
So werden vor allem Bewertungen durch andere Nutzerinnen und Nutzer mit restriktivem Essverhalten und Körperunzufriedenheit in Zusammenhang gebracht:
Manch(e) Betroffene(r) sieht nichts anderes mehr als Likes, Follower und Kommentare. Äußerliche Vergleiche, Selbst-Objektifizierung und das Aneignen eines falschen Idealbildes sind hier der springende Punkt.
Im Umkehrschluss hat eine psychologische Studie zu gestörtem Essverhalten bei Studierenden gezeigt: Der Verzicht auf soziale Netzwerke kann die Essstörungssymptome bei den Betroffenen vermindern. Es scheint also auch wieder einen Weg aus der Sackgasse zu geben.
Was bedeutet das konkret für den Umgang mit Social Media?
Es ist kein Geheimnis: Gesundheit beschränkt sich eben nicht nur auf das körperliche Wohl. Mentale Stärke, Selbstzufriedenheit und das Vertrauen in das eigene Handeln sind mindestens genauso essenziell! Sie sollten subjektives gutes Aussehen also niemals mit echter physischer und seelischer Gesundheit verwechseln. Denn: Es ist oft nicht anhand des Äußeren festzustellen, ob jemand von einer Essstörung betroffen ist oder nicht.
In Bezug auf Instagram, TikTok und Co. gilt es, sich einen reflektierten Umgang damit anzueignen und zu überlegen:
Ist das echt, ist das gesund, was ich da sehe? Beeinflusst es mich negativ, macht es mich vielleicht krank, entwickle ich ungesunde Verhaltensmuster?
Im Zweifelsfall bleibt immer noch die Möglichkeit – zumindest temporär – auf Social Media zu verzichten, das Handy mal beiseitezulegen. Stichwort "Digital Detox".
Kindern und Jugendlichen hingegen hilft es sicherlich, wenn die Eltern bereits möglichst früh mit ihnen über falsche, ungesunde Schönheitsideale sprechen. Hier gilt es z. B. über die wachsende "Filter-Kultur" und gefälschte, geschönte Bilderauf Social Media aufzuklären.
Und – last but not least: Natürlich hilft uns allen sicher auch immer ein stabiles Umfeld, das ein gutes Selbstwertgefühl vermittelt.
Cohrdes, C., Göbel, K., Schlack, R. & Hölling, H. (2019). Essstörungssymptome bei Kindern und Jugendlichen: Häufigkeiten und Risikofaktoren. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, 62(10), 1195–1204. https://doi.org/10.1007/s00103-019-03005-w
Dane, A. & Bhatia, K. (2023). The social media diet: A scoping review to investigate the association between social media, body image and eating disorders amongst young people. PLOS Global Public Health, 3(3), e0001091. https://doi.org/10.1371/journal.pgph.0001091
Dondzilo, L., Mahalingham, T. & Clarke, P. J. (2023). A preliminary investigation of the causal role of social media use in eating disorder symptoms. Journal Of Behavior Therapy And Experimental Psychiatry, 82, 101923. https://doi.org/10.1016/j.jbtep.2023.101923
Fatt, S.J. and J. Fardouly, Digital social evaluation: Relationships between receiving likes, comments, and follows on social media and adolescents‘ body image concerns. Body Image, 2023. 47: p. 101621.
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