An den meisten Tagen ist es verboten, mit einem alten Auto in Paris zu fahren. Doch an zwei Sonntagen im Jahr treffen sich hunderte Oldtimer zur Traversée de Paris. Wir waren mit einer Mercedes S-Klasse von 1988 mittendrin.

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Autofahren in Paris ist eine komplizierte Sache. Da ist zum einen die Umweltzone innerhalb des Autobahnrings A86. Deren Regeln genauso kompliziert sind wie der Name: Ohne Crit'Air-Vignette läuft in vielen französischen Städten gar nichts. Wer rein darf – und das sind in Paris wochentags zwischen 8 und 20 Uhr nur Fahrzeuge mit der korrekten Plakette – stellt schnell fest, dass Autofahren dort kein Vergnügen ist.

Dabei ist die Hauptstadt leicht zu finden: Schon kurz nach der französischen Grenze weisen blaue Autobahnschilder nach Paris. Je dichter und hektischer der Verkehr wird, desto näher kommt man der Kapitale.

Berüchtigt: die Péripherique

Besonders dicht und hektisch ist der Verkehr auf der Péripherique, einem 35 Kilometer langen Schnellstraßenring um die Hauptstadt. Die 1973 fertig gestellte Stadtautobahn ist laut Wikipedia "eine der am stärksten befahrenen Straßen Europas". Staus und Unfälle sind hier alltäglich, was bei dem dichten und hektischen Verkehr kein Wunder ist.

Irgendwie sucht sich hier jeder seinen schnellsten Weg durch das mehrspurige Gewusel aus Autos, Lastwagen und Bussen. Links und rechts davon schießen Motorräder und Roller wie zweirädrige Billardkugeln durch das Chaos.

Dazu kommt, dass es leichter ist, sich zu verfahren, als auf Anhieb den richtigen Weg zu finden – die Péripherique deckt auch ohne Baustellen und Staus die Schwächen der besten Navigation gnadenlos auf.

Mutig: Im Oldtimer nach Paris

Mit einem Oldtimer, der die letzten Jahrzehnte unfallfrei überstanden hat, hier abends im Dunkeln herumzufahren, bereitet einen besonderen Nervenkitzel. Doch wir haben Glück und kommen mit unserer S-Klasse ungestreift durch den Verkehr. Obwohl scheinbar wirklich niemand besonders großen Respekt vor dem alten Blech zeigt.

Im Hotel angekommen, stellen wir den champagnerfarbenen Benz in die Tiefgarage direkt neben einen Aston Martin mit UK-Kennzeichen. Ihn werden wir am nächsten Tag bei der Traversée wiedersehen.

Am Start: hunderte Oldtimer

Morgens kurz vor Acht entsteht am Startpunkt, dem Chateau de Vincennes im Südosten von Paris, ein sehr hübsches Chaos aus Hunderten alter Fahrzeuge: Autos, Motorräder, Mopeds aller Jahrzehnte haben sich versammelt. Doch was chaotisch wirkt, ist in Wahrheit routiniert organisiert: Seit 1998 veranstaltet der französische Autoclub Vincennes et Anciennes die Traversée. Sie findet je einmal im Sommer und im Winter statt. Mit der Erfahrung aus Dutzenden Traversées läuft der Start routiniert und schnell: In mehreren Spuren rollen die Teilnehmer auf die Strecke, los geht es auf den Weg durch das sonntags-morgendliche Paris. Außer Lieferautos und Lastwagen nehmen nur wenige andere am Verkehr teil und kaum jemand Notiz von diesem kuriosen Tross, der auf direktem Weg Richtung Montmartre fährt. An einer Ampel halten vor uns: eine Alfa Romeo Giulia, ein Mochet-Kleinstwagen und ein Rudel Radfahrer, deren Kleidung ebenso historisch ist wie ihre Fahrräder.

Später werden wir eine Gruppe Herren in Lycra überholen, die sich zügig auf alten Rennrädern den Berg zum Montmartre hochkämpfen. Oben dürfte ihnen genauso warm sein wie uns, doch wir sitzen ja auch im geheizten Auto.

Am Montmartre ist mächtig was los: Vor Cafés stehen Mustangs aus den Sechzigerjahren, Porsche 911 aus den 80ern, die Fahrer machen Pause mit Croissant und Café au Lait. Am häufigsten sind bei der diesjährigen Winter-Traversée Autos von Citroën und Renault vertreten – wir sind schließlich in Frankreich. Der älteste Traktor ist ein Lanz 24-15 aus dem Jahr 1952. Die ältesten Autos sind ein Amilcar von 1921, ein ein Citroën C3 aus dem Jahr 1925, sowie ein Bentley Tourer und ein Bugatti Type 40 von 1929. Wer mag, kann in einem von vier Bussen aus den 30er- und 50er-Jahren als Passagier mitfahren. Trotz der Kälte schwingen sich 120 Teilnehmer aufs Motorrad und 26 aufs Fahrrad – das älteste stammt von 1921.

Wir stellen uns oben in die Schlange zur Sacré-Cœur, stehen im Stau zwischen einem Cadillac und einem Traktor. Der Ausblick auf die Stadt ist trotz Nebel erhebend.

Begeistert: die Zuschauer

Oben, am Place du Tertre, gibt es für alle Teilnehmer Trommelwirbel von den P'tits Poulbots einen Segen vom Pfarrer der Kirche Saint-Pierre de Montmartre. Wie am Col de Turini stehen hier die Menschen, fotografieren, freuen sich und winken. Wer hier durchfährt, darf sich ein bisschen fühlen wie ein Teilnehmer der Rallye Monte Carlo – nur ohne Schnee und Bestzeiten.

Dabei kommt das Beste noch: Die Ehrenrunde um den Arc de Triomphe de l’Etoile gilt als Mutprobe, Ulrich Wickert hat es 1984 am Place de la Concorde für die ARD vorgemacht, wie man als Fußgänger in Paris sicher über die Straße kommt. Wir probieren heute, mit einem Auto den Kreisverkehr am Place Charles de Gaulle zu meistern.

Doch wir haben Glück: Keiner kommt uns in die Quere, wir drehen für Foto und Video mehrere Runden um den 49 Meter hohen Triumphbogen, ohne dass uns etwas passiert oder jemand Anstoß nimmt. Als wir genug haben, weist uns ein freundlicher Streckenposten die richtige Ausfahrt. Wir biegen in die Avenue de Friedland, ein Dutzend Möglichkeiten gibt es, den vielleicht berühmtesten Kreisverkehr der Welt zu verlassen.

Jetzt kommen die breiten Chausseen, wir weichen etwas vom Roadbook ab, überqueren nicht unweit des Tunnels, in dem Lady Di ihren tragischen Unfall hatte, die Seine und fahren zum Eiffelturm. Der steht zwar nicht im Roadbook, aber auf unserer Liste. Wir parken den Mercedes direkt vor dem Stahlturm, das Bild mit der S-Klasse vor der Sehenswürdigkeit gelingt.

Am Invalidendom treffen wir wieder auf die Teilnehmer der Traversée. Am Straßenrand parken mehrere Morgan, Zuschauer winken, filmen und fotografieren. Keiner hupt, keiner ärgert sich. Zwischen Triumph Herald und Mazda MX-5 reihen wir uns ein in die bunte Kolonne, sehen mehrere ehemalige Alltagsautos wie R5 und R8, Sportwagen wie einen silbermetallicfarbenen Ferrari Daytona und mehrere Cabrios mit zurückgeklapptem Verdeck. Später wird eine ganze Zeitlang ein Jaguar E-Type vor uns herfahren – selbstverständlich offen. Das ist bei ein bis zwei Grad über dem Gefrierpunkt nicht selbstverständlich, aber man sieht so auch mehr von der Stadt.

Das ist die Traversée de Paris

Der französische Autoclub Vincennes et Anciennes veranstaltet an zwei Sonntagen im Jahr die "Traversée de Paris" – einmal im Sommer und einmal im Winter. Die Route führt einmal quer durch die Stadt an bekannten Sehenswürdigkeiten vorbei und endet mit einem Picknick oder Mittagessen. Die nächste Traversée findet am 20. Juli 2025 statt, sie führt vom Bois de Vincennes zum Bois de Boulogne. Hier kann man sich anmelden.

Diese Regeln gelten in der Umweltzone von Paris

Innerhalb des Autobahnrings A86 gilt eine strenge Umweltzone. Von Montag bis Freitag zwischen 8 und 20 Uhr dürfen nur Elektroautos mit grüner Crit’Air-Vignette sowie Autos mit Vignetten der Klassen 1 und 2 in die Stadt. Benziner müssen die Euro-4-Norm erfüllen, Diesel Euro 5. Autos, die bis zum 31. Dezember 1996 erstmals zum Verkehr zugelassen wurden, erhalten überhaupt keine Plakette. Für diese Autos gilt in Frankreichs Umweltzonen ein Fahrverbot. Wer das Verbot missachtet und erwischt wird, bezahlt 68 Euro.

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Mit diesem Auto waren wir in Paris

Das Mercedes-Benz Museum hat uns für die Fahrt nach Paris einen wunderbaren 300 SE geliehen. Die S-Klasse der Baureihe W 126 ist auch mit dem Dreiliter-Reihensechszylinder ein souveräner Reisewagen, der die Nerven schont und überall gut ankommt.  © auto motor und sport

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