Sicherere Fahrzeuge und mehr Assistenzsysteme: Die Zahl der Verkehrstoten könnte auf einen historischen Tiefststand sinken. Für manche Experten ist das dennoch kein Grund zum Jubeln.
Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland könnte in diesem Jahr so gering ausfallen wie noch nie seit Beginn offizieller Zählungen. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamts dürfte der Wert auf etwa 3.090 zurückgehen. "Das wäre der niedrigste Stand seit Beginn der Statistik vor mehr als 60 Jahren", teilte die Behörde am Dienstag in Wiesbaden mit.
Auch bei den Verletzten sei ein leichter Rückgang zu erwarten - um etwa drei Prozent auf 383 000. Dennoch kommt es den Angaben zufolge täglich im Schnitt zu acht Todesfällen und mehr als 1.000 Verletzten auf Deutschlands Straßen.
Dringender Appell für mehr Sicherheit auf der Straße
"Ursächlich für die positive Entwicklung sind aus Sicht des ADAC vornehmlich die zunehmende Sicherheit von Fahrzeugen sowie der steigende Einsatz von Assistenzsystemen", sagte eine Sprecherin des Automobilclubs. Dennoch seien weiterhin Anstrengungen notwendig, um die Verkehrssicherheit auch bei zunehmender Mobilität zu verbessern.
"Die Zahlen sind kein Grund zum Jubeln", meinte Unfallforscher Siegfried Brockmann. Mehr als 3.000 Todesopfer seien immer noch ein dringender Appell für mehr Sicherheit auf der Straße.
Die Schätzung der Statistiker für 2019 basiert auf den Zahlen des ersten Dreivierteljahres und kann deutlich von der endgültigen Jahresbilanz abweichen, die voraussichtlich im Februar veröffentlicht wird. Dann wird auch bekanntgegeben, wer besonders betroffen ist: Autofahrer, Fußgänger, Fahrrad- oder Motorradfahrer.
1970 wurde bisheriger Spitzenwert erreicht
Laut den Prognosen des Bundesamts könnte die Zahl der von der Polizei erfassten Unfälle 2019 leicht ansteigen und erneut bei mehr als 2,6 Millionen liegen. Das sind im Schnitt über 7.100 Unfälle am Tag.
Die erfreuliche Nachricht: Den Schätzungen zufolge werden die Unfälle mit Verletzten oder Toten um rund drei Prozent auf etwa 300.000 zurückgehen. Dagegen könnten die Unfälle mit ausschließlich Sachschaden leicht auf 2,3 Millionen steigen.
Inwiefern sich die neuen E-Scooter auf die Unfallzahlen auswirken, sei noch nicht bekannt, so die Statistiker. Die umstrittenen Tretroller mit Elektroantrieb sind seit Frühsommer hierzulande im Einsatz.
Wie hat sich die Zahl der Verkehrstoten zuletzt entwickelt? Der bisherige Tiefststand wurde 2017 mit 3.180 Verkehrstoten erreicht. Im vergangenen Jahr gab es dann einen leichten Anstieg auf 3.275 Todesopfer. Auf welch niedrigem Niveau die Werte heutzutage - trotz Abweichungen - liegen, zeigt ein Blick auf die Statistik.
Anfang der 1950er Jahre gab es - BRD und DDR zusammengerechnet - knapp 8.000 Verkehrstote. Mitte der 50er Jahre stieg die Zahl auf rund 14.000. 1970 wurde mit mehr als 21.000 Verkehrstoten der bisherige Spitzenwert erreicht, also fast siebenmal so viele wie heute.
Es hat sich viel getan
Seitdem fällt die Kurve - mit kleinen Ausreißern. "Es hat sich viel getan", sagt ein Sprecher des Bundesamts. Dazu gehören eine schnellere und bessere medizinische Versorgung, sicherere Fahrzeuge und eine modernere Infrastruktur, die Unfallschwerpunkte vermeidet. Hinzu kämen Faktoren wie Helmpflicht, Gurtpflicht oder niedrigere Promillegrenzen.
Aber wie kann die Sicherheit noch weiter ausgebaut werden? Unfallforscher Brockmann fordert energische und im Zweifel auch unpopuläre Maßnahmen. Dazu gehörten mehr Kontrollen, höhere Bußgelder und eine bessere Infrastruktur - insbesondere für Fahrradfahrer. © dpa
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