Die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorangetriebene Cannabis-Legalisierung ist seit dem 1. April in Kraft. Der Bundestag hat in der Nacht zum Freitag (7.6.2024) neue THC-Grenzwerte im Straßenverkehr beschlossen. Auch wurden Verbesserungswünsche der Bundesländer umgesetzt. Dazu gibt es auch die ersten Bußgelder. Was Autofahrer nun wissen müssen.
Der Gesetzentwurf wurde bereits Ende Februar von der Ampel-Koalition mit 407 Ja-Stimmen – bei 226 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen – angenommen. Der Bundesrat entschied sich gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses und billigte damit das bis zuletzt umstrittene Cannabis-Gesetz.
So sieht das Cannabis-Gesetz (kurz: CanG) aus
- Erwachsenen ist der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen bzw. Genossenschaften erlaubt.
- Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ist künftig straffrei.
- Es gilt ein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot für Konsumcannabis und für Anbauvereinigungen.
- Konsumverbot von Cannabis in einer Schutzzone von 200 Metern Abstand zum Eingangsbereich von Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätzen sowie in öffentlich zugänglichen Sportstätten.
- Nicht-gewerbliche Anbauvereinigungen dürfen nur mit behördlicher Erlaubnis Konsumcannabis gemeinschaftlich unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder anbauen und zum Eigenkonsum an Mitglieder weitergeben. Enge gesetzliche Rahmenbedingungen müssen eingehalten werden.
- Anbauvereinigungen dürfen max. 500 Mitglieder haben; Mitglieder müssen Erwachsen sein und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland haben.
- Einhaltung von strengen Mengen-, Qualitäts- sowie Kinder- und Jugendschutzvorgaben erforderlich, gesichert durch behördliche Kontrolle.
- Begrenzung der Weitergabe von Konsumcannabis in Anbauvereinigungen: Weitergabe nur an Mitglieder, verbunden mit einer strikten Pflicht zur Überprüfung der Mitgliedschaft und des Alters – max. 25 Gramm pro Tag / 50 Gramm pro Monat.
- Begrenzung der Weitergabe an Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren auf 30 Gramm pro Monat mit einer Begrenzung des zulässigen THC-Gehalts auf 10 Prozent.
- Weitergabe von Konsumcannabis in kontrollierter Qualität und nur in Reinform, d.h. Marihuana oder Haschisch.
- In begrenztem Umfang zulässiger privater Eigenanbau mit Pflicht zum Schutz des privat angebauten Konsumcannabis vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche sowie Dritte.
- Stärkung der Prävention: Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie in den Anbauvereinigungen; Information und Beratung durch Präventionsbeauftragte mit nachgewiesenen Sachkenntnissen und Kooperation mit lokalen Suchtberatungsstellen.
Der Bundestag hat auch Nachbesserungen am Cannabis-Gesetz beschlossen, die der Bund den Ländern zugesagt hat. Um große Plantagen in Anbauvereinen ab 1. Juli zu verhindern, können Genehmigungen verweigert werden, wenn Anbauflächen oder Gewächshäuser in unmittelbarer Nähe anderer Vereine stehen. Ein gewerblicher Anbieter darf nicht mit mehreren Dienstleistungen beauftragt werden, um den "nichtgewerblichen Eigenanbaucharakter" zu sichern. Kontrollen sollen flexibler und "regelmäßig" statt "jährlich" erfolgen. Die Evaluation des Gesetzes wird auf Wunsch der Länder erweitert, um neben dem Kinder- und Jugendschutz auch die Besitz- und Weitergabemengen zu untersuchen. Zusätzlich soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ein Weiterbildungsangebot für Suchtpräventionsfachkräfte entwickeln.
Klare Grenzwerte für Cannabis
Das Verbot von Autofahren nach Cannabis-Konsum ist in § 24 a Straßenverkehrsgesetz geregelt, Cannabis ist in der Anlage zu dem Gesetz ausdrücklich genannt. Die kritischen Grenzwerte allerdings nicht. Das soll sich nun ändern. Der Vorschlag eines Grenzwertes von 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum (ng/ml) wurde nun im Bundestag verabschiedet. Er wurde von der Ampelkoalition im "Sechsten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften" verankert und basiert auf der Empfehlung einer Expertengruppe, die vom Bundesverkehrsministerium eingesetzt wurde. Der Grenzwert ist vergleichbar mit 0,2 Promille Alkohol. Damit liegt der Grenzwert deutlich unter der Schwelle von sieben Nanogramm, ab der eine Risikoerhöhung beginnt. Messfehler sind bereits eingerechnet.
Anders sieht es bei Fahranfängern und jungen Fahrern vor Vollendung des 21. Lebensjahres aus: In der zweijährigen Führerschein-Probezeit und für unter 21-Jährige gilt ein absolutes Cannabis-Verbot.
Gleichzeitig werden im Bußgeldkatalog entsprechende Geldstrafen verankert. Wer über dem Limit von 3,5 ng THC pro Milliliter Blut liegt, soll 500 Euro zahlen und mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt werden. Ist gleichzeitig Alkohol im Spiel, erhöht sich das Bußgeld auf 1.000 Euro. Fahranfänger zahlen 250 Euro, sollten ihnen mehr THC im Blut nachgewiesen werden als erlaubt.
Das ist bisher der strafbare THC-Grenzwert
Bislang ergab sich der Grenzwert aus der regelmäßigen Rechtsprechung: Ab 1,0 ng/ml begeht der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit – nur der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bisher mit zwei Nanogramm eine doppelt so hohe Grenze akzeptiert. Welche Menge das beim Konsum bedeutet, ist wie bei Alkohol nicht exakt zuordenbar: Wer gelegentlich Cannabis konsumiert (maximal ein Konsum pro Woche) und dabei einen Joint mit einem Drittel Gramm Cannabis, das wiederum einen THC-Gehalt in Höhe von zehn Prozent hat, raucht, dessen Blut enthält in den meisten Fällen acht Stunden nach dem Konsum noch mehr als ein Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum.
Wann droht die MPU nach Cannabiskonsum?
Wer erstmalig mit zu viel Cannabis am Steuer auffällt, muss künftig nicht mehr sofort zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU). Die neue Fahrerlaubnisverordnung (FEV) sieht diese erst im Wiederholungsfall vor. Folge: Ersttäter erhalten derzeit trotz weit überschrittener THC-Grenzwerte nach altem Recht eingezogene Führerscheine zurück – ohne die MPU absolviert zu haben. "Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei einer einmaligen Verkehrsteilnahme, auch mit einem deutlich überschrittenen Grenzwert, kann nicht erfolgen, sofern keine weiteren Tatsachen vorliegen, die einen künftigen Cannabismissbrauch vermuten lassen", heißt es dazu aus einer Fahrerlaubnisbehörde in Baden-Württemberg.
Führerschein-Risiko MPU
In jedem Fall ist die MPU eine große Gefahr für den Lappen: Im Rahmen dessen muss der Betroffene innerhalb von drei Monaten nachweisen, dass er kein Dauerkonsument ist. Dies ist nicht so einfach wie bei Alkohol, da sich die im Cannabis enthaltene psychoaktive Substanz THC nur sehr langsam, über Monate, im Körper abbaut – die Abbauprodukte sind noch über Wochen im Blut und über Monate im Urin nachweisbar. Der Betroffene muss aber nachweisen, dass er kein THC mehr im Blut hat – ansonsten besteht er die medizinischen Tests nicht, die der erste Teil der MPU sind (erst dann folgen der psychophysische Leistungstest und das psychologische Gespräch).
Die Nachweise kosten ebenso Geld wie die MPU selbst – eine in Bezug auf Drogenkonsum durchgeführte MPU schlägt mit circa 750 Euro zu Buche. Nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) haben im Jahr 2020 nur 55,7 Prozent der Drogen-MPU-Prüflinge die Prüfung im ersten Anlauf bestanden. 39,1 Prozent sind durchgefallen, 5,3 Prozent mussten zur Nachschulung. Da weniger als 56 Prozent der Prüflinge die MPU bestehen, ist der Führerschein mit circa 44-prozentiger Wahrscheinlichkeit erst mal weg, mit fast 40 Prozent sogar für richtig lange. Diese Gruppe gilt dann wegen Nichtbestehens der MPU als dauerhaft ungeeignet, ein Auto im öffentlichen Straßenverkehr zu bewegen.
Derzeitige Bestrafung für Cannabis am Steuer
Wen die Polizei bislang mit einem Nanogramm oder mehr THC pro Milliliter Blutserum hinterm Steuer erwischt , dem drohen heftige Strafen: Beim ersten Mal beträgt das Bußgeld 500 Euro, es gibt zwei Punkte in Flensburg und die Fahrerlaubnis ist für einen Monat weg. Beim zweiten Mal sind 1.000 Euro Bußgeld fällig, es gibt immer noch zwei Punkte und der Führerschein wandert für drei Monate zur Polizei. Beim dritten Mal erhöht sich das Bußgeld auf 1.500 Euro, Punkte und Fahrerlaubnis-Entzug bleiben im Vergleich zum zweiten Verstoß unverändert.
Vergleich zu Alkohol
Im Vergleich zu THC baut sich Alkohol im Körper mit 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde rasend schnell ab. Außerdem ist bei Alkohol ein Promillewert von bis zu 0,49 erlaubt – außer der Fahrer zeigt vorher schon Ausfallerscheinungen. Über 0,5 Promille kennt der Gesetzgeber ebenso wie bei 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum kein Pardon: Die Strafen sind identisch. Allerdings erfolgt die Anordnung einer MPU meistens erst beim zweiten Verstoß und das Bestehen der medizinischen Tests als Teil einer MPU ist wegen des schnellen Alkoholabbaus im Körper deutlich wahrscheinlicher. Allerdings haben 2020 nur 50,8 Prozent der Alkohol-MPU-Prüflinge die MPU bestanden, 41,9 Prozent sind durchgefallen, 7,3 Prozent mussten zur Nachschulung. In der Praxis scheinen 2020 also mit 55,7 zu 50,8 prozentual mehr Kiffer als Alkoholsünder die MPU geschafft zu haben.
Gefährdet der Fahrer unter Alkoholeinfluss zudem den Straßenverkehr, gibt es schon ab 0,3 Promille Blutalkohol-Konzentration eine empfindliche Strafe: Drei Punkte in Flensburg, Entziehung der Fahrerlaubnis und eine Geld- oder sogar Freiheitsstrafe machen klar, wie ernst der Gesetzgeber so einen Verstoß nimmt. Die Geld- oder Freiheitsstraße ist beim Erreichen der absoluten Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) noch mal deutlich höher, hinzu kommt eine MPU bereits beim ersten Verstoß. © auto motor und sport
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