Das Verletzungsrisiko bei Unfällen steigt im Alter deutlich an. Das zeigt eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV).
Ältere Autoinsassen, gemeint ist damit die Generation 50plus, haben ein bis zu dreieinhalbmal so hohes Verletzungsrisiko wie jüngere, sind aber bei Unfällen nicht optimal geschützt.
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"Alle schweren Crashkonstellationen sind für Insassen jenseits der fünfzig deutlich gefährlicher", sagt UDV-Leiterin Kirstin Zeidler. Zwar seien Autos immer sicherer geworden, wie der vergleichsweise geringe Anteil schwerer Verletzungen zeige: Rund 14 Prozent der verunglückten über 50-jährigen Pkw-Insassen in Deutschland verletzen sich mäßig schwer bis kritisch (2023 geschätzt rund 8.000 Personen). Doch "Gurte und Airbags haben sich in den letzten zwanzig Jahren wenig weiterentwickelt", so Zeidler. "Sie retten unzweifelhaft Leben, sind aber besonders für die wachsende Gruppe Älterer nicht ideal."
Ältere brauchen adaptive Rückhaltesysteme
Bei Unfällen arbeiteten Rückhaltesysteme wie Gurtstraffer oder Airbags meist mit maximaler Intensität und unabhängig von Unfallschwere oder Alter der Insassen. Dabei erreichten sie Kräfte, die bei Älteren schneller zu schweren Brustkorbverletzungen führten, weil Knochen brüchiger und Muskulatur schwächer seien. "Besser sind adaptive Rückhaltesysteme, die je nach Crashszenario nur so viel Kraft wie nötig auf die Insassen ausüben, um diese sicher vor dem Anprall an Fahrzeugteilen zu schützen", so Zeidler.
Auch Dummys müssen altern
Modernste Sensorik könne künftig abschätzen, wie schwer der bevorstehende Frontalunfall ausfällt und wie alt Insassen sind. Anhand dessen könnten Gurte bei moderaten Unfällen die Rückhaltekraft gezielt reduzieren, bevor der Airbag die verbliebene Energie dosiert aufnimmt und so Verletzungsfolgen mindern. "Die seit über 30 Jahren gebräuchlichen Crashtest-Dummys bilden die alternde Bevölkerung nicht ausreichend ab", so Zeidler. Die modernste Dummy-Generation (Thor) sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, ihr Einsatz müsse aber forciert und Grenzwerte für Ältere festgelegt werden.
Größe und Sitzplatz entscheidend
Aber nicht nur das Alter, auch Sitzposition, Körper- und Fahrzeuggröße beeinflussen laut UDV-Studie die Unfallfolgen: Insassen in Kleinwagen würden deutlich schwerer verletzt als in größeren, schwereren Fahrzeugen. In kleineren Autos säßen häufiger Frauen, in größeren öfter Männer. Die UDV fordert Hersteller auf, Kleinwagen sicherer zu machen und die Kompatibilität größerer Fahrzeuge zu verbessern.
Der Beifahrersitz sei bei Frontalkollisionen eineinhalbmal verletzungsgefährdeter als der Fahrersitz. Auf dem Beifahrerplatz sitzen häufiger Frauen als Männer. Das Risiko für Beifahrerinnen ist fast doppelt so hoch wie für Beifahrer. Die UDV geht davon aus, dass die im Schnitt geringere Körpergröße von Frauen hier maßgeblich sei, sieht aber weiteren Forschungsbedarf. Auch der Fahrersitz sei für Menschen kleiner Statur problematisch: Um Gas-, Brems- und Kupplungspedale bedienen zu können, müssten sie den Sitz oft dicht an die Instrumententafel schieben, was bei Frontalkollisionen zu Verletzungen unterer Extremitäten führe. Zeidler: "Die Ergonomie muss für kleine Personen besser werden, etwa mit individuell einstellbarer Pedalerie oder mehr Beinfreiheit."
Die Studienbasis
Im UDV-Forschungsprojekt wurde mittels mathematisch-statistischer Modelle untersucht, wie stark Alter, Geschlecht, Körpergröße und -gewicht von Insassen, Sitzplatz sowie Fahrzeuggröße unabhängig voneinander das Risiko mäßig schwerer bis kritischer Verletzungen bei Unfällen beeinflussen. Analysiert wurde ein repräsentativer GIDAS-Unfalldatensatz (German In-Depth Accident Study) von Pkws mit Baujahr ab 2003 und rund 12.000 erwachsenen Insassen. Davon verletzten sich rund 550 Insassen mäßig schwer bis kritisch (knapp neun Prozent der Verunglückten); für ganz Deutschland waren das 2023 geschätzt rd. 15.000 mäßig schwer bis kritisch Verletzte. © auto motor und sport
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