Die EU-Kommission will der kriselnden Autoindustrie in Europa zur Seite springen und die Zügel lockern. Im Gespräch ist die Aussetzung möglicher Strafzahlungen oder die Aufweichung des Verbrennerverbots. Gleich mehrere Sachen sollen in den nächsten Wochen umgesetzt werden. Darüber diskutiert man in Brüssel.

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Das Jahr 2025 soll das Autojahr werden. So wurde es zuletzt von vielen Seiten verkündet. Möglich wäre es, Anzeichen gibt es einige – aber eigentlich nur einen Grund. Alles dreht sich um die CO2-Reduktion, und hier wird es 2025 ernst für die Automobilbranche, dann darf der CO2-Ausstoß auf die Flotte gerechnet nur noch rund 93 g/km betragen – was heißt, dass die Marken viele E-Autos verkaufen müssen, um das Ziel zu erreichen.

Einigung mit der EU?

Unerwartet kommt nun Hilfe aus der Politik. Denn der strategische Dialog, den die EU-Kommission zurzeit mit der Autoindustrie führt und der die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit zum Ziel hat, könnte die Regeln aufweichen.

Die Situation der europäischen Industrie sei eine der Hauptprioritäten des Arbeitsprogramms der neuen Kommission, heißt es dazu aus Brüssel. Die Frage ist nun, wie weit die EU der Autoindustrie entgegenkommt. Eine Aussage aus einer Bekanntmachung der Kommission lässt tief blicken: Sie erkenne "die Dringlichkeit und den Ernst der Lage sowie die Notwendigkeit entschlossener Maßnahmen an, um den Wohlstand Europas zu schützen und gleichzeitig die Klimaziele und andere gesellschaftliche Ziele zu erreichen."

Bundeskanzler Scholz gegen Strafzahlungen

Kurzum: Gut möglich, dass die Politik in Brüssel die drohenden Strafzahlungen vorübergehend aussetzt, die nach Schätzungen die Branche bis zu fünf Milliarden Euro kosten könnten. Unterstützung gibt es dazu auch aus dem Lager der Bundesregierung. "Die hiesigen Hersteller dürfen nicht zusätzlich geschwächt werden durch drohende Strafzahlungen an Brüssel", sagt Kanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Interview mit auto motor und sport.

So verwundert es nicht, dass über dieses Zugeständnis an die Hersteller heftig diskutiert wird in Brüssel. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass man sich bereits auf diesen Vorschlag geeinigt hätte, die Strafzahlung aufzuschieben. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben, denn die EU will die Hürden für die Autoindustrie nicht zu tief setzen. So ist im Gespräch, dass Überschreitungen wie Hypotheken auf der Autoindustrie lasten sollen. Heißt: Reißt eine Marke den Grenzwert, wird das bei Unterschreitung der Vorgaben verrechnet.

Das mag sich hart anhören, aber im Grunde kann die Industrie gut damit leben. Zumal ihr die EU-Kommission auch noch an anderer Stelle entgegenkommen will. Es ist möglich, dass Brüssel vom Verbrennerverbot 2035 abweicht – zumindest in Teilen. Und zwar überlegt man aktuell, die CO2-neutralen Kraftstoffe mehr zu berücksichtigen. Das würde bedeuten, dass die Marken Verbrennermodelle auch nach dem Jahr 2035 weiter verkaufen dürfen.

Ende des Verbrenners offen

Was übrigens ebenso für Plug-in-Hybride gelten soll – unabhängig von den E-Fuels. Denn mittlerweile hat sich das Profil der Teilzeitstromer deutlich verbessert, die elektrische Reichweite ist bei vielen Modellen auf weit über 100 Kilometer gestiegen. Das scheint die EU-Kommission wohl zu goutieren.

Das alles mutet am Ende wie ein Sieg der Autoindustrie an, doch die Fahrzeughersteller sind gut beraten, den eingeschlagenen Weg nicht zu verlassen. Auch sollten sie nicht das Tempo aus der Fahrt nehmen. Die CO2-Reduktion bleibt oberstes Gebot der EU. Ohne Elektrifizierung des Antriebsstrangs dürfte die Hürde aber schwierig sein. Und ohne einen zunehmenden E-Auto-Absatz steckt die Autobranche in der Klemme.

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E-Autos weiter wichtig

Die Devise lautet: Nicht kleckern, sondern klotzen. Denn machen die Marken zu wenig, steuern sie in noch unruhigere Zeiten. Die Hilfsbereitschaft der EU könnte in diesem Fall schnell enden. Über die drohenden Strafen ließe sich dann vermutlich nicht mehr verhandeln. Und sie seien so hoch, dass bei manchen Herstellern der gesamte Profit an die EU gehen würde, wenn sie keine Veränderungen herbeiführten, so der ehemalige VW-Vertriebschef Jürgen Stackmann gegenüber dem "Manager Magazin".  © auto motor und sport

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