Außerhalb von Ferrari-Treffen ist mir nur einmal ein F40 auf der Straße entgegengekommen. Diese Begegnung in den Neunzigern war folgenreich: Sie hat bei mir den unbedingten Willen ausgelöst, den Supersportwagen zu fahren. 2013 war es so weit – und so hat es sich angefühlt.

Mehr zum Thema Mobilität

Damals wollte sich die Silhouette kaum von der Straße lösen – so flach, als wäre sie eins mit ihr. Und heute darf ich den Rennwagen fahren. Rennwagen? Der Vergleich wird oft missbraucht, stimmt aber selten bis nie. Beim F40 passt er, und das wird beim Einsteigen klar: Man klettert in eine Art Carbon-Wanne, darin zwei Schalensitze, ein nüchternes Armaturenbrett, Lenkrad, Pedale, Schalthebel und Feuerlöscher. Diese Askese sorgt für sofortige Zentriertheit mitten ins Geschehen, in die perfekt fluchtende Ergonomie.

Der Dreiliter-V8 springt ohne Theater an, auch ohne Schrei nach Aufmerksamkeit – die hat ein F40 mit seinem riesigen Flügel ohnehin. Das Triebwerk blafft sich einfach in einen leicht erhöhten, tief summenden Leerlauf. Wie bei Motoren mit 180-Grad-Kurbelwelle üblich, lässt sich die Zahl der Zylinder nicht heraushören. Wohl aber, dass da trotz zahlreicher bewegter Teile wie acht Kolben samt Pleuel, vier Nockenwellen und 32 Ventile ein schwungmassenarmer Motor arbeitet: Kurze Gasstöße klingen fast so hektisch wie bei Rennwagen.

Anfahren will geübt sein

Das sollte man auch als Warnung fürs erste Anfahren verstehen. Nicht nur, dass die Kupplung mit ihren Ausrückkräften untrainierte Waden zum Zittern bringt; ihr Schleifweg ist eher ein Schleifpunkt. Und mangels nennenswerter Schwungmasse stellt der abrupt absterbende Achtzylinder jeden bloß, dessen linkes Bein nicht genug Gefühl beweist. Der Ferrari verlangt nach Kraft, lässt seine Muskeln spielen, erwartet, dass man gegenhält. Auch beim Schalten und beim Lenken.

Auf den ersten Kilometern gondeln wir nur so dahin; der Motor will erst temperiert werden. Also früh hochschalten. Erstaunlicherweise wehrt sich das Getriebe selbst bei kaltem Öl nicht: Unter dem typischen Klacken gleitet man durch die Kulisse und stellt fest, dass der hochgezüchtete V8 sogar bei niedrigen Drehzahlen völlig zickenfrei bleibt. Er ruckt nicht, nimmt sauber Gas an, zieht ordentlich an.

Es klingt nicht danach, dass sich Dämmmaterial im Auto befindet – wie übrigens im ganzen Auto. Dennoch dröhnt der F40 nicht blechern, röhrt eher metallisch aggressiv. Und ist gar nicht mal ungehobelt laut. Kann ja während der bleibenden 5.000/min Spielraum bis zum roten Bereich bei 7.500/min noch kommen. Öl- und Wasserthermometer geben ihr Okay, und wir geben Gas – die zeitgenössischen Geschichten von den beiden schlagartig einsetzenden Turbos im Hinterkopf. Na ja, wird wohl Heldengeschwätz sein.

Ein Erlebnis für alle Sinne

3.000/min. Es zischelt. 3.500/min. Deutlicher Schub und ein flaues Gefühl als dumpfe Vorahnung. 4.000/min. Und dann: Er brüllt los, schiebt brachial an, so unglaublich selbst für heutige Verhältnisse. Es reißt den F40 nach vorn, den Kopf nach hinten, den Magen sonst wohin. Die rechte Hand sollte nahe am Schalthebel sein, denn die Nadel des Drehzahlmessers springt Richtung Begrenzer. Bei 1.254 Kilogramm Leergewicht lassen 478 PS die Gefühlslage eskalieren. Nein, es ist kein Heldengeschwätz: Es ist schiere Dramatik, die über die Jahre nichts an Ungeheuerlichkeit verloren hat. Altersmilde kennt dieser Ferrari scheinbar nicht.

Viele Vorteile mit ams+
Erhalten Sie werbereduzierten Zugang zu allen Inhalten von auto-motor-und-sport.de inkl. der digitalen Zeitschrift als E-Paper. Monatlich kündbar.

Einmal Rennwagen, immer Rennwagen. Erstaunlicherweise bekommen die 335er-Walzen an der angetriebenen Hinterachse die Leistung selbst ohne Traktionskontrolle gut auf die Straße. Es gibt auch kein ABS. Dafür ein Dauerfeuer aus Rückmeldung sowie eine unverhohlene Direktheit, wie wir sie aus aktuellen Autos nicht mehr kennen. Und im Fahrfluss eine Leichtigkeit, die man beim Kurbeln im Stand nie für möglich halten würde. Je schneller es vorwärtsgeht, desto geschmeidiger gibt sich der Ferrari. Eine Geschmeidigkeit, die mir unweigerlich klarmacht, dass ich hier in einem absoluten Traumsportwagen sitze und es geschafft habe, mir meinen lang ersehnten Wunsch, den F40 zu fahren, erfüllt habe.   © auto motor und sport

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.