Der 1.200 PS starke Ferrari F80 schraubt die Messlatte für Supersportwagen weit nach oben. Doch welches sind die extremen Details am neuen Topmodell aus Maranello?
Ferrari hat mit dem F80 nicht nur den stärksten Ferrari aller Zeiten aus den Hallen in Maranello entlassen. Die Italiener feiern mit der 1,14 Meter hohen Hybrid-Flunder gleichzeitig den Nachfolger von GTO, F40, F50, Enzo und LaFerrari. Den Vorgängern ist das jüngste Pferd im Stall überlegen – auch wegen dieser besonderen Details, die uns bei der ersten Sitzprobe aufgefallen sind.
Echtes Einsitzer-Feeling
Nicht nur optisch handelt es sich beim Ferrari F80 eigentlich um einen geschlossenen Formel-1-Wagen. Die beteiligten Designer und Ingenieure legten auch innerhalb der Kabine großen Wert auf echtes Motorsportfeeling. Und so entstand erstmals in Maranello das sogenannte "1+Konzept." Gemeint ist, dass der Fahrer eher liegend wie in einem Motorsport-Kokon komplett vom Cockpit umhüllt wird und sich wie in einem Einsitzer fühlt.
Der Beifahrer sitzt dabei etwas weiter hinten, sodass er aus dem Blickfeld des Fahrers verschwindet. Praktischer Nebeneffekt: Die Kanzel kann so auch schmaler gebaut werden. Für gemütliche Urlaubsfahrten zu zweit ist der Ferrari F80 ohnehin nicht gedacht – eher für den extremen Einsatz auf der Rennstrecke. Und da werden es die wenigen Beifahrer eines F80 in Zukunft wohl verschmerzen können, dass sich der Pilot voll auf Strecke und Cockpitanzeigen konzentrieren kann.
Alien-Querlenker aus dem 3D-Drucker
Erstmals verbaut Ferrari beim F80 keine Standard-Querlenker mehr, sondern auch Komponenten, die in sogenannten bionischen Strukturen geformt sind. Was wie die Struktur eines Alien-Raumschiffs aussieht, ist eigentlich der Natur nachempfunden. Und in der gibt es bekanntermaßen keine geraden Flächen, sondern viel stabilere und leichtere geschwungene Formen. Ferrari nutzt diese Bio-Erkenntnis und speist sie in intelligente Konstruktionsprogramme. Herausgekommen sind obere Querlenker, die am Ende mit einem 3D-Drucker hergestellt wurden.
Konstruktionsverfahren und Herstellung sind eine Premiere bei Ferrari. Dabei soll dieser Ansatz eine Reihe von Vorteilen bieten – optimiertes Layout, präzisere Radkontrolle, geringere ungefederte Massen, keinen Bedarf für einen Stabilisator und die Einführung einer speziellen Funktion zur Korrektur des Sturzes.
Stärkster V6-Motor mit Klang-Inferno
Auch wenn einige Fans vielleicht enttäuscht sein könnten, dass die Zeiten von V8-, V10- oder V12-Super-Ferraris vorbei ist – eigentlich ist die V6-Wahl nur logisch. Schließlich orientierten sich auch F40 oder F50 an der jeweiligen Motorsport- und Formel-1-Epoche. Und mittlerweile feiert Ferrari genügend Motorsport-Erfolge mit V6-Hybrid-Konzepten. Dazu dürfte dieser Dreiliter-V6 mit dem Kürzel F163CF einer der wohl stärksten seiner Art sein. Bei annähernd 9.000 Touren leistet das Aggregat 900 PS. Wie spektakulär das klingt, können Sie hier genießen:
Mit 300 PS je Liter Hubraum ist dies der Ferrari-Motor mit der höchsten spezifischen Leistung aller Zeiten. Und eigentlich entstammt das Kraftpaket dem Le-Mans-Renner 499P. Egal ob Kurbelgehäuse, Steuerketten, Ölpumpenkreislauf, Lager oder Einspritzdüsen und -pumpen – alle wichtigen Komponenten entstammen dem Motorsport. Im F80 wird der Antriebsstrang allerdings noch ergänzt durch die erstmals in einem Ferrari eingesetzte elektrische Turbotechnologie (E-Turbo).
Abgasturbolader mit E-Unterstützung
Eigentlich handelt es sich auch bei den zwei Turboladern, die auf dem heißen 120-Grad-V der zwei Zylinderblöcke thronen, um Hybrid-Komponenten. Schließlich werden sie nicht nur vom heißen Abgasstrahl aus jeweils drei Krümmer-Rohren befeuert, sondern zusätzlich von kleinen E-Maschinen. Die kommen gerade für schnelleres Ansprechverhalten und bei niedrigeren Drehzahlen zum Einsatz, während sich der Abgasstrom erst aufbauen muss.
Der Elektromotor sitzt dafür genau zwischen Abgasrad und Verdichterschaufel des Turboladers und kann diesen in Sekundenbruchteile auf Trab bringen. Turboloch? Vergangenheit! Das Beste: die zwei E-Maschinen können auch als Generator arbeiten und den Abgasstrom in elektrische Energie umwandeln, die wiederum im Akku für den nächsten Sprint gespeichert wird. Übrigens sind in den Steuergeräten spezifische Kennlinien für die E-Turbos hinterlegt, die sich je nach Gang und Last unterscheiden.
Aktive Riesen-Theke und mehr als eine Tonne Abtrieb
Der F80 treibt auch die aerodynamische Leistung auf ein Niveau, das bislang noch kein Ferrari mit Straßenzulassung erreicht hat. Dabei brachten die Entwickler auch ihr Know-How aus der Formel-1 und der Langstrecken-Weltmeisterschaft mit ein. So entwickelt allein die Frontpartie des Ferrari F80 einen Gesamtabtrieb von 460 Kilogramm (bei Tempo 250). Dabei funktioniert der in Wagenfarbe lackierte Mittelteil der Nase als Haupt-Wirkungsfläche des Frontflügels. Innerhalb des schmalen Luftkanals (S-Duct) befinden sich zudem zwei Klappen, um einen sogenannten Dreideckerflügel zu erzeugen (wie ein Doppeldecker – nur eben mit drei Flügeln übereinander). Dabei sind die Krümmungen und Luftschlitze vom erfolgreichen Langstreckenrenner und Le-Mans-Sieger 499P inspiriert.
Das Fahrzeugheck erzeugt bei 250 km/h weitere 590 Kilo Abtrieb. Der entsteht durch die Kombination aus Heckflügel und Unterboden-Diffusor. Letzter ist 1,80 Meter lang und beginnt bereits kurz hinter der Fahrzeugmitte. Um das Ausdehnungsvolumen des Diffusors zu vergrößern, wurde die Motor-Getriebe-Einheit um 1,3 Grad (z-Achse) geneigt. So entsteht bei höheren Geschwindigkeiten ein großes Unterdruckvolumen unter dem Heck, was den Wagen an den Boden saugt. Unterstützt wird dieser Effekt durch den gewaltigen, aktiven Heckspoiler darüber. Der lässt sich bis zu 11 Grad gegen den Luftstrom anstellen und erzeugt dann mehr als 180 Kilogramm Abtrieb bei 250 km/h. Insgesamt kann der Ferrari F80 bei diesem Tempo 1.050 Kilogramm Anpressdruck für maximale Track-Performance erzeugen.
Erstmals Allradantrieb ohne extra Getriebe oder Differenzial
Erstmals darf ein Supersportler aus Maranello mit oben erwähnter Historie als Allradler bezeichnet werden. Auch wenn der Verbrennungsmotor seine gewaltige Kraft von 900 PS und 850 Newtonmeter an die Hinterräder schickt, so machen den Vorderrädern zwei E-Maschinen Beine. Und die wurden sogar erstmals von Ferrari selbst entwickelt – samt Wechselrichter und integriertem Kühlsystem. Beim F80 ist der Wechselrichter direkt in die Achse integriert und wiegt nur neun Kilogramm – damit ist er deutlich leichter als beispielsweise beim SF90 Stradale.
Zusammen mit den beiden E-Maschinen wiegt die komplette Einheit nur 61,5 Kilogramm. Weil jede E-Maschine für je ein Vorderrad zuständig ist, realisiert Ferrari obendrein sogenanntes Torque-Vectoring. Die Vorderräder können also mit unterschiedlichen Drehmomenten beaufschlagt werden. Insgesamt sorgt der Vorderachs-Antrieb für 210 kW Extraleistung – in alter Währung wären das rund 285 PS. Und dafür braucht der Ferrari F80 nicht einmal ein Verteilergetriebe oder Differenzial. Offiziell sprechen die Italiener hier vom e-4WD-Konzept. © auto motor und sport
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