Das vergangene Jahr lief finanziell überraschend gut für den Volkswagen-Konzern – trotz Chipmangel und Ukraine-Krieg. Bis zum Jahresende 2022 wuchs das operative Ergebnis von Europas größtem Autobauer auf 22,5 Milliarden Euro, die Netto-Liquidität damit auf 43 Milliarden Euro. Für die kommenden Jahre zeichnete die Konzernspitze am Anfang des Jahres ein optimistisches Bild. "2023 wird ein entscheidendes Jahr, um strategische Ziele umzusetzen und den Fortschritt des Konzerns zu beschleunigen", sagt Volkswagen-Chef Oliver Blume auf der Jahrespressekonferenz in Berlin.

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Das gute Jahres-Endergebnis ist allerdings auf den Porsche-Börsengang zurückzuführen, der dem VW-Konzern 20 Milliarden Euro in die Kassen spülte. Mitte 2023 haben die Wolfsburger nun mit mangelndem Absatz an Elektroautos und großen Investitionen in das Verbrenner-Ende zu kämpfen – obwohl der E-Anteil an den Gesamtauslieferungen in diesem Jahr von sieben auf acht bis zehn Prozent anwachsen soll. Dennoch rechnet der Konzern auch in den kommenden Jahren mit kräftigen Gewinnen und will diese reinvestieren. Bis 2027 planen die Wolfsburger mit Investitionen von 180 Milliarden Euro. In der vorangegangenen Planungsrunde waren es noch 159 Milliarden Euro.

Kommenden zwei Jahre werden die teuersten

Gegenüber dem Handelsblatt macht VW-Finanzchef Arno Antlitz eine Rechnung auf. Demnach würden die kommenden zwei bis drei Jahre die "finanziell belastendsten" für den Konzern werden. Zusätzliches Kapital wäre also hilfreich. Reichlich davon sei dabei laut Antlitz in mehr als 250 Firmenbeteiligungen gebunden. Hierbei handelt es sich laut Geschäftsbericht um einen Buchwert von rund 15 Milliarden Euro.

Um Spielraum für künftige Zukäufe im Bereich der Elektromobilität oder Digitalisierung zu schaffen, könne der Volkswagen-Konzern solche Randbeteiligungen nun verstärkt verkaufen. Derzeit sei man dabei, das Beteiligungsportfolio in Gruppen einzuteilen – nach strategisch relevanten und rein finanziellen Beteiligungen. Bei letzten "sehen wir uns genau an, ob es strategisch sinnvoll ist, uns von bestehenden, nicht kontrollierten Beteiligungen zu trennen", sagte Antlitz dem Handelsblatt. Konkreter wurde der Finanzchef nicht.

Elektrifizierung und Digitalisierung

Der Hauptgrund für den Anstieg der geplanten Kosten: Für den Aufbau von Zellfabriken des Batterie-Start-ups PowerCo und die nötige Rohstoffsicherung will VW zusätzliche 15 Milliarden Euro freischaufeln. Bis 2030 soll die PowerCo einen Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden Euro erwirtschaften. Der Höhepunkt der Investitionsleistungen soll 2025 erreicht sein und danach kontinuierlich sinken.

Mehr als zwei Drittel des Gesamt-Investments entfallen auf die Kernbereiche Digitalisierung und Elektrifizierung. Denn bereits 2025 soll jedes fünfte verkaufte Fahrzeug weltweit über einen reinen Elektroantrieb verfügen. Im vergangenen Jahr erreichte der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge an den Gesamtauslieferungen den Rekordwert von sieben Prozent. Derzeit liegt der Auftragsbestand im gesamten Modellportfolio aller Marken bei 1,8 Millionen Fahrzeugen. Vor allem vom bezahlbaren Elektro-Kleinwagen ID. 2all (siehe Galerie) versprechen sich die Wolfsburger viel.

Erstes Batterie-Zellwerk in Kanada

Von den gewaltigen Investitionssummen soll Kanada profitieren. Denn hier in St. Thomas / Ontario, nahe der US-amerikanischen Grenze bei Detroit, soll die erste Batteriezell-Fabrik für den VW-Konzern außerhalb Europas entstehen. Das Zellwerk wird ein entscheidender Schritt, um den so wichtigen nordamerikanischen Markt zu versorgen. Schon Anfang März hatte der Konzern verkündet, ein Produktionswerk für die US-Traditionsmarke Scout in South Carolina zu bauen. Hier sollen ab 2026 elektrische Pickups und SUV vom Band rollen.

Einzelheiten zur neuen "Gigafabrik" in Kanada will Volkswagen in den nächsten Wochen veröffentlichen. Doch schon jetzt betont man in Wolfsburg, dass die Standortwahl wegen der guten Rohstoffversorgung und dem Zugang zu ausreichend grünem Strom getroffen wurde. Wie bei allen Standortfragen üblich, werden Investitionsanreize ausschlaggebend gewesen sein.

Gesamtumsatz gestiegen

Den Vergleich zum Vorjahr 2021 zieht der VW-Konzern bereits jetzt. Der Umsatz stieg um zwölf Prozent auf 279 Milliarden Euro. Das Nettoergebnis liegt mit 15,8 Milliarden Euro 2,6 Prozent über dem Vorjahr. Spitzenreiter bei der Rendite waren 2022 die im Chipmangel bevorzugten Premiummarken Audi, Porsche, Lamborghini und Bentley mit 12,6 Prozent. Ein Jahr zuvor lag die Rendite hier noch bei 10,6 Prozent.

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Entscheidend für den Erfolg des Konzerns ist insbesondere China. Nicht umsonst soll ein markenübergreifendes "China-Board" in Zukunft die Synergien aller Marken verbessern und die Entwicklung vor Ort beschleunigen. Für den Software-Bereich hat Volkswagen bereits Cariad China gegründet, um ein China-spezifisches Technologiekonzept voranzutreiben.  © auto motor und sport

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