Das sogenannte Verbrenner-Aus war überflüssig und falsch, sein angedeutetes, aber von EVP und FDP schon gefeiertes Aus wird das des Verbrenners nicht verhindern – verschieben vielleicht schon. Das ist schlecht, weil es die Dekarbonisierung des Autoverkehrs verzögert. Kommentar.

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Am 18. Juli 2024 hat das EU-Parlament Ursula von der Leyen (CDU) zur EU-Kommissionspräsidentin wiedergewählt. In ihren politischen Leitlinien für die kommenden fünf Jahre kündigte sie eine "gezielte Änderung der Verordnung" für das Verbrenner-Aus ab 2035 an. Das ist nicht unbedingt ein Paukenschlag, denn die Verordnung zum Verbrenner-Aus für Pkw enthält eine Revisionsklausel, die eine Überprüfung der Pläne im Jahr 2026 vorsieht. Aber von der Leyen sprach sich nun für eine Zulassung von synthetischen Kraftstoffen für Pkw, sogenannte E-Fuels, aus. Dagegen muss man nichts haben, man könnte bei Betrachtung der Fakten allenfalls zu der Ansicht gelangen, das sei unnötig. Denn es wird auf absehbare Zeit schlicht so wenig E-Fuels geben, dass sie nicht mal für den Flugverkehr reichen, wo sie aktuell noch alternativlos zur Dekarbonisierung scheinen.

Fürs Klima braucht’s keine Technologieoffenheit

Weiter meinte die neue und alte Kommissionspräsidentin aber: Zur Erreichung der Klimaziele, sei "ein technologieneutraler Ansatz erforderlich". Bezogen auf die Antriebslösung für den Pkw-Verkehr ist das schlicht falsch. Die Technologie zur Dekarbonisierung des Pkw-Antriebs ist nicht nur von der Wissenschaft eindeutig identifiziert, es gibt sie bereits in der Praxis: Sie heißt E-Auto und fährt trotz aller Gegenwehr inzwischen millionenfach auf unseren Straßen. Ja, für den Verbraucher ist sie vielfach von Optimallösung noch weit entfernt. Denn es gibt zahlreiche Hindernisse. Aber die sind nicht unüberwindbar, die Lösung der Probleme hängt vom politischen Willen ab.

Der scheint bei weiten Teilen der Politik vor allem dafür vorhanden, den Verbrenner zu retten. Womöglich auch, weil man das für Volkes Wille hält und sich Zustimmung in Form von Wählerstimmen erhofft. Da dürfte allerdings eine Fehlinterpretation vorliegen: Was Autofahrer, zu denen auch der Autor gehört, wollen, ist: Mobilität soll nicht teurer werden, das Auto soll seine Transportaufgaben im Alltag so meistern können, wie bislang – solange es keine attraktiven Alternativen gibt. Merken Sie was? Der Verbrenner kam in diesem Anforderungskatalog nicht vor. Von ein paar Enthusiasten (auch da zählt sich der Autor dazu) mal abgesehen, dürfte das Anforderungsprofil dennoch richtig beschrieben sein, aber Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel (und wird es mutmaßlich auch beim Verbrenner geben).

E-Fuels sind für Pkw keine Lösung

Aber warum noch mal sollen wir uns überhaupt vom Verbrenner verabschieden, wo er doch unser Anforderungsprofil erfüllt? Da gelangt man wieder zurück zu Ursula von der Leyen: Zur Erreichung der Klimaziele, sprich zur Reduktion der Treibhausgasemissionen. Verbrennungsmotoren haben uns die letzten 100 Jahre hervorragend vorangebracht, aber CO₂-Neutralität gehört nicht zu ihrer DNA. Daran werden E-Fuels wenig ändern – aus folgenden Gründen:

  • Bei der Verbrennung von E-Fuels entsteht CO₂, das ist Chemie. Nur (im aktuell noch nicht realisierten) Idealfall ist es CO₂, das schon zuvor in der Atmosphäre war. Selbst dann ist die Frage nach der CO₂-Neutralität fast schon philosophisch. Denn CO₂ aus der Atmosphäre zu entnehmen, wäre ja im positiven Sinne klimawirksam – es wieder dorthin zu entlassen nicht.
  • CO₂ aus der Atmosphäre zurückzugewinnen ist zudem eine (vor allem Energie-)aufwendige Angelegenheit.
  • Womit man beim generellen Problem von E-Fuels ist: Ein damit betriebener Pkw braucht 8- bis 10-mal so viel Energie (aus Erneuerbaren, sonst wird’s nix mit CO₂-Neutralität). An diesem physikalisch begründeten Verhältnis wird auch keine Technologie, für die man künftig offen sein mag, etwas ändern.
  • Die Nachfrage nach Grünstrom wird global auf absehbare Zeit hoch bleiben. Keine guten Voraussetzungen für günstige Preise.
  • Entscheidender: Wegen des enormen Energiebedarfs ist es schwierig, die ungeheuren benötigten Mengen an klimaneutralem Treibstoff zu erzeugen – egal wo auf der Welt der Wind weht, die Sonne scheint und genug kostbares Wasser (für den Wasserstoff) vorhanden sein mag.
  • Vom sich daraus ergebenden Anlagen- und Transportaufwand mal abgesehen.

Dass ausgerechnet Politik aus CDU und FDP, denen gemeinhin eine hohe Wirtschaftskompetenz zugeschrieben wird, an den zugrundeliegenden und Preis entscheidenden Fakten vorbei argumentieren, macht misstrauisch. Was will man mit dem Aus fürs sogenannte Verbrenner-Aus erreichen (es ist keines, weil Benziner und Diesel auch nach 2035 so oder so noch fahren werden, nur die Neuzulassung von Fahrzeugen, die CO₂ emittieren, soll danach nicht mehr möglich sein)?

Ist der Kampf für E-Fuels einer für den Verbrenner?

Weiter fahren mit fossilem Sprit, weil E-Fuels dann ohne Subventionen viel zu teuer sind? Es klingt so, wenn die "Bild" Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU, zitiert: "Nur Ausnahmen vom Verbrenner-Verbot zuzulassen, reicht nicht. Eine Schlüsselkompetenz Europas würde dann doch schleichend verloren gehen, während in China der Verbrenner weiterentwickelt wird."

Selbst das China-Argument verfängt nicht: Die europäische Autoindustrie hat erkannt, dass es mit dem Verbrennungsmotor nach gut 160 Jahren zu Ende geht. "Die Zukunft des Autos ist elektrisch", sagt beispielsweise Audi-Chef Gernot Döllner stellvertretend, auch wenn einige Autobauer zuletzt Investitionen in Verbrenner angekündigt bzw. betont haben. Damit China hier nicht überholt. Denn ja: Außerhalb Europas haben Benziner und Diesel womöglich noch eine längere Zukunft. Vielleicht aber gar nicht mal so sehr in China.

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China überholt nicht bei Verbrennern, sondern hat schon – bei E-Autos

Dort, auf dem größten Automarkt der Welt, wächst der E-Auto-Anteil an den Neuzulassungen mit schwindelerregender Geschwindigkeit und die dortige Industrie hat die unsere bei der E-Auto-Technologie nach einhelliger Meinung längst überholt, vielleicht weil sie zu lange gezögert hat, in die neue Technologie voll einzusteigen. Bei den Verbrennern gelten die Europäer nach wie vor als führend. Nur nützt den Deutschen beispielsweise immer weniger, weil sie dafür auf ihrem wichtigsten Absatzmarkt (China) immer weniger Kunden finden.  © auto motor und sport

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