Die Mercedes S-Klasse der Baureihe 126 war zu ihrer Blütezeit ein beliebtes Tuning-Objekt. Dabei gab es mehrere besonders interessante Umbauten mit der Bezeichnung 1000 SEL. Wir stellen einige von ihnen vor.

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Wer sich gut an die Mercedes S-Klasse der Baureihe 126 erinnern kann, weiß es genau: Ab Werk ging es bei der Oberklasse-Limousine und beim SEC-Coupé nicht über den 560er mit seinem bis zu 299 PS starken 5,5-Liter-V8 hinaus. Echte Experten wissen dagegen: In der Blütezeit des dicken Mercedes trugen einige Exemplare sogar die Modellbezeichnung "1000 SEL". Mercedes selbst hatte damit allerdings nichts zu tun. Vielmehr waren es Tuner und Coachbuilder, die es sich nicht nehmen ließen, besonders breite Typenbezeichnungen auf dem Kofferraumdeckel des 126ers zu platzieren.

Video: Mercedes 500 SEL (W126)

Mercedes 1000 SEL von Autosalon 2000

Viele von ihnen sind längst von der Bildfläche verschwunden. Sie trugen illustre Namen wie Chameleon Car, Kugok Exclusives oder Autosalon 2000. Letzterer residierte einst in Miami, Florida, und kreierte einen 1000 SEL Super Sport. Allerdings nicht, wie das SEL-Kürzel suggeriert, auf Basis der Limousine mit langem Radstand, sondern als umgebauten 560 SEC. Dabei zogen die Amerikaner alle Register des zweifelhaften Tuning-Geschmacks: Breitbau-Karosserie mit Fake-Lufteinlässen, 16-Zoll-Tiefbett-Felgen von Ronal und ein Interieur der belgischen Firma Carat by Duchatelet, die uns später erneut begegnen wird.

Wer übrigens glaubt, ein derart fragwürdiges Beispiel der typischen Tuning-Exzesse der Achtzigerjahre wäre heute nichts mehr wert, muss umdenken: Im Sommer 2019 ging ein weißes 1000-SEL-Exemplar des Autosalon 2000 bei einer RM-Sothebys-Auktion für satte 99.000 Dollar (aktuell umgerechnet fast 90.000 Euro) weg. Zum Vergleich: Für den halben Preis gibt es zuhauf 560er SECs im tadellosen Serienzustand.

Brabus Mercedes 1000 SEL

Mercedes-W-126-Ableitungen mit der Modellbezeichnung 1000 SEL gab es aber auch von Firmen mit heute noch klangvollem Namen. Von Brabus zum Beispiel: Die Tuning-Instanz aus dem Ruhrgebiet führte in den Achtzigern ebenfalls einen 1000 SEL im Programm. Die Truppe aus Bottrop ging die Sache jedoch deutlich subtiler an als ihre amerikanischen Kollegen. Dezent stärker ausmodellierte Schürzen und Schweller, getönte Seitenscheiben, BBS-Kreuzspeichen-Felgen und innen Leder im Überfluss – hier erscheint der Begriff "Veredelung" gerechtfertigt.

Motorseitig war auf Kundenwunsch sicher einiges möglich – alles eine Frage des Preises. Oder auch nichts wie bei einem Exemplar, das gegen Jahresende 2018 bei der US-Auktionsplattform "Bring a Trailer" angeboten wurde. Der M117-V8 aus dem 500 SEL wurde hier unverändert übernommen. Der Fünfliter-V8 leistete demnach 231 PS und lieferte darüber hinaus maximal 405 Newtonmeter. Für die Schaltvorgänge war weiterhin die gemütliche Standard-Viergang-Automatik zuständig. Der schwarze Brabus 1000 SEL war damals übrigens ein echtes Schnäppchen und ging für gerade einmal 9.000 Dollar (heute umgerechnet fast 8.300 Euro) über den Ladentisch.

Trasco Mercedes 1000 SEL 44

Die Bremer Firma Trasco beließ es bei ihrem Mercedes 1000 SEL 44 nicht einmal bei der ab Werk angebotenen Langversion. Hier handelt es sich um eine waschechte Stretch-Limousine von 6,28 Meter Länge, wobei die Schnapszahl in der Modellbezeichnung für das Maß der Verlängerung in Inches steht. Der 44er ist also satte 1,12 Meter länger als der Standard-SEL, während der Trasco 1000 SEL 12 um immerhin 30 Zentimeter draufsattelte und das mittlere 36er-Modell um 91 Zentimeter in Ost-West-Richtung wuchs.

Heute hat sich Trasco Bremen auf gepanzerte Fahrzeuge spezialisiert. In ihrer Anfangszeit in den frühen Achtzigerjahren ging dagegen nicht jedes Modell in Sonderschutzausführung zu den Kundinnen und Kunden. Leichte optische Änderungen in Form von Frontspoiler-Stoßfängern oder Vinyldächern gehörten dagegen ebenso zum guten Ton wie opulenter Luxus im Innenraum. Minibars und eine separate Klimaregelung für den Fond waren ebenso machbar wie die Installation eines TV-Geräts.

Carat by Duchatelet Mercedes 1000 SEL

Auf feinste Innenraum-Veredelungen ist die Firma Carat by Duchatelet auch heute noch spezialisiert. Zu Zeiten des 126ers führte Mercedes die Umbauten der Belgier sogar im offiziellen S-Klasse-Katalog und vertrieb sie über das eigene Händlernetz. Stern und Typenbezeichnung durften die Edel-Mercedes dann jedoch nicht mehr auf oder an der Karosserie tragen, weshalb sich Carat by Duchatelet bei einigen Exemplaren ebenfalls für die Zahlen-Buchstaben-Kombination 1000 SEL entschieden hatte. Ein solcher ist von außen nur anhand des goldenen Schriftzuges am Heck zu erkennen. Die Post geht jedoch im Innenraum ab. Im Angebot für den großen Mercedes befanden sich Dinge wie Wurzelholzeinlagen für die Türinnenverkleidungen, eine Armlehne aus Wurzelholz und Tische im Fond, ein Fernseher mit Ablagebox im Armaturenbrett, ein Mini-Kühlschrank und Vorhänge für die hinteren Seitenscheiben.

Einen wahrnehmbaren Effekt auf Verkaufspreise scheint das spezielle Interieur heutzutage allerdings nicht zu haben. Erst kürzlich wurde im Internet ein 1000 SEL von Carat by Duchatelet für 38.000 Dollar (gut 34.400 Euro) versteigert. Dabei kostete der Neuwagen einst knapp 400.000 Mark – allerdings handelte es sich beim damals in der auto motor und sport vorgestellten Exemplar um die um 45 Zentimeter verlängerte Extralarge-Version "Allongée Diamond". Die Belgier hatten der Redaktion damals sogar einen Testwagen zur Verfügung gestellt. Autor Eckhard Eybl fuhr allerdings nicht selbst, sondern ließ sich von einem mitgelieferten Chauffeur stilvoll und -echt von A nach B bringen, wobei er diesem ab und an "die Feinheiten des Stuttgarter Stoßverkehrs" vermitteln musste. Es scheinen vergleichsweise entspannte Arbeitstage für Eybl gewesen zu sein.

Gemballa Mercedes 1001 SEL

1000 SEL? Das wusste die unvergessene Tuning-Ikone Uwe Gemballa sogar noch zu überbieten. Die Leonberger Firma baute den Mercedes W 126 in den Achtzigern zum 1001 SEL um. Warum gerade diese Modellbezeichnung? Eine naheliegende Interpretation wäre, dass Gemballas Stammkundschaft damals vorrangig im Mittleren Osten beheimatet war. Und von dort stammt die bekannte Geschichtssammlung "Tausendundeine Nacht", die als Inspirationsquelle für den Autonamen gedient haben könnte. Vielleicht wollte Gemballa aber auch einfach nur die anderen 1000er toppen. Der Mann strebte schließlich nach Superlativen.

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Davon zeugt auch sein Luxusliner auf Mercedes-Basis, von dem es ein Exemplar sogar ins "Emirates National Auto Museum" in Abu-Dhabi geschafft hat. Bei diesem Modell hatte Gemballa alle Register der Tuning-Kunst gezogen: Vielschichtiger Lack mit Echtgold-Akzenten und ein Innenraum, der nicht nur vor Luxus, sondern – nach damaligen Maßstäben – vor Hightech strotzt: Fernseher mit Videorekorder, Stereoanlage, Minibar, Edelholz und ein Extra-Schiebedach über dem Fond sind nur die Spitze des Eisbergs. Entsprechend teuer war ein Gemballa 1001 SEL seinerzeit: Zeitgenössische Quellen nennen einen Einstiegspreis von 350.000 Mark.

Noch ein ganzes Eck teurer, nämlich 400.000 Mark plus Basisfahrzeug, war der 5000 SEL, den Gemballa 1984 auf Mercedes-500-SEL-Basis für einen Kunden in Nahost baute. Sieht der Umbau bis zur C-Säule trotz flacher SEC-Haube, Breitreifen samt ausgestellter Kotflügel, Schwellerleisten und weiterer Anbauteile noch einigermaßen dezent aus, stellt der Tuning-Benz am Heck das eigene Geschmacksempfinden auf die Probe. Denn der dortige Flügel weist nicht nur XXL-Format auf, sondern thront auch noch mitten auf und nicht hinten am Kofferraumdeckel. "Das war halt alles Kundenwunsch", rechtfertigte sich Gemballa in einem Artikel in einer zeitgenössischen auto motor und sport. Darin ist übrigens auch von "schlüpferfarbener Seide" die Rede, mit der das Gestühl bezogen gewesen sei.  © auto motor und sport

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