Im Straßenverkehr lauern oft Gefahr, Frust und Streit. Lesen Sie hier aktuelle und aufschlussreiche Urteile sowie allgemeine Infos aus dem Verkehrsrecht. Bei den Urteilen handelt es sich zwar meist um Einzelfallentscheidungen, doch sind sie lehrreich und vielfach auch Warnung.

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Unfall und nicht angeschnallt: Wann Gurtmuffel für Fremdschäden zahlen müssen

Update vom 05. September: Ein Gurt kann Leben retten. In Autos mit vorgeschriebenen Sicherheitsgurten müssen sich in der Regel alle Insassen unterwegs anschnallen. Wer das nicht tut, muss bei erlittenen eigenen Schäden womöglich mithaften. Doch auch, wenn durch das eigene Fehlverhalten andere Mitfahrer verletzt werden, können Gurtmuffel haftbar gemacht werden. Das stellt eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln klar. (Az.: 3 U 81/23, noch nicht rechtskräftig)

  • Der Fall: Im konkreten Fall ging es um einen schweren Verkehrsunfall, bei dem sich eine Mitfahrerin auf dem Rücksitz nicht angeschnallt hatte und es so zu schweren Verletzungen bei der davor Sitzenden gekommen war. Die Versicherung des Unfallverursachers in einem zweiten Auto wollte im Nachgang 70 Prozent der von ihr bislang an die Verletzte geleisteten Zahlungen in sechsstelliger Höhe und künftige Verpflichtungen ersetzt bekommen. Dabei führte sie ein Gutachten eines Sachverständigen an, der die schweren Verletzungen der Betroffenen im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Brustkorbs auf das Nichtanschnallen der hinten Sitzenden zurückführte. Die Versicherung zog vor Gericht.
  • Das Urteil: Das OLG Köln urteilte prinzipiell: Fahrzeuginsassen, die sich entgegen der Gurtpflicht (Paragraf 21a Abs. 1 der Straßenverkehrs-Ordnung) nicht anschnallen, können nicht nur haftbar gemacht werden, wenn sie selbst geschädigt werden, sondern auch dann, wenn sie dadurch andere Mitfahrer verletzen. Allerdings: Im konkreten Fall wurde die Klage der Versicherung abgewiesen.

Der beim Unfall ums Leben gekommene Verursacher und Versicherungsnehmer am Steuer des anderen Autos war nicht nur stark alkoholisiert (1,76 Promille) unterwegs. Er war zudem mit weit überhöhtem Tempo gefahren – er hatte zwischen 150 und 160 km/h anstelle der erlaubten 70 km/h auf dem Tacho gehabt. Dieses strafwürdige, grob verkehrswidrige und rücksichtslose Verhalten sorgte dafür, dass die vom OLG Köln festgestellte, grundsätzlich mögliche Mithaftung der nicht angeschnallten Mitfahrerin hier zurücktrat. (dpa/bearbeitet von ff)

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Wer trägt die Schuld bei einem Unfall mit offener Autotür?

Update vom 23. August: Kracht ein Auto gegen die geöffnete Tür eines geparkten Autos, kann es sein, dass beide Unfallbeteiligten hälftig haften müssen. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken, auf das der ADAC hinweist. (Az.: 3 U 16/24)

In dem Fall hatte ein Fahrer sein Auto am rechten Fahrbahnrand abgestellt, eine Tür war Richtung zur Straßenseite geöffnet. Ein von hinten herannahendes Fahrzeug fuhr dagegen. Dessen Fahrer forderte Schadenersatz. Die Versicherung des Halters des geparkten Autos wollte aber nicht zahlen. Ihre Begründung: Die Tür sei bereits geöffnet gewesen, darum sei der Vorbeifahrende schuld. Das sah dieser anders: Die Tür sei noch weiter geöffnet worden, während er vorbeifuhr, sodass sein Seitenabstand nicht mehr ausgereicht habe.

Das Oberlandesgericht entschied schließlich, dass beide Unfallbeteiligten den Schaden je zur Hälfte zahlen müssten. Bei so einem unklaren Unfallhergang dürfe der Vorbeifahrende nicht allein haften. So hatte sich nicht klären lassen, ob die Tür beim Vorbeifahren tatsächlich weiter geöffnet worden war. Ansonsten hätte der Seitenabstand von zunächst 55 Zentimetern womöglich ausgereicht. (dpa/bearbeitet von mak)

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Was viele nicht über dieses Schild wissen

Schild „Eingeschränktes Haltverbot“
Schild: Eingeschränktes Halteverbot © dpa/Robert Michael

Update vom 20. August: Wer sein Auto verlässt oder länger als drei Minuten hält, der parkt. Auf diese Regel in der Straßenverkehrs-Ordnung weist die Prüfgesellschaft Dekra hin. Und Parken ist verboten, wenn das runde Schild mit einem roten Balken quer durchs Blau ein eingeschränktes Halteverbot verkündet.

Konkret heißt das: Jemanden an so einer Stelle aussteigen zu lassen, ist in Ordnung - wenn es maximal drei Minuten dauert. Ebenso, selbst auszusteigen und innerhalb dieser Zeit zum Beispiel etwas auszuladen. Wer aber beispielsweise beim Bäcker hält und kurz im Laden verschwindet, "verlässt" sein Auto, weil er es nicht mehr im Blick hat. Dadurch kann man es nicht jederzeit wegfahren. Das ist also nicht erlaubt, selbst wenn der Stopp für den Brötchenkauf weniger als drei Minuten dauert.

Verboten ist gemäß der Drei-Minuten-Regel natürlich auch, länger als drei Minuten im eingeschränkten Halteverbot zu stehen, auch wenn man die ganze Zeit im Auto sitzt. Dasselbe gilt übrigens beim Halten an einer Parkuhr. Bleibt man mehr als drei Minuten dort stehen, ohne einen Parkschein zu ziehen, kann es laut Dekra Ärger geben.

Es gibt eine Ausnahme

Ausnahme von der Drei-Minuten-Regel: Hält jemand im eingeschränkten Halteverbot und bringt etwa eine hilfsbedürftige Person an die Haustür, darf es auch etwas länger dauern, so die Prüfgesellschaft.

Gut zu wissen

  • Neben dem "blauen Parkausweis" gibt es außerdem noch den "orangefarbenen Parkausweis". Er ist eine Parkerleichterung für besondere Gruppen schwerbehinderter Menschen und gilt deutschlandweit. Besitzer eines "orangefarbenen Parkausweises" dürfen bis zu drei Stunden an Stellen, an denen das eingeschränkte Halteverbot angeordnet ist, parken. Die Ankunftszeit muss sich aus der Einstellung auf einer Parkscheibe ergeben. Darauf weist das Bundesministerium des Innern und für Heimat hin.

Achtung: Im Unterschied zum eingeschränkten ist im absoluten Halteverbot gar keine gewollte Fahrtunterbrechung erlaubt. Das absolute Halteverbot ist erkennbar an zwei roten Balken, die sich in der Mitte des runden Schildes kreuzen. (dpa/bearbeitet von mak)

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Lkw überholt auf Autobahn - wie lange darf das dauern?

Update vom 10. August: Sogenannte Elefantenrennen kennen wohl die meisten, die auf Autobahnen unterwegs sind: Ein Lkw benötigt gefühlte Ewigkeiten auf der linken Spur, bis er an anderen Lastern vorbeigezogen ist. Da braucht es Geduld von allen, die währenddessen dahinter feststecken. Solche Überholmanöver sind allerdings nur erlaubt, wenn der Überholende mit wesentlich höherem Tempo als der Überholkandidat fährt.

112, 116117 oder doch 110? Mit diesen Notfallnummern können Sie Leben retten

Ein Kind läuft blau an, der Partner greift sich stöhnend an die Brust oder die Nachbarin hat versehentlich das Quecksilberthermometer fallen gelassen – alles Szenarien, bei denen schnelles Eingreifen notwendig ist. Im Video wird erklärt, welche Notrufnummer in welchem Fall angerufen werden muss.

Von einem Verstoß ist in der Regel dann auszugehen, wenn die Differenzgeschwindigkeit weniger als 10 km/h beträgt, teilt der ADAC mit. Doch wie weist man das nach?

Ein Gerichtsbeschluss zeigt: Beruht der Vorwurf auf den Angaben eines Zeugen, muss genau erörtert werden, auf welcher Grundlage der die Überholzeit eingeschätzt hat. Ein Gefühl allein reicht dann nicht aus, so ein Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts, auf den der Automobilklub in dem Zusammenhang hinweist. (Az.: 202 ObOWi 90/24)

  • Der Fall: Einem Lkw-Fahrer wurde vorgeworfen, mit seinem Sattelzug auf der Autobahn zwei vor ihm fahrende Fahrzeuge zu langsam überholt zu haben. Für das Manöver hat er nach Angaben eines Polizisten, der die Situation beobachtet hatte, mehr als eine Minute benötigt, wodurch sich der dahinter rollende Verkehr staute. Bei einer Differenzgeschwindigkeit von 10 km/h hätte der Überholvorgang den Angaben zufolge nur 45 Sekunden gedauert. So lautete der Vorwurf an den Mann, einen zu geringen Tempounterschied beim Überholen gehabt zu haben. Zudem hätte er beim Wiedereinscheren auf die rechte Spur den Mindestabstand nicht eingehalten.
  • Das Urteil: Was folgte, war ein Bußgeldbescheid in Höhe von 200 Euro und ein Monat Fahrverbot. Der Betroffene bestritt die Vorwürfe und legte Einspruch ein. Doch das Amtsgericht in erster Instanz verurteilte den Lkw-Fahrer zunächst, wogegen er eine Rechtsbeschwerde einlegte - mit Erfolg. Das Bayerische Oberste Landesgericht gab der Beschwerde statt. Dessen Ansicht nach wurde nicht hinreichend klar bewiesen, dass die Ordnungswidrigkeiten begangen wurden. Es wurde demnach nicht dargelegt, wie der Zeuge - ein Polizist in einem Streifenwagen - die Schätzung vorgenommen habe. Eine rein gefühlsmäßige Einschätzung reicht nicht aus. Der Polizist hätte laut ADAC genau darlegen müssen, wie er zu der Annahme kam. Beispielsweise, in dem er erörtert hätte, von wo an er gezählt und ob er Markierungszeichen oder andere objektivierbare Zeitkomponenten genutzt hat. Der Fall ging deshalb zurück an das Amtsgericht. Auch beim Abstandsverstoß müsste eine erneute Prüfung erfolgen, entschied das Landesgericht.

(dpa/bearbeitet von ff)

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Verwendete Quellen

  • Material der dpa
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