Ein Kia hat auf einer Landstraße in Lengnau (Schweiz) einen Auffahrunfall verursacht. Der EV 6 blieb unbeleuchtet stehen, der Hintermann fuhr auf. In ersten Medienberichten hieß es, das Auto habe ohne Vorwarnung angehalten, ein Zusammenhang mit einem Rückruf wegen defekter Ladesteuereinheiten (ICCU) sei naheliegend.
Wie die Kantonspolizei Aargau gegenüber auto motor und sport mitteilt, könne von einem plötzlichen Halt jedoch nicht die Rede sein. Die Ermittlungen würden noch laufen, aber: "Bereits jetzt lässt sich die Annahme widerlegen, dass der Wagen wie aus dem Nichts zum Stillstand gekommen sei", so ein Sprecher. Warnleuchten hätten bereits "vor Antritt der Fahrt eine Störung angezeigt". Entgegen der Empfehlung der Betriebsanleitung, den Wagen stehenzulassen und einen Vertragshändler zu kontaktieren, habe sich die Fahrerin ihren Angaben zufolge "entschlossen, den kurzen Weg nach Hause trotzdem anzutreten", so der Sprecher. Der EV 6 habe dann während der Fahrt seine Geschwindigkeit stark reduziert. Mit eingeschaltetem Warnblinker sei die Lenkerin weitergerollt, bis der Wagen schließlich von selbst gestoppt habe, so die Schilderung der Kantonspolizei, die sich mit Informationen von Kia gegenüber auto motor und sport deckt: Erst nach vier verschiedenen akustischen und visuellen Warnungen und einer deutlichen Verlangsamung der Fahrt ("Turtle Mode") bleibe der Wagen laut Hersteller stehen. "Das heißt, der Fahrer muss zuvor sämtliche Warnungen ignoriert und die Fahrt mit verminderter Leistung fortgesetzt haben", so eine Sprecherin.
Stillstand durch Defekt?
Obwohl mutmaßlich menschliches Versagen in der Schweiz Hauptunfallursache war, ist im Nachbarland ein Zusammenhang mit einer bekannten Problematik wahrscheinlich: Wegen Defekten mit der Ladesteuereinheit (ICCU) entlädt sich die 12-Volt-Bordbatterie während der Fahrt, was irgendwann zum Stillstand führt.
Das Problem betrifft nicht nur Kia. In Deutschland bezieht sich der Rückruf auf 19.078 Kia EV 6, 46.604 Hyundai Ioniq 5 und 6 sowie 1.477 Genesis G 80, GV 60 und GV 70. Insgesamt geht es um 67.159 Fahrzeuge aller drei Marken. Bei Kia sind EV 6 aus dem Produktionszeitraum 20. April 2021 bis 28. Februar 2024 betroffen, bei Hyundai geht es um die Zeit zwischen dem 13. Januar 2021 und dem 4. März 2024, bei Genesis um Autos aus den Baujahren 2021 bis 2024. Laut Rückruf-Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg führt Hyundai zunächst ein Software-Update durch und ersetzt gegebenenfalls die ICCU samt Sicherung. Bei Genesis und Kia ist es ähnlich.
Kein Licht, kein Warnblinker, kein Vortrieb
Kia erklärt, dass seit dem Beginn des Rückrufs im Juli 2024 "rund 80 Prozent der betroffenen Fahrzeuge" in den Werkstätten gewesen seien. Seit neuestem gebe es eine "weiterführende Softwareaktualisierung, welche die Steuerungslogik der ICCU nochmals optimiert. Dieses Update wird für die Kunden im Zuge des nächsten Werkstattbesuches (Inspektion, Räderwechsel usw.) aufgespielt."
Die Lade-Steuereinheit kümmert sich um das Wechselstromladen (AC) und versorgt das 12-Volt-Bordnetz sowie die 230-Volt-Steckdose an Bord mit Strom. Unserer Redaktion liegen auch Fallschilderungen von Hyundai-Fahrern vor, in denen es ohne Vorwarnung zum außerplanmäßigen Halt kam. So ist der Hyundai Ioniq 5 eines Lesers aus der Nähe von Karlsruhe seinen Angaben zufolge auf der Landstraße immer langsamer geworden: kein Licht, kein Warnblinker, kein Vortrieb. Zech kann das Auto noch nach Hause schieben, aber sein Fazit ist eindeutig: "Eine sehr schlechte Nummer und teils echt gefährlich!" Christian Kück aus Lüdinghausen (NRW) ist Elektroingenieur und ebenfalls Fahrer eines Ioniq 5. Nachdem auch er liegen geblieben war, beschaffte er sich die ICCU und untersuchte sie. Sein Fazit: Sie ist eventuell eine Fehlkonstruktion – die Leiterbahnen auf den Platinen könnten zu lang sein, was Störungen und Verschleiß fördere. Aus Eintragungen im Forum "GoingElectric" hat Kück errechnet, dass die mittlere Lebensdauer des Bauteils nur etwa 33.500 Kilometer beträgt. © auto motor und sport
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