Der bedeutendste Satz in einer erfolgreichen Beziehung, so informiert die Studie eines Psychologenpaares mit 50 Jahren Praxis (als Paar oder Psychologen, fragt man sich), sei ein einziges Wort: "Danke". Womit wir wissen, wie es gelingt, durch Wertschätzung eine Beziehung zu bewahren. Um eine zu beginnen, genügt bei der T-Klasse eine leichte Abwandlung der abgedroschensten aller Anmach-Phrasen: "Haben wir uns nicht schon irgendwo drei Mal gesehen?" Oh ja, haben wir. Der Kastenkombi hatte bei uns bereits Auftritte als Renault Kangoo, Nissan Townstar und Mercedes Citan. Nun kommt seine in Prominenz und Klassifizierung der Personenwagenmodelle erhobene Version als T-Klasse.
Video: Erster Check: Mercedes T-Klasse
Mehr noch als der Citan dekoriert der Mercedes T seine Lieferwagen- und Kangoo-Abstammung mit einer hochwertigen, eigenständigen Cockpitkulisse und eben auch dem sprachbegabten MBUX-Infotainment. Dazu takelt Mercedes den Edition mit einer ansehnlichen, gut gedrillten Assistenzarmada, Navigation und Sitzheizung auf. Ob das genügt, um sich gegen den VW Caddy zu behaupten? Der kommt wie der Mercedes T 180 mit Turbobenziner und Siebengang-Doppelkuppler, aber als zu sachter Abenteuerlichkeit aufgetakelter PanAmericana. Wobei man sich mit dem vorderradgetriebenen VW nicht so unbedingt in den wüsteren Abschnitten dieses über 48.000 km langen Straßennetzes zwischen Alaska und Feuerland verheddern möchte. Selbst die wirkungsmächtigsten Unterschiede des PanAmericana im Vergleich zu anderen Caddys – rempelrobustere, unlackierte Stoßfänger, Radlaufbeplankungen und je ein "silbern durchfärbter Design-Unterfahrschutz" vorn und hinten – lassen es nicht angeraten erscheinen, sich weit aus der Kulisse der Verwegenheit hinauszuwagen.
Sehr weit reichen dagegen die Vorzüge des VW Caddy beim Platzangebot. Obgleich in den Dimensionen nur unwesentlich stattlicher als der Mercedes T, schafft er ein erheblich üppigeres Interieur. Bereits das Minimalvolumen des Kofferraums übertrifft jenes der Mercedes T-Klasse um 233 Liter, beim Maximalvolumen sind es gar 527 Liter. Dazu bringt er vor allem die Fondpassagiere viel ungedrängter unter – mit 10,5 Zentimetern mehr Breite, mit 3,5 mehr an Normsitzraum und dazu noch auf der für drei Kindersitze ausreichend dimensionierten, viel bequemeren Rückbank.
Jene der T-Klasse ist schmal, hart, die Lehne steil und kurz. Vorne reist es sich den Maßen nach etwa so hoch- und breiträumig wie im VW, doch nicht auf komfortablen Ergonomie-Sesseln (VW: 357 Euro), sondern auf harten, schwach ausgeformten Sitzen. Die müssen weit vorrücken, damit die Lehne der Rückbank beim Umklappen an ihnen vorbeikommt. Das mindert den Vorteil der an sich grandios einfachen und zweckmäßigen Variabilität der T-Klasse. Tauchen bei ihr doch Bank und Lehne mit zwei Handgriffen zu einer Ebene ab. Beim VW Caddy geht mit dem Umklappen der Umstand gerade erst los.
Was trümmert uns das?
Das fängt mit der Monstrosität der zweiteiligen Rückbank an. Klappen nur die beiden Lehnenteile um, steht der Rest als Podest im Laderaum. Um den einzuebnen, gilt es, die Bankteile nach vorn zu wickeln. Damit die beim Beschleunigen nicht umrumsen, brauchen die Trümmer den Halt zweier Stangen, die wie Stützpfeiler in die Zweieinhalb-Kubikmeter-Ladehalle ragen. Es bestünde doch gewiss die Möglichkeit, die beiden Bankteile herauszunehmen, meinen Sie? Na, dann machen Sie mal. Aber klären Sie – wenn wir dazu raten dürfen – zuvor ab, ob Ihr Orthopäde morgen einen Termin frei hat, um Ihnen die Bandscheibe wieder einzusortieren. Oder um zu checken, wie groß der Bruch ist, den Sie sich gelupft haben. Es gilt ja nicht nur, das Mobiliar – in Sperrigkeit und Gewicht stattlichen Küchenbüfetts fast ebenbürtig – aus dem Auto hinaus-, sondern zur Lagerung auch irgendwo unterzubringen.
Das erweist sich – neben der tölpelhaften Bedienung mit Tastschiebern für Klima und Lautstärke, der irrwegigen Infotainment-Struktur und thematisch wirr zusammengruppierten Bedienfeldern – als größter Nachteil des VW Caddy 1.5 TSI. Ansonsten zählt er wie die Mercedes T-Klasse zu den alltagspraktischsten Autos, die es in der Vier-Meter-fünfzig-Klasse gibt. Kindern beim Einsteigen und Anschnallen helfen gelingt verrenkungslos mit großen Schiebetüren. Die Fülle an Ablagen übertrifft selbst den Volumenbedarf engagiert gepackter Damenhandtaschen (zu dem, was da an für Männer wohl Unvorstellbarem drin ist, ein schönes Zitat von Barbara Schöneberger: "Mit meiner Handtasche könnte ich jederzeit das Land verlassen").
Ein heiterer Schwenk
Für 340 Euro extra krönt sich der Mercedes T 180 mit der vom Kangoo initiierten Dachreling. Sie lässt sich ohne Werkzeug zu einem Grundträger umschwenken, stabil genug, um einen Familiensatz Fahrräder draufzuschnallen oder einen Kanadier (also das Ruderboot, nicht den lieben Onkel aus Winnipeg). Das zählt – wie das Ablageregal vorn, die von Kindern stets bejubelten Klapptische bei beiden oder die Telefontäschchen an den Sitzlehnen des VW Caddy – zu den cleversten Alltagsgeschicklichkeiten.
Genau die können im Trubel des Familienlebens eine viel höhere Wertschätzung erlangen als etwa Fahrdynamik. Gern wird hier an den früheren eigenen Kastenkombi in Familienbesitz erinnert. Dort antwortete die wunderbarste aller Ehefrauen auf die Frage, wie der Wagen denn so fahre, mit dem begeisterten Hinweis, ein Kinderwagen ließe sich unzusammengeklappt in den Laderaum stellen. Was wiederum die Prioritäten recht passend zu den Talenten jenes Kastenkombis einsortierte.
Trotz der Vorkenntnis, es gehe bei Kastenkombis mehr auf Transport- als Vergnügungstalent, schwenken wir nun zum Thema Fahren um. Weil wir es eben für ein Auto schon als eher essenziell einschätzen. Dabei geht die Mercedes T-Klasse Kurven schon wegen der schludrigen Rückmeldung in der nicht sehr präzisen Lenkung arg trübsinnig an. Ja, stimmt, das ist alles viel behänder, agiler und motivierter, vergleicht man die T-Klasse mit der Vorgängergeneration. Doch jener Citan war so ziemlich das störrischste Biest, das sich je auf Landstraßen missvergnügt hat. Aus Angst vor Übersteuern/Untersteuern/Lastwechseln/Seitenneigung/Wildwechseln/dem Leben an sich bockte das ESP und brachte den Kasten selbst in mild angegangenen Kurven fast zum Stillstand. Nun ringt sich der Mercedes T 180 durch, die zu durchfahren. Noch immer besteht kaum Anlass zur Sorge, es könne während des Vorgangs eines Richtungswechsels zu solch heiteren Unzüchtigkeiten kommen, welche die Begrifflichkeit des Handlings verlangten. Wobei man dafür eh keinen Blick hätte, versperren doch die massigen A-Säulen und Außenspiegel die Sicht auf den Kurvenlauf.
Läuft dagegen im VW Caddy 1.5 TSI. Also das mit den Kurven, wenngleich auch er sich mit dem hohen Aufbau mitunter zum Wanken, aber nie zum Bezirzer der Landstraßen aufschwingt. Doch steuert seine Lenkung viel präziser, und statt die Rückmeldung wie der Mercedes größtenteils ganz zu verschweigen, vernuschelt sie der VW nur etwas. Doch für einen Kastenkombi kurvt er durchaus agil und exakt, vor allem sehr sicher umher. Bei zu viel Eile schubbert er sich in herkömmliches Untersteuern hinein. Das ESP – eh seltener gefordert als im Mercedes – greift sachter, doch bei Bedarf ohne Zaudern ins Geschehen ein.
Dass der VW unbeschwerter fährt, liegt auch daran, dass er mit 505 kg gar nicht mal so viel zuladen darf. Dabei ist sein Fahrwerk darauf ausgelegt. Der Ära der Blattfeder gelang es ja, sich beim Caddy bis Ende 2020 auszudehnen. Auch für die neue Generation im Quermodulbau konstruierten die Entwickler eine eigene Hinterachse: starr, mit Längslenkern und Panhardstab (eine Erfindung aus den 1890ern vom französischen Autohersteller Panhard & Levassor – wir hatten da noch ein bisschen unnützes Wissen von 2023 übrig). Damit die Konstruktion nicht in den Laderaum ragt, dort Ladevolumen und -breite mindert, sind nur die Schraubenfedern vertikal angeordnet, die Dämpfer aber getrennt davon und schräg. Die straffe Abstimmung spricht rempelig auf kurze Unebenheiten an, bekommt den Aufbau in Kurven und nach langen Wellen aber schneller in den Griff und beruhigt. Der Mercedes T 180 federt sachter an, bei gröberen Unebenheiten kommt seine Hinterachse aber ins Katapulten, die Karosserie ist viel mehr in Bewegung.
Im Eifer des Geflechts
Zur Fortbewegung motorisiert den Mercedes ein kernigerer 1,4-Liter-Turbobenziner mit 131 PS, hier doppelverkuppelt mit dem Siebenganggetriebe. Damit spurtet der Mercedes T etwas drangvoller. Aber obwohl der hektisch und schon von kleinen Gaspedalmodulationen aufgescheucht schaltende Doppelkuppler in Rollphasen eifrig den Leerlauf einlegt, verbraucht der T 180 im Test mit 8,4 l S/100 km noch mehr als der VW (7,9 l S). Dessen 1,5-Liter-Turbobenziner mag es mit 17 PS/20 Nm weniger des Öfteren an Durchsetzungsfähigkeit mangeln und der Doppelkupplungsbox zwar nie an Eifer, das durch Gangwechsel zu kompensieren, aber öfter am passenden Timing dafür.
Doch damit kann man sich noch besser arrangieren als mit dem Preis des VW Caddy. Der liegt ausstattungsbereinigt noch mal rund 5.000 Euro über der T-Klasse, die auch schon mercedesig bepreist ist. Doch während es den Caddy, den Gewinner hier, nur ein weiteres Mal gibt – als baugleichen Ford Tourneo – kennen T-Klasse-Interessenten ja gleich drei, dazu günstigere Gleichbau-Alternativen. Womit wir zum Schluss kommen. Da wollen wir, Beziehungs-weise, wie wir sind, noch sagen: Danke fürs Lesen. © auto motor und sport
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