Hindenburg Research hat den Betrug bei Nikola aufgedeckt – und erhebt jetzt schwere Betrugs-Vorwürfe gegen einen der größten Online-Gebrauchtwagen-Händler der USA.

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Bilanzmanipulationen und faule Kredite – US-Leerverkäufer Hindenburg Research erhebt schwere Vorwürfe gegen Carvana. Das Unternehmen ist einer der größten Online-Gebrauchtwagen-Händler der USA. Hindenburg Research hat weltweit Bekanntheit mit Betrugsvorwürfen gegen das US-Wasserstoff-Lkw-Start-up Nikola erlangt. Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC leitete daraufhin Untersuchungen gegen Nikola ein, die im Dezember 2021 für das Start-up eine Strafzahlung in Höhe von 125 Millionen Dollar zur Folge hatten. Beim Elektroauto-Start-up Lordstown hatte Hindenburg Research auf künstlich aufgeblasene Vorbestellungszahlen hingewiesen – im Juni 2023 hat Lordstown Insolvenz beantragt. Der auf Investitionen in fallende Aktienkurse (Shorts) spezialisierte Investor ist für seine gründlichen Recherchen gefürchtet, was die Situation für Carvana ernst macht.

Als Überschrift für seinen Bericht hat Hindenburg Research "Carvana: Ein Vater-Sohn-Buchhaltungsbetrug für die Ewigkeit" (Carvana: A Father-Son Accounting Grift For The Ages) gewählt. Mitgründer und Chef von Carvana ist Ernest Garcia III, sein Vater ist der Multi-Milliardär Ernest Garcia II, dem der US-Gebrauchtwagen-Händler Drive Time gehört, und der die Mehrheit an Carvana hält. Laut Forbes bekannte er sich 1990 wegen eines Bankbetrugs schuldig.

Schneller Erfolg und schneller Misserfolg

Carvana ist in den USA für seine aktuell 30 mehrstöckigen Verkaufsautomaten bekannt, an denen Kunden vollautomatisiert gebrauchte Autos kaufen können. Im März 2020 hat Carvana wegen der Pandemie kontaktlose Fahrzeug-Auslieferungen eingeführt und so die Zahl seiner Fahrzeugverkäufe im zweiten Quartal 2020 um 25 Prozent gesteigert. Nachdem Carvana als der am schnellsten wachsende Gebrauchtwagen-Händler der USA gegolten hatte, musste das Unternehmen Mai 2022 wegen nicht mehr erfüllter Wachstums-Erwartungen zwölf Prozent seiner Belegschaft (2.500 Mitarbeiter) entlassen. 2024 hat Carvana aus Kosteneinsparungs-Gründen weitere 4.000 Mitarbeiter entlassen.

Hindenburg Research wirft Carvana in seinem neuesten Report vor, Investitionsgelder durch Hintertüren an Investoren weiterzureichen, die dann ihre Unternehmensanteile zu Geld machen. Betriebsverluste würden die Carvana-Buchhalter kreativ in Ausgaben verstecken. Zusammen mit einem stetigen Strom an Subprime-Krediten (Kredite für Personen mit geringer Kreditwürdigkeit) hätte Carvana so seinen Aktienwert enorm nach oben gepusht.

Verworrene Buchhaltungs-Tricks

Eine eventuelle wirtschaftliche Erholung, die dem Unternehmen kürzlich gelungen sein soll, bezeichnen die Verantwortlichen von Hindenburg Research als Fata Morgana – diesen Begriff hat der Investor bereits genutzt, um auf möglicherweise aufgeblasene Vorbestellungszahlen bei Lordstown hinzuweisen. Die Zahlen seien auf ein verworrenes Netz aus Buchhaltungs-Tricks und weiteren zwielichtigen Praktiken zurückzuführen. Kurz bevor die Carvana-Aktie im Jahr 2022 um 99 Prozent an Wert verlor, soll Hauptanteils-Eigner Ernest Garcia II Carvana-Aktien im Wert von 3,6 Milliarden Dollar verkauft haben. Nachdem der Aktienwert wieder um 42 Prozent angestiegen waren, soll Ernest Garcia II ein weiteres Aktienpaket im Wert von 1,4 Milliarden Dollar verkauft haben.

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Carvanas wirtschaftliche Probleme sollen von der Entwicklung der Gebrauchtwagen-Preise im Zuge der Pandemie herrühren. Während und kurz nach der Pandemie waren die Gebrauchtwagen-Preise auf einem Höhepunkt, da die Autohersteller mit der Neuwagen-Produktion nicht hinterherkamen – unter anderem wegen der Chipkrise. Also musste auch Carvana hohe Preise für Gebrauchtwagen bezahlen. Anscheinend fielen die Preise für gebrauchte Fahrzeuge dann schneller und stärker als vermutet, was Carvana in eine wirtschaftliche Schieflage gebracht hat.

Wie es jetzt für Carvana weitergeht, ist offen. Möglicherweise nimmt die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC Ermittlungen auf, was den Aktienkurs von Carvana wahrscheinlich weiter unter Druck setzen würde.  © auto motor und sport

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