Ein Start-up aus Schleswig-Holstein bietet Elektro-Umbauten auf Basis klassischer Porsche 911 an. Die Modelle Blitz und Blitzster vertrauen auf Großserien-Technik.
Erst 2019 hat Max Carstensen das Unternehmen Revive Automotive gegründet. Und sich sofort etwas getraut, das viele Autofreunde als Sakrileg betrachten dürften: In Heide, gelegen in der Nähe des Schleswig-Holsteinischen Wattenmeers, bauen Carstensens Mitarbeiter klassische Porsche-911-Modelle zu reinen Elektroautos um. Die ersten Autos der Norddeutschen wurden 2022 fertig und waren Elektromods auf Basis des 911 G-Modells in Coupé- und Targa-Form. Inzwischen verwandeln Carstensen und seine Mitstreiter ebenso den Ur-Elfer in ein Elektroauto. Nachdem die Norddeutschen das Modell anfangs als Revive One angeboten hatten, lautet die Modellbezeichnung inzwischen Revive Blitz.
Der elektrifizierte Elfers vertraut – wo es sinnvoll ist – auf Großserien-Technik, die "minimalinvasiv" (O-Ton Carstensen) in den Porsche integriert wird. E-Motor, Inverter – beides kommt von Bosch – und das selbst entwickelte Getriebe stützen sich zusammen mit der hinteren Batterie an den originalen Aufnahmepunkten im Heck und an der werksseitigen Getriebeaufnahme ab. Dadurch bleibt die Möglichkeit erhalten, den Porsche auf seinen ursprünglichen Verbrennerantrieb zurückzubauen. Wer das in Erwägung zieht, kann die originalen Antriebsteile von der Revive-Truppe professionell konservieren und verpacken lassen, damit später bei Bedarf der Matching-Numbers-Status erhalten bleibt.
Antrieb und Akku des Revive Blitz
Vorn sitzt im Revive Blitz ein weiterer Energiespeicher neben der 12-Volt-Batterie und dem Kompressor für die optionale Klimaanlage. Diese Aufteilung führt Revive Automotive zufolge zu einer ausgewogenen Gewichtsverteilung. Apropos: Mit Leergewichten zwischen 1.230 (Ur-911) und 1.320 Kilogramm (G-Modell, jeweils als Coupé) soll der Revive Blitz nur etwa 100 bis 200 Kilogramm schwerer sein als das jeweilige Original mit Boxermotor.
Die Norddeutschen bieten mehrere Antriebsoptionen für ihren Blitz an. Die Leistungsspanne erstreckt sich von 120 kW (163 PS) bis 220 kW (299 PS). In seiner stärksten Variante ist der Elektro-Elfer demnach deutlich stärker als das Basisfahrzeug und bietet dem damaligen 911 Turbo 3.3 mit dem Werks-Code 930 Paroli. Das maximale Drehmoment beträgt 330 Newtonmeter und erreicht damit fast das Niveau des 911 Turbo 3.0. Der Elektro-Sportwagen beschleunigt im schnellsten Fall in 4,5 Sekunden von Null auf Hundert und erreicht höchstens 200 km/h. Eine aufpreispflichtige Flüssigkeitskühlung für die Batterie soll sich darüber hinaus positiv auf das Leistungsvermögen der Akkus und des Fahrzeugs auswirken.
Die Batteriepakete, die aus Zellen aus dem VW-Regal bestehen, bieten zusammen eine Kapazität von 54 Kilowattstunden. Das soll für eine realistische Reichweite von 350 Kilometern reichen. Das 400-Volt-System bietet serienmäßig die Möglichkeit, an Gleichstrom-Schnellladern mit höchstens 75 kW neue Energie zu zapfen. Per Wechselstrom sind bis zu sieben kW möglich. Die vorhandene Elektrik bleibt – mit Ausnahme des Motor-Kabelbaums – übrigens erhalten.
Revive Blitzster
Noch ein bisschen stärker ist der Revive Blitzster, in den Carstensen und Co. auf Wunsch neben dem Ur-Elfer und dem G-Modell auch den ersten Turbo (Porsche 930) verwandeln. Hier kommt der Elektroantrieb auf bis zu 300 kW (410 PS), was den E-Porsche in 4,2 Sekunden von Null auf Hundert sowie auf höchstens 225 km/h beschleunigen lässt. Bei gleichen Eckdaten für Batterie- und Ladetechnik wie beim Blitz kommt der Blitzster trotz höherer Leistung mit 350 Kilometern genauso weit.
Optik außen und innen
Selbst 911-Kenner müssen ganz genau hinschauen, um das Elektro-Geheimnis des Revive Blitz zu entdecken: Die Norddeutschen nehmen lediglich minimale Änderungen an der Karosserie vor. Letztlich bringen nur die fehlenden Auspuffrohre die Betrachterinnen und Betrachter auf die richtige Spur. Erst bei offener Heckklappe wird klar, dass der ursprüngliche Sechszylinder-Boxer einem Elektromotor gewichen ist, den die Truppe aus Heide aufgeräumt im begrenzten Bauraum unterbringt. Der Ladeanschluss befindet sich dort, wo beim Original einst der Tankverschluss saß.
Innen sieht es ähnlich aus: Erst die Instrumente verraten, dass dieser 911 Strom statt Benzin tankt. Die originalen VDO-Instrumente modernisiert Revive, indem die Zeiger nun deutlich präziser als zuvor angesteuert werden. Der Tacho erhält eine neue Skalierung, statt der Tank- gibt es eine Füllstandsanzeige für die Batterie und der zentral angeordnete Drehzahlmesser weicht einer Leistungsanzeige mit In- und Output in Kilowatt. Weitere subtile Änderungen betreffen einzelne Bedienelemente: Über neue Tasten auf der originalen Mittelkonsole können die Fahrerinnen und Fahrer den Ladevorgang stoppen oder einen der drei Fahrmodi Eco, Normal und Sport wählen. Der vorhandene Schalthebel dient als Automatik-Wählhebel.
Indem Fahrwerk und Bremsanlage – guter Zustand vorausgesetzt – unangetastet bleiben und auch keine modernen Fahrassistenz-Systeme einziehen, soll das puristische Elfer-Fahrfeeling weitgehend erhalten bleiben. Wer möchte, kann aber auch in dieser Hinsicht aufrüsten: Optional bietet Revive ein Bilstein-Fahrwerk sowie eine neue Bremsanlage aus dem Hause Zimmermann an.
Preis und Verfügbarkeit
Dass es so den Revive Blitz und Blitzster nicht zum Discount-Tarif gibt, überrascht nicht. Für Kundinnen und Kunden in Deutschland kostet der Umbau mindestens 83.300 Euro. Hinzu kommt das Basisauto, das sie selbst stellen oder von Revive beschaffen lassen können. Wer trotzdem fürchtet, klassische Porsche 911 werden durch die Elektrifizierung beliebig, kann sich von Max Carstensen und seinen Mitstreitern beruhigen lassen. Eigenen Angaben zufolge lassen die aktuellen Kapazitäten maximal 15 Umbauten pro Jahr zu. Dennoch strebt die Firma Wachstum und Weiterentwicklungen an: Inzwischen baut sie ebenfalls den Ur-Bulli VW T1 zum Elektriker um. Ursprüngliche Pläne sahen zudem vor, einen elektrischen Porsche 964 auf den Markt bringen.
Hinweis: Im Video nach dem ersten Absatz präsentieren wir Ihnen einen weiteren Porsche-911-Elektro-Umbau, für den die Firma Everrati verantwortlich zeichnet. © auto motor und sport
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