Viele Elektroautofahrer warten auf Vehicle-2-Grid und -Home-Lösungen. Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur stellte bereits eine Roadmap für die kommenden Jahre vor. Jetzt reagiert die Bundesregierung. Ab 2025 könnte es losgehen.

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Das Elektroauto gilt als einer der Wegbereiter der Energiewende. Denn durch die großen Akkus der Fahrzeuge können Überproduktionen bei Photovoltaik- (PV) und Windenergie zwischengespeichert und einem bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Stromnetz eingespeist werden.

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Bislang fehlte aber noch eine rechtliche und technische Grundlage. Zudem steht die Standardisierung in vielen Bereichen noch aus; es fehlt an entsprechenden Fahrzeugen und Ladestationen. Der Beirat der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur bei der bundeseigenen NOW GmbH hat eine Roadmap für die Einführung des diskriminierungsfreien bidirektionalen Ladens (BDL) in Deutschland vorgestellt. Die Roadmap basiert auf einer Analyse des Status quo und möglicher Anwendungsfälle für Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Grid (V2G) und beschreibt einen Fahrplan mit konkreten Handlungsempfehlungen für Politik, Standardisierungsgremien und die Industrie.

Bundesregierung will Bürokratie abschaffen

Die Bundesregierung möchte die derzeitige Situation im Stromsteuerrecht für mehr Flexibilität auf dem Energiemarkt verbessern. Mit einem Gesetzentwurf zur "Modernisierung und Bürokratie-Abbau im Strom- und Energiesteuerrecht" sollen Elektroauto-Fahrer in Zukunft durch bidirektionales Laden keinen Nachteil haben. Das heißt, dass sie steuerrechtlich nicht zu Versorgern werden und damit extra Steuern zahlen müssten.

Die steuerliche Erleichterung scheint aber vor allem sogenannte Vehicle-to-Home-Anwender zu gelten – also jene, die den Akku ihres Autos als Energie-Puffer für die eigene Hausversorgung nutzen. In Beamtensprache drückt man sich hierzu natürlich möglichst kompliziert aus. Eine Kostprobe? Bittesehr:

"Soweit Stromspeicher nicht als Teile des Versorgungsnetzes gelten und soweit Strom, der in einer Kundenanlage zur Zwischenspeicherung entnommen wird, zu versteuern ist, unterliegt dieser nach Rückumwandlung und Entnahme in dieser Kundenanlage in dem Verhältnis zu der insgesamt im Veranlagungsjahr zur Zwischenspeicherung entnommenen Strommenge nicht erneut der Versteuerung."

Ganz nach Abschaffung von Bürokratie klingt das freilich nicht. Doch immerhin reagiert die Bundesregierung mit diesem ersten Schritt auf die komplizierte Rechtslage und die Empfehlungen des Beirats der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur.

2025 startet das bidirektionale Laden

Nach den Prognosen des Beirats werden ab 2025 erste marktreife V2H-Anwendungen erwartet, wodurch die Akkus in den E-Autos zur Stromversorgung von Häusern genutzt werden können. Frühestens 2027 rechnen die Experten damit, dass nennenswerte V2G-Anwendungen folgen, bei denen die Auto-Akkus auch Energie ins Stromnetz abgeben werden, um etwa lokale Lastspitzen auszugleichen. Für 2028 wird ein Hochlauf interoperabler und standardisierter Lösungen für V2H und V2G erwartet, wodurch die Systeme preislich attraktiver und vielfältig kombinierbar werden. Das setzt allerdings voraus, dass bis dahin die entsprechenden Standards festgelegt und regulatorische sowie technische Weichenstellungen umgesetzt sind.

Das Ziel muss es nach den Experten daher sein, Plug-and-play-Lösungen zu schaffen. Das heißt, Systeme und Hardware verschiedener Anbieter müssen miteinander kompatibel sein. Der Beirat betont zudem die Notwendigkeit, bestehende Hindernisse im aktuellen rechtlichen Rahmen für die Stromspeicherung und den zurückgespeisten Strom zu beseitigen. Denn aktuell besteht für die Energie im E-Auto-Akku noch die Verpflichtung, für jeden Lade- und Entladevorgang beispielsweise Netzentgelte zu bezahlen, was das bidirektionale Laden für viele mögliche Anwendungen unwirtschaftlich macht. Als Vorbild sehen Experten hier etwa die Sonderregelung, die bereits bei Pumpspeicherkraftwerken gilt, die etwa von einem Teil der anfallenden Netzentgelte befreit sind.

Daten sind das Herz der V2G-Technik

Ein weiteres Handlungsfeld sehen die Macher der Roadmap seitens der Datenverfügbarkeit. Bisher fehle es europaweit an einer einheitlichen Regelung, wie Nutzer auf Daten der Stromnetze, der Fahrzeuge und den Energiebedarfen zugreifen und sie Aggregatoren oder Dienstleistern zur Verfügung stellen können.

Johannes Pallasch, Sprecher der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur und Bereichsleiter bei der NOW GmbH, betont: "Das bidirektionale Laden bietet nicht nur den Nutzern zusätzliche Möglichkeiten, sondern trägt auch zur Flexibilisierung des Energieangebots bei. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen und allen zugänglich zu machen, müssen bestehende Hürden beseitigt werden. Die Roadmap zeigt den Weg, wie wir in Deutschland bis 2028 marktfähige Lösungen erreichen und diese Vision in die Realität umsetzen können."

Welche Möglichkeiten die Technologie hinter Vehicle-2-Grid für die Energiewende bietet, können Sie im V2G-Simulator des Start-ups Lade sehen:

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Der Rechner zeigt: Hätten wir bereits heute die angestrebten Ausbauziele bei Wind und PV der Bundesregierung für 2030 erreicht und die prognostizierten fünf Millionen BDL-fähigen E-Autos im Feld, wäre allein in den ersten beiden Märzwochen dieses Jahres der Anteil der Erneuerbaren im Strommix um knapp fünf Prozent gesteigert worden. Betrachtet man einen der ertragreichen Sommermonate im Mai oder Juni 2023, wäre teilweise 13 Prozent mehr grüne Energie im Strommix.  © auto motor und sport

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