Der Gründer hatte die Rechte an dem E-Lieferwagen einst der Post verkauft. Nach Besitzerwechsel und Insolvenz sollte es das große Schuh-Comeback bei Streetscooter geben. Nun gibt es erneut eine heftige Wendung. Die Insolvenz vor Augen soll die Produktion nach Thailand verlagert werden.

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Für Streetscooter, den vorrangig von der Deutschen Post und dem Paket-Lieferanten DHL eingesetzten Elektro-Lieferwagen, zeichnete sich Anfang des Jahres eine positive Zukunft ab. Die e.Volution GmbH von Prof. Günther Schuh mit Sitz in Aachen hatte unmittelbar nach Eröffnung der Insolvenz über die Nob Manufacturing GmbH den Betrieb und das Anlagevermögen der Gesellschaft zum 01.01.2024 übernommen.

Video: Der elektrische Streetscooter von DHL

e.Volution ist für die Transaktion eine strategische Partnerschaft mit Neapco eingegangen, welche die elektrischen Zustellerfahrzeuge, die früher Streetscooter genannt wurden, als Auftragsfertiger in Düren montiert. Neapco hatte dazu die Betriebsmittel für die Fahrzeugmontage in Düren von der DHL Group erworben. Der Hochschul-Professor mit Lehrstuhl an der RWTH Aachen hatte die Streetscooter GmbH 2010 gegründet, den aufs Wesentliche beschränkten E-Transporter zur Serienreife entwickelt und das Projekt dann vier Jahre später an die Deutsche Post beziehungsweise DHL verkauft.

Von Düren nach Bangkok

Die Produktion der E-Transporter in Düren lief daraufhin wieder an, wurde aber im Juli nach einem Streit mit dem Hauptkunden DHL schon wieder eingestellt. Nach den Werksferien ging die Belegschaft in Kurzarbeit. Jetzt scheint die Hängepartie ein Ende zu finden. Wie die "Aachener Zeitung" berichtet, verlagert e.Volution die Produktion von Düren nach Thailand an einen Standort in der Nähe von Bangkok. Dort sollen die Elektromodelle viel kostengünstiger hergestellt werden können. Aus Deutschland kommen dann nur noch einzelne Komponenten. Produziert werden soll nur noch für Flotten. Geplant sei ein Joint-Venture mit einer thailändischen Unternehmerfamilie, an dem beide Parteien 50 Prozent halten. Es geht laut Medienbericht um achtstellige Finanzzusagen.

Von der Verlagerung der Produktion ins Ausland sind rund 200 Arbeitsplätze betroffen. Grund für die Entscheidung sollen gescheiterte Verhandlungen mit einem potenziellen deutschen Auftraggeber sein. Der Neapco-Betriebsrat sieht durch das Aus für den Streetscooter mittelfristig das gesamte Werk mit seinen über 500 Beschäftigten gefährdet.

Mit dem Wechsel des Produktionsorts soll sich auch der Name für die Modelle ändern. Aus Streetscooter wird Streetrunner. Im Angebot bleiben die Varianten Max und Giga.

Übernahmen, Umbenennungen, Insolvenz

Der Umzug ins Ausland ist der nächste Rückschlag in einer an Negativerlebnissen wahrlich nicht armen Firmengeschichte. Deutsche Post DHL wurde mit ihrer Autosparte nie so richtig glücklich und begab sich früh auf die Suche nach einem Käufer. Diese zog sich über mehrere Jahre, bis letztlich Anfang Januar 2022 Vollzug gemeldet wurde: Die Rechte und das Know-how zur Produktion der Streetscooter-Elektrotransporter übernahm das internationale Firmenkonsortium Odin Automotive S.à.r.l. aus Luxemburg. Aus der Streetscooter Engineering GmbH ging daraufhin die B-On GmbH hervor, die jedoch im Spätsommer 2023 Insolvenz anmelden musste. Später kümmerte sich eine Firma namens Nob Manufacturing GmbH, deren Betrieb und das Anlagevermögen zum 01. Januar 2024 von der E.Volution GmbH übernommen wurde, um das Streetscooter-Projekt wiederzubeleben.

2022 hatte B-On 2.447 vollelektrische Nutzfahrzeuge an Kunden ausgeliefert und damit einen Umsatz von 125 Millionen Dollar (aktuell umgerechnet gut 117 Millionen Euro) erwirtschaftet. Nach B-On-Angaben hatten in der Folge Lieferengpässe bei Bauteilen zu einem Produktionsrückgang und Zahlungsschwierigkeiten geführt. Die Produktion des Streetscooters am Standort Düren wurde trotz eines kolportieren Auftragsvolumens von mehreren zehntausend Fahrzeugen mit sofortiger Wirkung eingestellt. Von der Insolvenz betroffen waren laut Pressemitteilung seinerzeit 78 Mitarbeiter von B-On in Aachen sowie 170 Beschäftigte von Neapco im Werk Düren. Wie die "Welt" auf ihrer Website berichtet, seien zuletzt 68 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu E.Volution gewechselt.

Neuer Streetscooter sollte 2026 kommen

In seiner bekannten Form sollte der Streetscooter allerdings nicht mehr lange weiterleben. Günther Schuh wollte den E-Transporter ab 2026 auf eine neue Plattform stellen, auf deren Basis E.Volution seinen "Upgrade Re-Assembly Prozess" umsetzen wollte. Die Idee: Ein besonders langlebiges Chassis und eine digitale Fahrzeugakte sollen eine regelmäßige kostengünstige Aufwertung bestehender Fahrzeuge ermöglichen. Dieses Konzept sei bei kleinen, stark strapazierten Nutzfahrzeugen besonders wirkungsvoll. "Die Beanspruchung der Streetscooter im täglichen Betrieb ist höher als bei jedem anderen leichten Nutzfahrzeug", sagte Schuh im Januar 2024. "Hier kann unser Konzept seine Wirkung vorbildlich entfalten, den ökologischen Footprint über den Lebenszyklus wesentlich verbessern und gleichzeitig die Betriebskosten senken." Das Basisfahrzeug sei damit bis zu 50 Jahre lang betriebsfähig, ergänzte Schuh laut "welt.de".

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Derweil scheint die B-On GmbH aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz ihre eigenen Pläne eines Streetscooter-Erben weiterzuverfolgen. Im Herbst 2023 – also nach der Insolvenz – hatte die Firma auf der Japan Mobility Show in Tokio mit dem Pelkan die Konzeptstudie eines Nachfolgemodells des E-Transporters präsentiert. In seiner Serienversion Pelkan eLCV präsentiert der Hersteller den Elektro-Lieferwagen im Januar 2024 auf der CES in Las Vegas, wobei sich die Firma offensichtlich mit der Foxconn-Tochter "Mobility In Harmony" (MIH) verpartnert hat.  © auto motor und sport

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