Habe ich Anspruch auf eine alternative Verbindung oder Entschädigung, wenn der Zug ausfällt? Das kommt ganz darauf an. Seit 6. Juni gelten EU-weit neue Bahn-Vorgaben. Welche Regelungen jetzt in Deutschland gelten, welchen Nachteil alle haben, die das Deutschlandticket besitzen, und wie die Verbraucherschützer die Änderungen einschätzen, lesen Sie hier.

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Seit 6. Juni sind mit einer neuen EU-weit gültigen Verordnung neue Regeln für Bahnreisende in Kraft getreten. Das heißt, dass die in Deutschland geltende Eisenbahnverkehrsordnung entsprechend angepasst wird. "Bei den neuen Regelungen geht es um Mindeststandards", sagt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender von Pro Bahn. Die unterschiedlichen Verkehrsordnungen könnten also über die Regelungen hinaus gehen und auch weitere länderspezifische Punkte enthalten. Einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen für Reisende in Deutschland lesen Sie hier.

Keine Rückerstattung bei Extremwetter

Bisher war die Lage klar: Kam der Zug eine Stunde zu spät, gab es 25 Prozent des Ticketpreises zurück, waren es zwei Stunden, wurde der Preis halbiert. Grundsätzlich bleiben die Vorgaben bestehen, es gibt jedoch Einschränkungen. Liegen "außergewöhnliche Umstände vor", sind Eisenbahnunternehmen laut Artikel 19 der neuen Verordnung nicht mehr zur Zahlung verpflichtet. Dazu zählen auch:

  • extreme Witterungsbedingungen
  • große Naturkatastrophen
  • schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit
  • Terrorismus
  • "Verschulden eines Fahrgasts"

Mit letzterem ist gemeint, dass die Erstattung wegfällt, wenn etwa Menschen das Gleis betreten, Kabel gestohlen werden oder es einen Notfall im Zug gibt.

Kritik an den Vorgaben

"Die Vorgaben zur höheren Gewalt sind zu unpräzise formuliert", kritisiert Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Er geht davon aus, dass Gerichte entscheiden werden, wann es sich etwa um außergewöhnliche Wetterlagen handelt. Nach Angaben der Bahn werden Kundinnen und Kunden bei Verspätungen durch Unwetter wie Stürme oder Hochwasser auch in Zukunft entschädigt

Bei Ereignissen wie der Jahrhundertflut im Ahrtal 2021 falle der gesetzliche Anspruch zwar weg, die Bahn wolle sich aber jeden Einzelfall anschauen und den Fahrgästen gegebenenfalls mit Gutscheinen entgegenkommen. Anders sieht es bei Kabeldiebstahl oder Polizeieinsätzen am Gleis aus. Hier zahlt die Bahn künftig keine Entschädigung mehr bei Verspätungen. Unberührt bleibt das Vorgehen im Streikfall. Hier wird die Bahn weiterhin entschädigen.

Ausnahmen beim Deutschlandticket

Wenn der gebuchte Zug sein Ziel nur mit mehr als 20 Minuten Verspätung erreichen sollte, können Fahrgäste einen nicht-reservierungspflichtigen Zug des Fernverkehrs nutzen, also etwa einen ICE.

Das gilt allerdings ausschließlich bei reguläre Nahverkehrstickets. Das Deutschlandticket und andere erheblich ermäßigte Tickets fallen nicht darunter. "Es ist unverständlich, warum Reisende bei Verspätungen nicht kostenfrei auf höherwertige Züge ausweichen dürfen",sagt vzbv-Chefin Ramona Pop dazu. Das schrecke potenzielle Käuferinnen und Käufer ab und gefährde die Mobilitätswende. Mehr Verständnis für die Änderung gibt es hingegen bei Pro Bahn: "Da das Deutschland-Ticket vielfach auch für Fernreisen genutzt wird, kann das System die Reisenden kaum bewältigen, da auch die ICE meist sehr voll sind."

Taxi statt Bahn

Hier ist die in Deutschland geltende Eisenbahn-Verkehrsordnung kundenfreundlicher als die EU-Verordnung, erklären die Verbraucherschützer des vzbv.

Liegt die planmäßige Ankunftszeit zwischen null Uhr und fünf Uhr und ist eine Verspätung von 60 Minuten absehbar, können Fahrgäste mit dem Taxi ans Ziel fahren.

Änderung: Verkürzte Frist

Der Zug ist ausgefallen oder Sie waren deutlich länger unterwegs als geplant? Bisher hatten Reisende bis zu einem Jahr nach Ablauf der Gültigkeit des Fahrscheins Zeit, sich bei der Bahn zu beschweren.

Diese Frist wird mit der neuen Verordnung auf drei Monate verkürzt. "Die DB wird aber im Regelfall sehr kulant sein und weiterhin die fahrgastrechtlichen Beschwerden auch nach Ablauf der 3-Monats-Frist annehmen und bearbeiten", erklärte die Deutsche Bahn dazu. Karl-Peter Naumann von Pro Bahn merkt an: "Die Auswirkungen in der Praxis sind minimal, da ohnehin weit über 90 Prozent innerhalb von drei Monaten eingereicht werden."

Änderung: Fahrradplätze

"Die EU-Novelle sieht mickrige vier Fahrrad-Stellplätze für jeden neuen oder modernisierten Zug vor", kritisiert Alexander Kaas Elias, Bahnsprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD.

Ursprünglich seien vom EU-Parlament acht Plätze gefordert worden. Der VCD fordert weitere Maßnahmen von Bahnunternehmen, um Fahrräder besser zu befördern.

Barrierefreiheit

Zudem muss es laut Verordnung an Bahnhöfen zukünftig eine zentrale Anlaufstelle für mobilitätseingeschränkte Menschen geben. Hier soll der Ein- und Ausstieg angemeldet werden können.

Pro Bahn bewertet es positiv, dass "Mobilitätseingeschränkte Hilfeleistungen nun bis 24 Stunden vor Reiseantritt anmelden können und das auch im Regionalverkehr". Kritik gibt es hingegen seitens des VCD: "Das mag zwar auf den ersten Blick die Bahnfahrt erleichtern, bedeutet aber im Grunde nur, dass nach wie vor an vielen Bahnhöfen kein barrierefreier Ein-, Aus- oder Umstieg ohne Voranmeldung und Hilfsmittel wie Hublifte möglich sein wird." Spontane Fahrten blieben so weiterhin Zukunftsmusik. (mb/hcy/tar)

Verwendete Quellen:

  • Schriftliche Anfrage an Pro Bahn
  • Material der AFP

Die größten Zug-Mythen: Wenn der Fahrkartenautomat defekt ist, darf man ohne Ticket fahren?

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