Fast 50 Jahre VW Golf GTI: Wir zeigen alle acht Generationen des Hot Hatch vom Ur-GTI mit 110 PS von 1976 bis zum neuesten Clubsport mit Facelift und 300 PS.
Die Geschichte des Golf GTI ist im Grunde schnell erzählt: In Wolfsburg trifft sich 1974 eine Gruppe um den damaligen Volkswagen-Pressechef Anton Konrad, die sich einen Sport-Golf ausdenkt und heimlich baut. Der Golf ist gerade neu auf dem Markt und VW hat andere Sorgen als eine Sportversion des Kompakten. Doch die Idee hat Potenzial und Audi den passenden Motor im 80 GTE. Dessen 1,6-Liter mit K-Jetronic und 110 PS macht den Golf bis zu 182 km/h schnell. Der Vorstand ist überzeugt und macht das heimlich begonnene Projekt offiziell.
GTI-Folklore: Schottenkaro und Golfball
Dezent breitere Räder unter den schwarzen Kunststoff-Radläufen, schwarz abgeklebter Heckscheibenrahmen, rote Kühlergrillumrandung, fertig ist der GTI. Drinnen machen Schottenkaro-Sportsitze, Spucknapf-Lenkrad und Golfball-Schaltknauf den Unterschied zum halb so starken Standard-Golf. Schottenkaro und Golfball waren übrigens die Idee von Gunhild Liljequist, der ersten Frau im Volkswagen-Design.
Der Vertrieb ist skeptisch: Mehr als 5.000 Stück verkaufen? Erscheint mutig. Mehr als zwei Millionen in acht Generationen sind es bis heute geworden – Karomuster auf den Sitzen und roter Lidstrich am Grill gehören bis heute zur GTI-Folklore. Der Golfball-Schaltknauf leider nicht mehr; seit dem Facelift schaltet der Golf ausschließlich doppelverkuppelt und elektronisch gesteuert über einen unsexy Stummel auf der Mittelkonsole. Dafür leistet der Zweiliter-Turbomotor mehr als doppelt so viel wie damals: 265 PS, das sind 5 mehr als im Porsche 911 Turbo von 1974. Womit wir wieder am Anfang sind und alle acht Generationen des Hot Hatch aus Wolfsburg der Reihe nach vorstellen können.
Golf I GTI (1976 bis 1983): kantige Urform
Im September 1975 feiert der Golf GTI während der Internationalen Automobil Austellung (IAA) in Frankfurt Premiere. Im Juni 1976 startet der Verkauf – zu Preisen ab 13.850 Mark. VW baut 461.690 Golf GTI der ersten Generation. Ab 1982 bauen die Wolfsburger einen Motor mit 1,8 Liter Hubraum und 112 PS Leistung ein.
Zum Schluss kommt der Pirelli-GTI für 22.800 Mark mit grünem Colorglas, Pirelli P6 der Größe 185/60 HR 14 auf Pirelli-Leichtmetallrädern sowie in Wagenfarbe lackierten Anbauteilen. Allen GTI gemeinsam: Eine Quirligkeit, die aus einem geringen Leergewicht von 851 Kilogramm entsteht. In 9,2 Sekunden sprintet der erste GTI von null auf 100 km/h.
Golf II GTI (1984 bis 1991): bis zu 160 PS mit G-Lader
Die Neuauflage muss sich erst mal Kritik anhören, weil die 112 PS des Motors aus dem Vorgänger an der geräumigeren Karosserie des Golf II schwerer zu schleppen haben: 960 Kilogramm bringt der Golf II GTI auf die Waage. Ein langsames Auto ist er deshalb nicht – im Test von auto motor und sport geht er in 8,9 Sekunden von null auf 100 km/h – aber der unmittelbare Antritt der Urversion ist Geschichte. Bis 1986 der Vierventiler im GTI 16V mit 139 PS für mehr Dynamik sorgt – und 1987 mit der Katalysatorversion 10 PS einbüßt.
Ganz neue GTI-Gefühle liefert die VW-eigene Entwicklung des G-Laders: Der schraubt 1990 die Leistung auf 160 PS, das Drehmoment auf 225 Nm und lässt den GTI in 8,3 Sekunden von null auf 100 km/h stürmen. Der G-Lader gibt im GTI ein kraftvolles, jedoch nur kurzes Gastspiel, da 1991 die nächste Golf-Generation erscheint.
Golf III GTI (1991 bis 1997): 110 PS mit Diesel
Dynamik ist bei der Premiere der dritten Golf-GTI-Generation ein unangenehmes Thema und das hat zwei Gründe: mehr Ausstattung und eine wiederum größere Karosserie steigern das Leergewicht auf 1.162 Kilogramm. Denen setzt ein relativ bräsiger Zweiliter-Achtventiler 115 PS entgegen. Jedes PS muss 10,1 Kilogramm bewegen. Darum dauert der Standardsprint länger als beim ersten GTI: 10,8 Sekunden.
Besser geht der GTI ab 1992 als 16V mit 150 PS. Später gibt es sogar einen TDI im GTI – ab 1996 im Jubiläumsmodell "20 Jahre GTI". Der Diesel hat 110 PS, also exakt die Leistung des Ur-GTI. Seine Stärken sind 235 Newtonmeter Drehmoment und fünf Liter Verbrauch.
Golf IV GTI (1997 bis 2003): Turbo, V5 und TDI
In keiner anderen GTI-Generation gibt es mehr Motoren zur Auswahl: Fünfzylinder-Sauger, Vierzylinder-Turbo als Benziner und Diesel. Der TDI läuft in der vierten Generation mit 150 PS zur Hochform auf. Reizvoller ist trotzdem der 1,8-Liter-Benziner mit Fünfventiltechnik und 180 PS im 25-Jahre-Jubiläums-GTI von 2001. Der geht in 7,9 Sekunden von null auf 100 km/h und rennt auf der Bahn so schnell wie 21 Jahre zuvor Audis Urquattro: 222 km/h.
Zum Jubiläumspaket gehören 18-Zoll-BBS-Räder, abgedunkelte Scheinwerfer und dickere Schweller. Alle anderen GTI sehen praktisch genauso aus wie jeder andere Golf und die Mittelkonsole dekoriert sich mit dunklem Wurzelholz "Myrte" – ein schwarzer Heckscheibenrahmen wäre historisch korrekter gewesen.
Golf V GTI (2004 bis 2008): DSG, FSI, 230 PS
Technisch macht der fünfte Golf GTI einen großen Sprung nach vorn: Direkteinspritzung, Mehrlenker-Hinterachse, Doppelkupplungsgetriebe. Im Prinzip gibt es diese Merkmale heute noch beim GTI. Mit roter Linie im Wabenkühlergrill und Karomuster auf den Sportsitzen kommt das Sportmodell wieder eigenständiger daher.
Glatte 200 PS leistet der Zweiliter-TFSI. Gegen Aufpreis schaltet ein Doppelkupplungsgetriebe (DSG) besonders schnell und praktisch ohne Zugkraftunterbrechung – so sprintet der GTI in 6,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. "Für Jungs, die damals schon Männer waren", schreibt VW 2004 in Anzeigen. Zum 30. GTI-Geburtstag erscheint 2006 die 230 PS starke "Edition 30" und 2007 lebt der Pirelli-GTI wieder auf.
Golf VI GTI (2009 bis 2012): einziges GTI-Cabrio
Die übliche Lebenszeit einer Golf-Generation von sechs bis sieben Jahren verkürzt Volkswagen mit Nummer sechs auf vier Jahre. Der Neue ist flacher und innen hochwertiger als der Vorgänger. Der Vierzylinder-Turbomotor leistet 210 PS, womit der GTI in der Spitze 240 km/h erreicht. Bei der Fahrwerksabstimmung hilft Hans-Joachim Stuck.
Die Traktion verbessert eine elektronische Quersperre und den Durchzug das Cabrio – nach dem Produktionsende des Golf R Cabrio der stärkste offene Volkswagen. In 7,3 Sekunden stürmt das bisher einzige GTI Cabrio von null auf 100 km/h, das Dach öffnet in neun Sekunden.
Golf VII GTI (2012 bis 2019): Nordschleifen-Rekordrunde
Die siebte Golf-Generation stellt Volkswagen auf den Modularen Querbaukasten. Der MQB spart bis zu 42 Kilogramm Gewicht und dem Konzern Geld, weil die Architektur vom Audi A3 bis zum VW Passat für viele Autos passt. Der GTI läuft in siebter Generation zur Bestform auf, taugt für Rennstrecke und Alltag, läuft als erster 250 km/h – das ist die Höchstgeschwindigkeit des handgeschalteten Performance-Modells.
Weniger Gewicht kommt einem sportlichen Auto immer entgegen und mehr Leistung bekommt der GTI ebenfalls: 220 PS in der Basis, 230 PS in der Performance-Variante und 310 PS im bislang stärksten GTI, dem Clubsport S. Mit dem fährt Benny Leuchter 2016 in 7:49,2 Minuten um die Nordschleife und stellt damit einen neuen Rekord für serienmäßige Frontantriebsautos auf. Neben dem auf 400 Exemplare limitierten Clubsport S ist der 290 PS starke TCR ebenfalls eine reizvolle Version für rundstreckenaffine GTI-Fahrer.
Golf VIII GTI (seit 2020): assistiert und vernetzt
Für die Nordschleife hat Volkswagen dem Golf 8 GTI Clubsport ein eigenes Fahrprogramm abgestimmt. Der neue Fahrdynamikmanager vernetzt elektronisch geregelte Vorderachssperre, Adaptivdämpfer, Motorsteuerung und ESP. Mit 300 PS beschleunigt der Clubsport in 5,6 Sekunden von null auf 100 km/h.
Das Standardmodell schafft den Sprint nach dem Facelift ebenfalls in unter sechs Sekunden: 5,9 stehen im Datenblatt. Der EA 888 Evo 4 leistet 265 PS – 20 mehr als vor der Modellpflege. Dafür gibt es keinen Handschalter mehr. Ein Zündschloss hat der Golf in achter Generation ebenfalls nicht mehr, fährt dafür bis 210 km/h assistiert. Ob sich das die Truppe um Anton Konrad vor 50 Jahre vorstellen konnte? © auto motor und sport
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