Cupertino (dpa) - Vor einem Jahrzehnt fragte Apple-Mitbegründer Steve Jobs seine iPhone-Premierengäste noch, ob sie sich überhaupt ein Gerät vorstellen können, in dem ein Musikplayer, ein Mobiltelefon und ein tragbarer Internet-Computer vereint sind.
Die Fans im Saal johlten und ahnten, dass sie einem historischen Moment beiwohnen. Apple-Konkurrenten wie Microsoft, der Blackberry-Anbieter RIM und Nokia reagierten damals im Jahr 2007 zwar äußerlich cool und distanziert, verfielen intern aber in panische Aktivitäten, um der angekündigten Technik-Revolution von Apple etwas entgegenzusetzen.
Zehn Jahre später muss eine neue Generation von Apple-Wettbewerbern (Samsung, Huawei, LG, Lenovo und andere) nicht mehr in Panik geraten, wenn der aktuelle Apple-Chef "One More Thing" verkündet: Die meisten der Neuheiten, die Tim Cook - der Nachfolger von Steve Jobs - auf dem neuen Firmen-Campus Apple Park vorstellte, waren ohnehin vorab durchgesickert. Und die von Apple am Dienstag dann tatsächlich präsentierten Innovationen, wurden in der Regel nicht von Apple erfunden oder zuerst auf dem Markt eingeführt.
So konnte bereits das Smartphone Palm Pre ohne Kabel aufgeladen werden, das im Januar 2009 auf der CES in Las Vegas vorgestellt wurde. Und ein fast randloser OLED-Bildschirm, mit dem Apple jetzt das neue iPhone X bewarb, konnte man 2017 schon bei diversen Smartphones bewundern, darunter dem Samsung Galaxy S8 und Note 8, dem G6 von LG oder beim Essential-Phone von Android-Erfinder Andy Rubin.
Dennoch behauptete Apple-Boss Cook, das neue iPhone X fühle sich "wie die Zukunft des Smartphones" an. Dahinter steckt das gesunde Selbstbewusstsein, dass es einen Unterschied ausmacht, wenn Apple in eine Technologie einsteigt oder (noch) nicht. So verfügen die neusten Spitzen-Smartphones von Apple-Wettbewerber Samsung bereits seit Monaten über eine Gesichtserkennung. Doch in unabhängigen Tests zeigte sich, dass sich bei diesen Geräten die biometrische Funktion mit einem Foto austricksen ließ.
Apple verspricht dagegen, dass seine "Face ID" bei Tag und Nacht funktioniert - und sich dabei auch nicht durch Fotos aushebeln lässt. Das System soll selbst dann richtig reagieren, wenn die Anwender die Frisur verändern oder Hüte oder Sonnenbrillen tragen. Selbst wenn sich ein User einen Bart wachsen lässt, soll "Face ID" nicht aus dem Tritt geraten.
Auch beim Thema Display-Technologie zeigt sich Apple selbstbewusst. Man biete nicht den erste OLED-Bildschirm, aber den ersten richtig guten. Beim ersten Hinschauen auf dem Apple-Event hinterließen die Farben auf dem Bildschirm des neuen Flaggschiffs iPhone X beim tatsächlich einen etwas natürlicheren Eindruck als die entsprechenden Displays der Wettbewerber. Ob das den Superlativ von Apple aber rechtfertigt, müssen erst umfangreichere Tests beweisen.
Und auch bei der drahtlosen Ladetechnologie spielt es für Apple kaum eine Rolle, dass das Qi-Format schon seit langer Zeit von etlichen Herstellern verwendet wird. Hier kommt es auf die Durchschlagskraft am Markt an. Experten vermuten, dass erst nach dem Einstieg von Apple beispielsweise Hotels im großen Stil anfangen werden, ihre Zimmer mit drahtlosen Qi-Ladeschalen für ihre Gäste auszustatten.
Wie diese Taktik aufgehen kann, sieht man an der Apple Watch. Die Kalifornier waren nicht das erste Unternehmen, das smarte Armbanduhren oder Fitness-Tracker auf den Markt gebracht hat. Doch mit einer steigen Verbesserung der Modelle setzte sich Apple nach Angaben von Konzernchef Cook nach Umsatz jetzt weltweit an die Spitze des Uhrenmarktes und verwies damit die renommierten Marken Rolex, Fossil, Omega und Cartier auf die Plätze. Alleine im jüngsten Geschäftsquartal stieg der Umsatz mit der Apple Watch im Jahresvergleich um 50 Prozent.
Die aktuelle Series 3 der Apple Watch soll diesen Erfolgskurs fortsetzen. Dank eines einbauten Mobilfunkmoduls kann man nun auch mit der Uhr telefonieren oder Datendienste nutzen, wenn man beispielsweise beim Joggen kein iPhone mit sich führt. Damit kann man mit der Uhr ohne iPhone navigieren oder via Apple Music aus einem Bestand von 40 Millionen Songs auf die drahtlosen Apple-Kopfhörer (AirPods) streamen.
Akzente setzt Apple auch bei der Halbleiter-Entwicklung. Im iPhone 8 und dem iPhone X steckt der neue A11-Chip, der nicht nur bei der Gesichtserkennung eine wichtige Rolle übernimmt, sondern die neuen iPhones mit genügend Power für aufwendige Augmented-Reality-Anwendungen versorgt, mit der beispielsweise Szenen eines Computerspiels mit der realen Umgebung vermengt werden.
Ob die neuen iPhone-Modelle am Markt erfolgreich sein werden, hängt auch davon ab, ob die Kunden bereit sind, vergleichsweise tief in ihren Geldbeutel zu greifen. Für ein iPhone 8 sind mindestens 799 Euro fällig. Ein iPhone 8 Plus in der höchsten Speicherausstattung von 256 Gigabyte überschreitet die 1000-Euro-Schwelle mit 1079 Euro klar.
Das iPhone X ist dann nochmal deutlich teurer. Hier fängt die Spanne bei 1149 Euro für das 64-Gigabyte-Modell an. Das Modell mit 256 Gigabyte Speicher kostet dann happige 1319 Euro. Da werden selbst manche hartgesottenen Apple-Fans zucken, zumal sie unerwartet lange auf das iPhone X warten müssen. Erst am 6. November, sechs Wochen später als von Analysten erwartet, kommt das neue Spitzen-Smartphone von Apple in die Läden.
Michael Olson, Analyst bei Piper Jaffray, glaubt, dass Apple die hochgesteckten Erwartungen zum zehnjährigen iPhone-Jubiläum erfüllt hat. Mit dem randlosen OLED-Display und der neuen 3D-Sensorik für die Gesichtserkennung habe Apple die Veränderungen vorgelegt, um die erwarteten Verbesserungen umzusetzen. © dpa
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