Beschneidung aus religiösen Gründen ist in Deutschland seit zwei Jahren per Gesetz erlaubt. Nach wie vor hagelt es aber von Kinderärzten heftige Kritik an dieser Entscheidung: Sie fordern ein Verbot von Genitalverstümmelung.
"Wir bezeichnen die religiöse Beschneidung guten Grundes als Kindesmisshandlung". Die Aussage von Dr. Brigitte Dietz könnte eindeutiger nicht sein. Auch wenn das Thema in den Medien mittlerweile weniger präsent ist: Für die stellvertretende Vorsitzende und Pressesprecherin der Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Bayern ist die Beschneidungsdebatte noch lange nicht beendet.
Ein kurzer Rückblick: Im Frühjahr 2012 hatte das Kölner Landgericht überraschenderweise die Beschneidung eines Jungen aus religiösen Gründen als strafbare Körperverletzung gewertet. Sowohl im Islam als auch im Judentum ist es Tradition, die Penisvorhaut der Jungen zu entfernen – eine eindeutige Rechtslage gab es zu der Zeit in Deutschland aber nicht. Die Bundesregierung hat daher wenige Monate später ein Gesetz verabschiedet, das die Beschneidung von Jungen aus rituellen Gründen erlaubt – unter der Voraussetzung, dass ein Mediziner oder ein religiöser Beschneider (in den ersten sechs Lebensmonaten) den Eingriff durchführt.
Kinderärzte: Beschneidung nur aus medizinischen Gründen sinnvoll
"Eine Beschneidung von Jungen ist nur dann sinnvoll, wenn eine medizinische Indikation vorliegt – was äußerst selten vorkommt", widerspricht Dr. Brigitte Dietz der Auffassung der Politik. Denn der scheinbar harmlose Eingriff birgt Risiken: Es kann zu Infektionen, Wundheilungsstörung, Harnröhrenverengung und Fisteln kommen. "Einige haben später auch psychische Probleme bis hin zu Erektionsproblemen und sexuellen Störungen sowie Minderwertigkeitskomplexe, da dieser Eingriff eine Verstümmelung darstellt, die ohne die Einwilligungsfähigkeit der Person stattgefunden hat", berichtet die Expertin.
Nach Auffassung der Ärzte haben die Kinder ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, das auch die Eltern nicht missachten dürfen. "Weder Tradition noch Religion dürfen dazu führen, dass an den Genitalien von minderjährigen nicht einwilligungsfähigen Mädchen oder Jungen ohne medizinische Indikation herumgeschnitten wird", erklärte Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Bezug auf die Debatte. "Menschenrechtsverletzungen bleiben Menschenrechtsverletzungen, auch wenn sie aus rituellen Gründen begangen werden."
Forderung nach einem Verbot der religiösen Beschneidung
Das Gesetz der Bundesregierung, das die rituelle Beschneidung von Kindern in geregelte Bahnen lenken sollte, ist nach Ansicht des Berufsverbandes der Kinderärzte kläglich gescheitert. "Die Situation hat sich seit dem unsäglichen Gesetz vor zwei Jahren sogar verschlechtert", klagt Dr. Brigitte Dietz. "Demnach ist es ja gesetzlich erlaubt, Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat ohne Narkose und ohne Schmerzmittel von nicht ärztlichen Personen beschneiden zu lassen."
Der Verband startete Aufklärungskampagnen für die Eltern, verteilte Broschüren zur Penisgesundheit unter dem Motto "Die Vorhaut – kein Fehler der Natur". Doch am Ende, so ist man sich einig, müsse eine neue gesetzliche Regelung her: ein Verbot. "Denn die Eltern, die diesen Eingriff vornehmen lassen, sind in ihrer religiösen Vorstellung so gefangen, dass vernünftige Argumente leider nicht ankommen und nicht gehört werden", erklärt Dr. Brigitte Dietz.
"Es ist Zeit, dass das 2012 erlassene 'Beschneidungsgesetz' novelliert wird", fordert der Vorsitzende Dr. Wolfram Hartmann. "Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass rituelle Verstümmelungen uneingeschränkt weder an Mädchen, noch an Jungen vorgenommen werden dürfen."
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